Home

Termine     Autoren     Literatur     Krimi     Quellen     Politik     Geschichte     Philosophie     Zeitkritik     Sachbuch     Bilderbuch     Filme





Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


Anzeige

Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

Ohne Versandkosten bestellen!

Petits riens (elf)

Von Wolfram Schütte


Foto: © Roderich Reifenrath

Erhellung Wer kürzlich den vorzüglichen  2teiligen Dokumentarfilm »Geheimauftrag Pontifex« von Jan Peters & Yuri Winterberg auf arte (29.9.15) gesehen hat, wird das  Säbelgerassel des russischen Präsidenten Putin zur Destabilisierung  der Ukraine besser zu begreifen glauben. Denn das, was die beiden Autoren mit hochrangigen Gesprächspartnern - u.a. aus der Reagan-Regierung, dem Vatikan & einem polnischen Spion, der dem Woytila-Papst so nahe war wie Guillaume einst Willy Brandt – über den »Vatikan im Kalten Krieg« recherchiert haben, ist ebenso triftig wie grotesk.

Die Gesprächigen der Dokumentation erzählten, wie der polnische Papst zielbewusst mit Unterstützung der USA (Reagans & seiner Mannschaft) seinen antikommunistischen Kampf  gegen die Regierung seines Geburtslandes führte. Weil die polnischen Kommunisten aber ahnten, dass der charismatische Menschenfänger auf dem Stuhl Petris ebenso furchtlos wie fanatisch war - was enge Vertraute Reagans hier freimütig ausplaudern -, wussten sie spätestens nach Woytilas triumphalen Heimatbesuchen auch, dass ihrem mächtigsten Feind »nichts zustoßen durfte«. Sie befürchteten, dass ein tödliches Attentat der Funke sein könnte, das Pulverfass des durch die Solidarnosc erschütterten &  katholisch erregten Polen zur Explosion zu bringen.

Der polnische Spion, der im Vatikan an der Seite des polnischen Papstes positioniert war, erklärte in der Dokumentation, er habe nicht nur die Aufgabe gehabt, seine geheimen Erkenntnisse über die Kontakte, Absichten & Gedanken des Heiligen Vaters nach Warschau zu melden, sondern den gefürchteten Papst auch auf-Teufel-komm-raus vor Anschlägen auf sein Leben zu schützen! Denn die Polen ahnten, dass Breschnew & seine Betonköpfe langsam die Geduld verloren & von dem radikalen Antikommunisten in Rom sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen wollten.

Möglicherweise wussten die Sowjets auch, dass Reagan & Woytila längst ebenso geheim wie intensiv am gleichen Strang zogen. Regelmäßig hielten die beiden Verschworenen von Rom & Washington durch einen amerikanischen Sonderbotschafter engsten Kontakt miteinander. Glücklicherweise hat Johannes Paul II. aber das Attentat überlebt, das im Mai 1981 von einem türkischstämmigen Rechtsradikalen zwar verübt,  mutmaßlich aber vom sowjetischen Geheimdienst initiiert worden war.

Wie Churchills kompromisslose Unbeugsamkeit entscheidend  dazu beitrug, Hitler-Deutschland zu Fall zu bringen, so hat der polnische Heilige Vater im Zusammenspiel mit dem amerikanischen Präsidenten das Imperium der »Union der sozialistischen Sowjetrepubliken« samt ihren Satrapen in die Bredouille gebracht.

Im Nachhinein hat wohl selbst der ehemalige kleine Geheimdienstoffizier begriffen, der heute an der Spitze des durch Jelzin ins Taumeln & Stürzen gebrachten russischen Imperiums steht,  dass die USA dem weltpolitischen Konkurrenten in Moskau nie versprochen haben, den  durch die bipolare Abschreckung zementierten Status quo bis zum St. Nimmerleinstag aufrecht erhalten zu wollen. Wenn die Sowjetunion mit der aggressiven Förderung der erhofften Weltrevolution auch auf der ganzen Linie gescheitert ist, waren die USA, so desaströs-folgenreich auch ihre militärischen Exporte waren, mit dem Export ihres Wirtschaftssystems weitaus erfolgreicher gewesen. Was die Ukraine angeht, vermochte Putin den weiteren »westlichen« Erfolg nur mit der Inszenierung eines militärisch unterstützten Scheinseparatismus zu irritieren & zu stoppen.

