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 Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik



Petits riens (53)
Von Wolfram Schütte

    


© R. Reifenrath

Private Rasterfahndung- Seit dem grauenhaften Terror-Mord der Hamas in Israel beobachte ich an mir so etwas wie eine private Rasterfahndung. Deren Ziel sind braunhäutige Jugendliche & junge Männer mit dem derzeit modischen Haarschnitt. Nicht nur jene, die durch einen auffälligen Bartwuchs sich als radikale Islamisten annoncieren.

Ich weiß, dass es rassistisch ist, eine Gruppe von Menschen, die bestimmte erkennbare physische Gemeinsamkeiten haben, einem Generalverdacht auszusetzen. Meine Generation – als wir in etwa so alt waren wie die von mir heute Verdächtigten – hat bei jedem älteren Deutschen, dem sie privat oder in der Öffentlichkeit begegnete (z.B. besonders bei Lehrern, Politikern oder Journalisten), darüber gemutmaßt, was derjenige „wohl zwischen 1933 & 1945 gemacht habe“. Ganz ähnlich heute. Wer als junger Mann „südländisch“, „levantinisch“, „arabisch“ aussieht, scheint verdächtig zu sein, nach den Hamas-Massakern mit oder ohne Palästina-Flaggen in deutschen Großstädten mit Gleichgesinnten demonstriert zu haben. 

Obwohl das gewiss nicht auf jeden der rassistisch von mir Angesehenen zutrifft, trifft aber wohl zu, dass es keine Demonstration je gegeben hätte, auf der diese leidenschaftlichen jungen Männer gegen das Verbrechen der Hamas protestiert hätten. Wie auch? Ich habe ja ebenfalls von keiner muslimischen Organisation gehört, die die Hamas-Massenmorde (buchstäblich nazistischer Pogrom-Art) je öffentlich, gar empört inkriminiert & die von „Blasphemie“ gesprochen hätte, weil die Hamas die sadistischen Killerkommandos im Namen Allahs, „des Barmherzigen“ (wie uns immer wieder von muslimischen Organisationen versichert wird) losgeschickt hat?

Oder muss ich davon ausgehen, dass die mörderischen Taten der Hamas nur von den Betroffenen wirklich als fragloses Verbrechen per se identifiziert wurde, wohingegen die muslimische Welt in der Abschlachtung der Unschuldigen, der Video-Dokumentation der Morde Wehrloser, von Babys, Frauen & Alten & deren Publikation im Internet nur die unschuldige Rache „der Palästinenser“ angesehen & gefeiert wird?

Die Gesamtheit der „Palästinenser“ wird durch die Hamas de facto in Geiselhaft genommen wie die wahllos nach Gaza Verschleppten als menschliches Erpressungsmaterial. Oder sollte ich davon ausgehen, dass die große Mehrheit der Palästinenser den fundamentalistischen Furor der Hamas schätzt? Was dann?

                                       *

Unverhoffter Doppelgänger - Kürzlich erschien ein Interview mit Arno Schmidt in der „Süddeutschen Zeitung“. Wie denn das? Ist der Autor von „Zettels Traum“ doch seit 44 Jahren tot & auch Jörg Drews, sein treuester „Influencer“, der in der „Süddeutschen  Zeitung“ immer wieder das Hohe Lied auf den „Solipsisten in der Heide“ angestimmt hatte, ist dem kundig verehrten literarischen Meister vor 14 Jahren nachgestorben. Des Rätsels Lösung in der SZ ist einfach: Es gibt einen über Neunzigjährigen gleichen Namens, mit dem ein Gespräch geführt wurde. Und zwar über die kulinarischen Interessen der prominenten Kundschaft des New Yorker Nobelhotels „Waldorf Astoria“ während der Fünfziger Jahre. Zu dieser Zeit ernährte sich das ohnehin kulinarisch ebenso minderbemittelte wie unkundige Ehepaar Arno & Alice Schmidt in Bargfeld (Kreis Celle) von einfachster deutscher Hausmannskost, während der nach New York ausgewanderte Österreicher namens Arno Schmidt in der Spitzenküche des damals weltberühmten Hotels Karriere machte, wie man aus dem Interview im Wochenendsupplement der SZ jetzt erfuhr. Erstaunlicherweise trägt der österreichische Arno Schmidt (auf einem zeitgenössischen Foto in der Küche des „Waldorf Astorias“) die gleiche Brille wie sein deutsches Pendant. Verblüffend!

