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© R. Reifenrath |
Verlagsverlegenheiten
-„>Rohstoff<
ist ein Verlag für neue deutschsprachige Texte: Prosa, Essay und Poesie zwischen
Wagnis und Beharrung, moralisch experimentell, ästhetisch gewagt, unbeugsam,
unangepasst. Diese Ressourcen fördert >Rohstoff< und bietet auch Raum für das
Experimentieren mit Gattungen, Stilen und Wahrnehmungsweisen – mit all ihren
Eigenheiten und Ausschweifungen, Brüchen und Möglichkeiten. Frei von Trends und
den Ansprüchen der Gegenwart ist >Rohstoff< ein Ort, an dem neue literarische
Horizonte und die Klassiker von morgen entstehen. >Rohstoff< ist ein gemeinnütziges
Verlagsprojekt von Matthes & Seitz Berlin“. Verwunderlich.
Zum einen, weil alle diese Charakteristika von „Rohstoff“ ja „das
Alleinstellungsmerkmal“ von „Matthes & Seitz“ waren; zum anderen, weil der
rhetorische Gestus (z.B. „gewagt, unbeugsam, unangepasst“) mittlerweile durch
inflationären Gebrauch verbraucht ist. Dabei gehörte es ja zum Selbstverständnis
eines Verlegers – in welchem Bereich, auf welchem geistigen Niveau oder mit
welchem öffentlichen Renommee auch immer -, unbekannte Autoren zu „entdecken“-
in der Hoffnung, dabei „den Klassiker von morgen“ als erster erkannt zu haben.
Was Meike Rötzer als Erzählerin zusammen mit zwei Kollegen aus der Hörbuchproduktion vorhat, betrifft Theaterstücke (!) wie „Dantons Tod“, „Die Räuber“, „Iphigenie“ oder „Penthesilea“ & Romane wie „Der Zauberberg“, „Das Paradies der Damen“, „Weiße Nächte“ oder „Die Fahrt zum Leuchtturm“.Thomas Manns monumentaler Roman soll in nur 1:30 erzählt werden, wohingegen die Verlegerin & Vorleserin für den weitaus kürzeren Zola die doppelte Erzählzeit (2;58) ansetzt, wenn die beiden im März nächsten Jahres erscheinen sollen.Ob für diese Eindampfungen nicht doch der Titel „Rohstoff“ zutreffender wäre? Denn darauf werden die Klassiker reduziert, wenn von ihnen als Stoff der Literatur erzählt wird. Für wen? (Denn es gibt ja durchaus Hörbücher, auf denen die Romane in toto vorgelesen werden.) Für die Schrumpfform des ehemaligen „Bildungsbürgers“, damit auch der Ignorant ohne den Zeitaufwand einer vollständigen Aneignung mühelos mitreden kann?Lässt man die Spekulation über das mögliche Zielpublikum offen, kann man über andere Motive für diese verlegerische Idee nachdenken. Offenbar hat das erstaunliche Geschäft mit den Hörbüchern etwas dazu beigetragen, dass die ehemalige Lektorin Rötzer sich mit ihrer wunderlichen Geschäftsidee „in die Tradition des mündlichen Erzählens“ zu versetzen meint. Dabei wird – wie das im Jargon der Digitalisierung heißt – der Literatur nur der jeweilige „Content“ entzogen. Der Rest - i.e. was daran durch Sprachgestalt, Dramaturgie, ästhetische Originalität als Manifestation der literarischen Kunst von den Autoren gestaltet worden war – wird als quantité négligeable weggeschmissen – wie Knochen, aus denen das Fleisch ausgebeint worden ist.