                                             *

Appell - Wie oft man derzeit mit den Worten »Sichern Sie sich…« werblich angesprochen wird! Nachdem das bürgerliche Publikum mit der Devise »Geiz ist geil« semantisch verschreckt worden war, obwohl die Kaufwilligen in ihm als Kauflustige beim »Shoppen«  dem Diktum bereitwillig  folgten, musste den »hidden persuaders« (wie der amerikanische Konsumkritiker Vance Packard in den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts die Werbefuzzis nannte) etwas Neues einfallen. So kamen sie auf den Appell, sich etwas zu »sichern« & es begann die Werbe-Karriere von »Sichern Sie sich…«.

Gemeint ist mit dem mehrdeutigen Wort nicht der Schutz, indem man etwas z.B. mit einem Schloss sichert. Eher soll mit dieser Aufforderung etwas in Sicherheit gebracht werden, was zumeist nur für eine kurze Zeit in diesem Status ist, bzw. bewusst in ihn versetzt wurde. Insofern ist das, was wir sichern sollen, unserem Schutz empfohlen:  z.B. als sollten wir etwas aus der Gefahrenzone nehmen & gewissermaßen »retten«, oder (mit einer anderen Metapher) etwas, das im Meer zu ertrinken droht, schnell »an Land ziehen«.  Der Appell zielt also auf unsere mögliche moralische Hilfsbereitschaft & Großzügigkeit ab. Zumindest aber auch auf unsere individuelle Geistesgegenwärtigkeit & zupackende Fixigkeit. Fix, will sagen: schnell bereit zu sein, zuzugreifen, um anderen zuvor zu kommen: das ist mit dem Werbeappel gemeint, »sich etwas zu sichern«.

                                             *

Calvinisten-Lehre - Wahrscheinlich gibt es sogar irgendwo eine historisch-soziologische Untersuchung darüber, was die Vertreibung der Protestanten, nachdem Ludwig XIV. das knapp hundertjährige Edikt von Nantes 1685 aufgehoben hatte, Frankreich materiell & ideell  gekostet hat; und was die geflüchteten Hugenotten den Niederlanden & Preußen materiell (ein)gebracht haben ( - außer Fontane). Ich kenne weder das eine noch das andere.

An diese weitreichend-weitsichtigen-cleveren politischen Schachzüge aus dem Europa des 17. Jahrhunderts dürfte die Pfarrerstochter Angela Merkel nicht gedacht haben, als sie mit ihren Worten »Wir schaffen das« nicht nur ihre christlichen Parteifreunde, sondern auch die gesamte EU in die Bredouille brachte. Nun, wenn die deutsche Industrie & das Handwerk nicht händeringend von »der Politik« gefordert hätten, ihnen willige Arbeitskräfte herbeizuschaffen, hätte die deutsche Bundeskanzlerin es wohl kaum gewagt, ihre einzigartig hochherzig erscheinende, aber ebenso überraschende wie vielerorts im In-& Ausland für Bestürzung sorgende Einladung zur massenhaften Immigration zu äußern. Es sollen ihr in diesem Jahr eine Million Menschen gefolgt sein – woher & wohin auch immer in Deutschland. Während die deutsche Bürokratie von der Aufgabe, die Flüchtlinge erkennungsdienstlich zu erfassen, sich offenbar vielerorts überfordert zeigte, offenbarte die deutsche Zivilgesellschaft zu aller Erstaunen eine spontane, ebenso tatkräftige wie logistische Empathie mit den Speise, Trank, Kleidung & Unterkunft bedürftigen Fremden.

Lässt man alle Fragen & Fragwürdigkeiten, die damit in Deutschland & Europa jetzt & in Zukunft entstanden sind, einmal beiseite & beschäftigt sich nur mit dem immer wieder angesprochenen Ziel der »Integration« der millionenfachen Flüchtlinge, könnte man sich fragen, ob man aus historischen Vergleichssituationen für die Gegenwart Nutzen ziehen könnte. Denn die französischen Hugenotten waren als Flüchtlinge im damaligen feudalistischen Deutschland bestimmt ebenso fremd wie die vorwiegend muslimischen heutigen Flüchtlinge aus dem Irak oder Syrien. Ähnlich prekär war der Status der »displaced persons«, meistens der Shoa entgangene osteuropäische Juden, nach dem II. Weltkrieg in Westdeutschland.

