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© R. Reifenrath |
Superlativitis
– Den folgenden Text fand man an Goethes Geburtstag in dem Qualitätsmedium
»Süddeutsche
Zeitung«:
* Sturm abgeblasen - Was waren das für Zeiten, als wir uns, arrogant wie wir waren, über Walter Ulbrichts Aufforderung amüsierten, es müssten von den Genossen »die Höhen der bürgerlichen Kultur erstürmt werden«! Dadurch sollte das Proletariat die künstlerischen Erzeugnisse der bürgerlichen Klasse sich aneignen, nicht bloß »beerben«, wie Ernst Bloch das vom künftigen Kommunismus generell forderte. Das arrogante Lachen über den hochherzigen alpinistischen Wunsch des sächsischen Betonkopfs müsste uns mittlerweile gründlich vergangen sein. Nicht aber wegen des folgenreichen Untergangs der DDR (& ihrer kulturellen Wohltätigkeiten im Bereich Literatur & Bühne), sondern wegen des »Siegs« des Kapitalismus. Er hat »die Höhen« der bürgerlichen Kultur verwaisen lassen oder gar geschliffen, bis auch sie erst aus dem Blick & darauf so gut wie ganz aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein verschwunden sind (wie die DDR).
Was uns in bipolaren
politischen Zeiten als Schreckensaussicht des realen »Kommunismus« drohend vor
Augen gerufen wurde: »die Gleichmacherei der Kommunisten«, das hat der reale (Konsum)Kapitalismus
radikal digital durchgesetzt – wobei an den gesellschaftlichen
Machtverhältnissen sich nichts geändert hat, weil darin, mit Orwells Worten,
einige Reiche noch gleicher als gleich sind. Die Diktatur der Bourgeoisie hat
dessen kulturellen Heiligenschein als Bildungsbürger
liquidiert Neueste Pathfinder - Samstagabendeinladung in ein unbekanntes, verwinkeltes Stadtviertel mitten in Frankfurt am Main. Auf dem Stadtplan müsste es fußläufig von der nahe gelegenen U-Bahnstation ohne Schwierigkeit in ein paar Minuten erreichbar sein. Aus der U-Bahn aufsteigend, stehen wir an einer von Lärm erfüllten, vielbefahrenen Ausfall- & Ring-Straßen-Kreuzung. In Erinnerung des zuhause konsultierten Stadtplans, oberirdisch die richtige Richtung zu unserem Ziel zu wissen, überqueren wir an einer Ampel eine der dreispurigen Straßen. Am anderen Ufer des Verkehrsflusses angekommen, mutmaßen wir jedoch, dass wir in die Irre gegangen waren. Im Dunkel des Fußgängerwegs sehen wir eine Person uns entgegenkommen. Sie wird angesprochen & zu unserer Verwunderung ist es ein Polizist – was allerdings nicht so ungewöhnlich hier ist, weil, wie wir aus unserem Landkarten-Studium wissen, das Polizeipräsidium in der Nähe liegt (allerdings für unser Ziel in der falschen Richtung!). Der angesprochene Polizist, der wohl seinen Dienst beendet hatte & womöglich auf dem Heimweg zu unserer U-Bahnstation ist, kennt unsere Straße nicht. Hilfreich greift er aber zu seinem Smartphone, gibt unsere Adresse ein & weist uns den richtigen Weg, den wir dann weitgehend im Dunkel über klitschige Laubblätterfluten gehen. Dabei bemerken wir, dass die spärliche Straßenbeleuchtung offenbar nur noch für die Autofahrer (& längst nicht mehr auch für Fußgänger) gedacht ist.
Nachdem wir eine andere
der (sechsspurigen) Straßen an einer Ampel überquert hatten, standen wir in der
vierspurigen Seitenstraße orientierungslos auf dem Trottoir. Es kam uns ein
junges Pärchen entgegen, offensichtlich auf dem Weg zu einer Abendveranstaltung.