Wohl kaum dürfte dem österreichischen Koch am Hofe der usamerikanischen Hautevolee damals (& heute?) bekannt gewesen sein, dass er einen gleichnamigen deutschen Doppelgänger hatte, dessen sprachliche Menüs nur von einer vergleichbar schmalen (allerdings literarischen) Klientel in der BRD goutiert wurden. Offenbar aber ist das einst herausragende Wirken des Jörg Drews für das heute anerkannte literarische Oeuvre Arno Schmidts in der „Süddeutschen Zeitung“ folgenlos geblieben; sonst hätte sich – wenigstens durch einen „link“ – die Zeitung nicht die komische Pointe entgehen lassen, welche die zufällige namensgleiche Doppelgängerei gestiftet hatte, wenn auch nur für die „happy few“ der literarischen Kenner & Liebhaber. Das Manko könnte etwas über die kulturelle Veränderung der SZ aussagen – anhand Arno Schmidts.                            

                                      *

Brentano & Heine – Neulich sah ich mir in einem der Dritten Programme ein Feature über den Mittelrhein, seine Burgen & die Loreley an. Ich staunte nicht schlecht, als eine der dortigen „Weinköniginnen“ Clemens Brentano als Loreley-Dichter nannte. Erstaunlich, was man als Rhein-Wein-Königin doch zu wissen scheint - oder wem (?) nachplappert! Denn nur germanistische Brentano-Kenner dürften auf Anhieb von Clemens Brentanos Ballade „Die Lore Lay“ etwas wissen. Aber das viel mit Wonne & Tränen gesungene, traurig-schöne Loreley-Lied, das Friedrich Silcher vertonte, stammt, wie man weiß (bzw. wusste), von Heinrich Heine.

Für die Nazis war das verständlicherweise ein Skandal, den es zu vertuschen galt. Sie behaupteten, die weltbekannten Zeilen „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…“ seien ein „Volkslied“. Dabei waren es die beiden Antisemiten Clemens Brentano & Achim von Armin, die mit ihres „Knaben Wunderhorn“ die von ihnen bearbeitete lyrischen Volksdichtungen in die Welt der deutschen Romantik bliesen – wohingegen Heinrich Heines melancholische Dichtung ganz & gar housemade war.

Dass die Nazis einen späten Sieg im Munde einer rheinischen Weinkönigin hatten, weil die junge Frau zwar den ihr wohl kaum bekannten Clemens Brentano erwähnte, den Namen Heinrich Heines aber nicht in den Mund nahm, verdanken sie wohl auch der Ignoranz der „verantwortlichen“ TV-Redakteure, denen weder Brentano noch Heine geläufig sein dürften.

Artikel online seit 20.12.23
 

»Petits riens«,
nach dem Titel eines verloren gegangenen Balletts, zu dem der junge Mozart einige pointierte Orchesterstücke schrieb, hat der Autor seit Jahren kleine Betrachtungen, verstreute Gedankensplitter, kurze Überlegungen zu Aktualitäten des
Augenblicks gesammelt. Es sind Glossen, die sowohl sein Aufmerken bezeugen wollen als auch wünschen, die
»Bonsai-Essays« könnten den Leser selbst zur gedanklichen Beschäftigung mit den Gegenständen dieser flüchtigen Momentaufnahmen anregen.
»
Kleine Nichtse« eben - Knirpse, aus denen vielleicht doch noch etwas werden kann. 

Petits riens (IX)
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