Beide massenhaften Immigrationsereignisse jeweils religiös oder ethnisch weitgehend homogener Gruppen – so unterschiedlich bedingt sie auch waren – zeichnen sich dadurch aus, dass sie erst einmal in exterritorialen, in sich geschlossenen Gemeinschaften & Gesellschaften lebten: »displaced persons« z.B. in dem Frankfurter Vorort Zeilsheim, in den von 1946/48 ein von der US-Army geschütztes Lager existierte, in dem es – laut Wikipadia -  eine jüdische Theatertruppe, ein Jazzorchester, eine umfangreiche Bibliothek, einen Sportverein, Schulen, Lebensmittelgeschäfte & eine Synagoge gab. Die Hugenotten gründeten im 17. Jahrhundert an verschiedenen Orten des damals zersplitterten Heiligen römischen Reichs deutscher Nation mit Billigung & Förderung der jeweiligen Landesherren eigene Siedlungen wie z.B. Bad Karlshafen oder Neu-Isenburg nahe Frankfurt a.M.

Dort blieben die Flüchtlinge, die hier Zuflucht gesucht hatten, sowohl religiös als auch sprachlich unter sich – bis sich im (langen) Lauf der Zeit die homogenen Hugenotten- Gemeinden auflösten & die späten Nachkommen der ursprünglichen Flüchtlinge sich mit den anderen Bewohnern der Umgebung mischten.

Zu fragen wäre, ob man aus diesen historischen Parallelen für heutige Flüchtlinge lernen könnte; und falls: was? Wenn aber nicht (weil die politisch-soziale, merkantil-kommunikativ-mediale Welt radikal anders war), dürfte zumindest eine menschlich-soziale Erfahrung von damals bis heute von größerer Relevanz sein als das Dauergerede von der durch Spracherwerb & -kenntnis angeblich zu bewerkstellende »Integration«. Ich meine, wie die mittellosen Flüchtlinge hierzulande Selbstachtung gewinnen & über ihr Selbstwertgefühl zu einer selbstverständlichen Autonomie & anerkannten individuellen Würde finden können, indem sie möglichst schnell dem deprimierenden Status des abhängigen Almosenempfängers entkommen. Es gilt womöglich nicht nur, für diese Flüchtlinge xbeliebige Arbeit zu finden, die ihren Lebensunterhalt sichert; sondern mehr noch Arbeitstätigkeiten, die sie in ihren eigenen Augen respektabel erscheinen lassen, damit sie auch dem scheelen Blick der Ansässigen begegnen können, die sie als Fremde mit Misstrauen beobachten & als Konkurrenten bei der Sorge um eine Erwerbsarbeit fürchten. Respektabel zu werden, hieße womöglich durch eigenverantwortliche Initiativen & Tätigkeiten, die außergewöhnliche Anstrengungen der hierher Geflüchteten offenbaren, den lauernden Böswilligen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die Hugenotten waren durch die Ideologie des Calvinismus arbeits- & erwerbsfreudig, aber eher konsumabstinent. Deshalb waren ihre Siedlungen, in denen sie mit- & untereinander wirtschafteten, nicht nur rigide Gemeinschaften, sondern auch wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaften, in denen jeder unter den Augen des anderen lebte & arbeitete – gewissermaßen in »geschlossenen Anstalten«  mit überschaubaren räumlichen & sozialen Grenzen, denen sie alle verpflichtet waren.

Da in einer Gesellschaft wie der unseren  immer häufiger nur qualifizierte Arbeitskräfte gesucht werden &  diese unter den Geflüchteten mehrheitlich nicht vertreten sind, wird die Frage, wie die Unqualifizierten vor dem Schicksal dauerarbeitsloser Hartz IV-Empfänger bewahrt werden können, immer dringender. Der Tag wird kommen, an dem die Politiker aller Parteien (womöglich zu spät) erkennen werden, dass die deutsche Gesellschaft diese zur Apathie verdammte »Reservearmee« nicht mehr als verdrängter Kollateralschaden unserer globalisierten Ökonomie übersehen kann.