Wieder sprachen wir diese Bewohner des Viertels an, fragten mit unserem
Straßennamen, den sie jedoch auch nicht kannten, aber sofort als Navigationsziel
ihrem Smartphone eingaben & uns daraufhin die entsprechende Abzweigung in
Richtung unseres Ziels zeigen konnten. Nicht auszudenken: es hätte geregnet/wir wären auf den nassen Blättern ausgerutscht/ keiner der um Hilfe Gebetenen hätte (wie wir) ein Smartphone gehabt oder es wäre ein Wochentag gewesen & nicht der Tag, an dem die Jungen zum Vergnügen ausgehen. Wir wären buchstäblich im Straßenlabyrinth & dem Dunkel verzweifelt. Erfahrungszuwachs: als unwissender Fußgänger abendlich/nächtlich in einem unbekannten Stadtviertel auf der Suche nach einer Adresse irrt man weitestgehend im Dunkel herum, weil die Hausnummern nur bei Tageslicht erkennbar sind. Ohne Praxis mit einem Smartphone, das die Funktion der Fluglotsen in die Orientierungsfähigkeit eines elektronischen Pfadfinders im Dschungel der Großstadt übersetzt, darf man sich heute nicht mehr abends in ein fremdes Revier der Großstadt getrauen. Es sei denn, man vertraue auf Geduld, Hilfsbereitschaft & Großzügigkeit der jungen Smartphone-Priviligierten. Der infernalische Dauer-Lärm, die schnelle Massenbewegung der Automobile, die jeweils dreifach neben einander mit laufendem Motor an der Ampel stehend (»wie auf dem Sprung«) warten, erzeugt für einen Fußgänger im Dunkel die angstvolle Situation einer lauernden Lebens-Bedrohung, zu der selbst die hellen Scheinwerfer der Auto-Masse noch beitragen, weil sie einen zu fixieren scheinen. *
Rätsel-Lösung?-
Gehört & gelesen habe ich jetzt öfters, dass ARD-Rundfunksender, die ihre
Klassik-Programme neu ausrichten wollen & deshalb Umfragen nach Hörer-Wünschen
erheben ließen, von jüngeren »Klassik-Fans« deren Wunsch nach mehr Filmmusik
erfahren haben wollten.
Ich glaube, es gibt noch
einen anderen Grund, warum bei der Frage, was die Konsumenten der Klassischen
Musik (außer der Musik von Bach bis Bernstein) noch gerne zusätzlich hören
möchten, geantwortet haben; »mit Filmmusik, Musik aus Filmen«. * Kollateral-Bonus – Beim Kauf von Olivenöl bei dem italienischen Feinkosthändler unseres Vertrauens in der Kleinmarkthalle, sah ich jetzt eine Postkarten große Mitteilung an die Kundschaft. Darauf wurde dem potentiellen Käufer gedankt, wenn er nicht mit Karte, sondern mit Bargeld bezahlen würde. Der Kunde werde damit, argumentierte unser Öl-Verkäufer Sympathie heischend für die Tradition, einen Beitrag zur Fortdauer des alten Geldverkehrs leisten. Der freundschaftliche Appell erinnerte einen an den Handel auf italienischen Straßenmärkten. Die dabei entstandene Intimität zwischen Verkäufer & Käufer, die der Bargeldtausch von Hand zu Hand besiegelte, hatte einem ja immer besonders gefallen. Die Verteidigung des freien Geldverkehrs ist aber gewiss nicht bloß eine vertrauensbildende Empfehlung für konservative Lebensweisen, schon gar nicht auf der Empore der Kleinmarkthalle, wo sie mir erstmals vor Augen kam. Selbstverständlich habe ich für meinen Olivenölkauf auch keine Rechnung bekommen, die über eine Kasse gelaufen wäre. Von diesem Geschäft unter uns beiden hat der Fiskus nichts erfahren. Hätte ich mit der Karte bezahlt, wäre der elektronische Fingerabdruck unserer Geschäftsbeziehung registriert. Ich ahnte vollends, woher der Wind wehte, nachdem mir mein italienischer Olivenöl-Verkäufer & Verteidiger des Papiergeldes erzählte, woher er stammte: Kalabrien.- Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Artikel online seit 08.11.21 |
»Petits
riens«, |
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