Es wird - entgegen der Ideologie des vorherrschenden Neoliberalismus - der Staat sein müssen, der als Arbeitgeber eingreifen muss, weil »der Markt« das Existenzproblem der menschlichen Anerkennung (Honneth) in unserer Gesellschaft nicht zu lösen in der Lage ist – sofern er bis dahin begriffen hat, dass seine Steuergesetzgebung ihm selbst, der ausgepowerten Mehrheit & auch den immer reicher gewordenen Wenigen an der Spitze der sozialen Pyramide den Boden eines auskömmlichen, sozial befriedeten Lebens unter den Füßen wegreißt: weil die herrschende Steuergesetzgebung radikal den individuellen Reichtum befördert & den öffentlichen reduziert.

                                            *

Fundamentales hier & dort - Das womöglich einzige Gute, das durch den IS  bewirkt wurde, ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die reale Existenz des Staates »Saudi-Arabien«. Denn was an drakonischen An- & Übergriffen durch den IS in der »zivilisierten« Welt für ohnmächtige Empörung sorgte, war – zumindest, was das Köpfen & Glieder- abschneiden & die Todesstrafe für »Blasphemie« angeht – lange Zeit schon alltäglicher Usus in Saudi-Arabien, ohne dass sich jemand in der »westlichen Welt« daran gestört oder dagegen protestiert oder mit Sanktionen dagegen etwas zumindest symbolisch unternommen hätte.

Mir ist zumindest kein Politiker (auch nicht der Grünen) bekannt, der sich über Saudi-Arabien so geäußert hätte wie über den sogenannten IS. Dabei unterscheidet sich der religiöse Fundamentalismus des IS - so werden wir nun plötzlich von bislang schweigsamen Islamkennern informiert -  nur durch den religiös abgesicherten Feudalismus der wahhabitischen Saudis.

Durch die bedrohliche fundamentalistische Konkurrenz des IS & dessen Internet-Werbung mit öffentlichen Tötungen auf die grausamste Art ist nun auch die bisher weltweit unbemerkte saudische Praxis von Auspeitschungen, Enthauptungen, Steinigungen (& was man dort sonst noch an mittelalterlichen Körperverletzungen auf dem juristischen Markt hat) in den Focus der weltweiten Aufmerksamkeit gerückt worden & deshalb nicht mehr so sang- & klanglos ausführbar. Ob solche Weltöffentlichkeit langfristig zu einer allgemeinen gesellschaftlichen, religiösen, juristischen Veränderung im saudischen Alltag führen wird, ist jedoch fraglich.

Gar nicht fraglich ist aber, dass dieser saudische islamische Fundamentalismus wie auch der mit ihm konkurrierende des IS darauf abzielt, weltweit Ableger& Nachahmer zu installieren. Einen Teil der immensen Gewinne an Petro$ haben die Saudis nach den furchtbaren Jugoslawienkriegen z.B. in die massenhafte Errichtung von Moscheen in Bosnien-Herzegowina gesteckt.

Ob das zur Folge hatte, dass in diese scheinbar großzügig geschenkten Moscheen auch der wahhabitische Islam einzog,  würde man gerne wissen. Bekannt ist zumindest, dass die Zahl der Kopftuchträgerinnen in Bosnien-Herzegowina wesentlich größer ist als zu der Zeit vor den jugoslawischen Kriegen. Gleiches Wissen über die in Deutschland von den Saudis gebauten (& unterhaltenen?) Moscheen & deren derzeitige religiöse Aktivitäten wäre durchaus angebracht, seit  bei uns nicht nur Al Qaidas  9/11-Massenverbrechen ausgeheckt worden ist, sondern auch der IS vielfachen Zulauf aus deutschen muslimischen Kreisen erhielt. 

Der SZ v. 7.12. 15 entnehme ich, dass die bayerische Wirtschaft mit »viel Kopfschütteln« über »den Schuss ins Bein« gesprochen habe, als die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sich öffentlich einem CSU- Parteitagsbeschluss angeschlossen hatte, der ein sogenanntes Burka-Verbot forderte, wie es in Frankreich gilt. Das sei gewissermaßen geschäftsschädigend für bayerische, speziell auch Münchner Hoteliers, Gastronomen, Luxusgeschäfte, Immobilien & Kliniken. Alle diese Wirtschaftsbereiche hätten durch die potente Kundschaft aus dem arabischen Raum fabulöse Gewinne gemacht – seit die arabischen Kundinnen nicht mehr in Frankreich in Vollverschleierung  (wie es in den Golfstaaten Zwang ist) einkaufen & sich aufhalten können.

Diesen Geschäftsvorteil gegenüber den Franzosen möchte sich die bayerische Luxus-Tourismus-Industrie nicht durch ein paar radikale CSUler verderben lassen, die ihre reiche Burka-Kundschaft gar nach dem nahen Wien vertreiben würden. Besonders unverständlich ist der (laut SZ) CSU-nahen »Vereinigung der bayerischen Wirtschaft«, dass es ausgerechnet der für sie zuständigen, also gefolgschäftstreuen Ministerin eingefallen war, politisch-gesellschaftliche Interessen über die doch allein maßgeblichen der Wirtschaft zu stellen. Ist die CSU-Landesregierung ja sonst nicht »päpstlicher als der Papst« & folgt dem bajuvarisch-mafiösen Sprichwort »Leben und leben lassen« auch dann, wenn es um tödliche Waffen aus bayerischer Produktion geht, die von den nicht Burka tragenden Männern der vollverschleierten arabischen Touristinnen geordert & ihnen umgehend geliefert wurden, damit sie sie gegen ihresgleichen (z.B. das eigene Volk) verwenden können.

Speichelleckerisch bemerkt die SZ am Ende ihres Artikels: »Durcheinandergebracht hat die CSU wohl auch Zahlen«. Schon 2012 »habe die Handelsberatung BBE« berichtet, dass »etwa zwei Drittel der weiblichen Gäste am Flughafen sofort in westliche Kleidung schlüpfen und allzu Verhüllendes ablegen«. Das soll wohl heißen: wegen des einen Drittels des harten wahhabitischen Kerns braucht die CSU nicht so laizistisch wie die Franzosen zu sein. Wenn es aber so wäre, brauchte doch die »Vereinigung der bayerischen Wirtschaft« sich auch nicht so über Aigners »populistische« Parteinahme aufzuregen, denke ich, weil das eine Drittel der abgeschreckten Kundinnen geschäftlich nicht ins Gewicht fielen.  Bestimmt würden die Seehofers ed al. bei einem von ihnen gegebenen Bankett zugunsten eines hochrangigen Ölstaatenscheichs auf  Bier & Schnaps verzichten & notfalls ihre Wirtschaftsministerin totalverschleiern - wenn das von den eingeladenen Herrschaften verlangt würde. Das wäre im laizistischen Frankreich jedoch nicht denkbar. Als der Außenminister eines Golfstaats kürzlich verlangte, dass beim Abschlussmenü, das sein französischer Amtskollege ihm geben wollte, keines der üblichen alkoholischen Getränke, auf die La France zurecht so stolz ist, im Raum sein dürfte, verzichteten die Franzosen auf das gemeinsame Menü. Unhöflich waren aber nicht sie als die potentiellen Gastgeber, sondern der Eingeladene, der nicht genug damit hatte, auf die landesüblichen Getränke verzichten zu können & eines der weltbekannten französischen Mineralwasser zu wählen; nein: übergriffig wollte er den Gastgebern verbieten, in seiner Gegenwart bei sich selber zuhause zu sein.

Die gleiche zivilisatorische, diplomatische Selbstverständlichkeit gilt auch für die Kleiderordnung. Es sei denn, die Bayerische Luxus-Tourismus-Branche & die (Schönheits-) Kliniken nagten am Hungertuch. Dann wären möglicherweise Burkas die letzte Rettung.    

Artikel online seit 14.012.15
 

»Petits riens«,
nach dem Titel eines verloren gegangenen Balletts, zu dem der junge Mozart einige pointierte Orchesterstücke schrieb, hat der Autor seit Jahren kleine Betrachtungen, verstreute Gedankensplitter, kurze Überlegungen zu Aktualitäten des
Augenblicks gesammelt. Es sind Glossen, die sowohl sein Aufmerken bezeugen wollen als auch wünschen, die
»Bonsai-Essays« könnten den Leser selbst zur gedanklichen Beschäftigung mit den Gegenständen diesen flüchtigen Momentaufnahmen anregen.
»
Kleine Nichtse« eben - Knirpse, aus denen vielleicht doch noch etwas werden kann. 

Petits riens (IX)
Horrorfamilien &-feste - Fürsorgliche Belagerung - Wert, Schätzung
Text lesen


Petits riens (x)
Die Konkurrenz schläft nicht - Kinospekulation - Reisebekanntschaften - Café de France, trocken
Text lesen


 


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik
Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik    Filme   Impressum - Mediadaten