* * Kunst-Macht-Übernahme – Wenn man sich fragt, welche deutsche Kulturzeitschrift durch die Personen, die in ihr publizierten, den nachhaltigsten Einfluss in der deutschen Mediengeschichte hatte, wird man bestimmt nicht an die Zeitschrift „Filmkritik“(1957/84) denken. Und doch war sie es – nicht Schlegels „Athenäum“ & Schillers „Horen“ oder Ossietzky/Tucholskys „Weltbühne“ & Höllerer/Benders „Akzente“. Nein: es gibt nichts vergleichbar Nachaltiges als die „Filmkritik“, schon gar nicht, wenn man die Filmzeitschriften in europäischen Ländern zum Vergleich heranzieht - wie die weltberühmten „Cahiers du Cinema“ oder „Bianco e Nero“ & „Sight & Sound“. Die von Enno Patalas & dem früh verstorbenen Habermas-Freund Wilfried Berghahn gegründete „Filmkritik“ (FK) war ein demonstrativ linkes Oppositionsorgan in der Bundesrepublik. Das einzige neben der „Anderen Zeitung“ & „konkret“, das von der DDR finanziert wurde, wohingegen die „Filmkritik“ wahrscheinlich vom linken Flügel der IGMetall gestützt wurde. Ästhetisch orientierte sich die „Filmkritik“ an Brechts epischer Theater-Theorie & Kracauers sozialphilosophischen Untersuchungen „Von Caligari zu Hitler“. Viele der Mitarbeiter hatten in Münster bei dem Publizistikwissenschaftler Walter Hagemann studiert. Die einflussreichen Berufs-Karrieren der FK-Autoren starteten Mitte der Sechziger Jahre, als die Öffentlich-Rechtlichen (Ö.-R.) Sender der BRD für das 1., 2. & die 3. Programme wesentliche Teile ihres Abendprogramms mit aktuellen & historischen Filmen zu bestücken begannen. Dafür suchten sie qualifizierte Filmjournalisten, die als Kuratoren in allen ihren Filmredaktionen tätig wurden & bald auch noch entscheidende Mitproduzenten wurden: für Film-Produktionen rund um den Erdball, z.B. von Argentinien über Australien bis Japan. Das war eine bis heute noch nicht beschriebene Erfolgsgeschichte des internationalen Off-Hollywood-Films,- eine andere Art & Weise der Globalisierung, die wesentlich gefordert & gefördert wurde durch die Filmpolitik der bundesdeutschen TV-Sender. Im Lauf der Siebziger & Achtziger Jahre wurde der eine Teil der Gründungsgeneration der „Filmkritik“ zu festangestellten Scouts des F.-J. Strauß-Freundes Leo Kirch – Filmhändler & -produzent in München -; der andere Teil zu festangestellten Filmredakteuren des „Ö.-R. Fernsehens“. Andere FK-Autoren – wie Patalas & Gregor (die gemeinsam eine „Geschichte des Films“ geschrieben hatten) – leiteten das Münchner Filmmuseum oder das „Forum des Internationalen Films“ auf der Berlinale. Und der Frankfurter FKler, Filmhändler & -produzent Klaus Hellwig sorgte mit seiner Firma „Janus“ (!) dafür, dass (wie jeder wusste) mit diesem Imprint Leo Kirchs neue attraktive (Resnais, Losey, Godard) oder auch „sperrige“ Filme (Straub) auf höchstem künstlerischem Niveau hergestellt wurden. Die FK-Mitarbeiter Kotulla & das Duo Stempel/Ripkens drehten Spielfilme, die sie ohne die Kooperation von Kirch & den Ö.-R. Fernsehanstalten nie hätten realisieen können. Für Verschwörungstheoretiker wäre diese enge „Kumpanei“ bundesdeutscher Filmfreunde bei der Bestückung der TV-Anstalten mit Filmen, die sich die Kopien wie Fußballer die Bälle zuspielten, ein „gefundenes Fressen“. Denn sie alle waren einander lang vertraute Duzfreunde & besaßen ein etwa gleiches Qualitätsbewusstsein für das, was Filmkunst war. Die erfreuliche Folge war: rund zwei Jahrzehnte lang war dadurch das „Ö.-R. Fernsehen“ der BRD das kinematographisch beste TV der Welt. Es liefen in ihm u.v.a. z.B. Filme der Marx-Brothers & Tarkowskis, von Angelopoulos & Oshima, Saura & Kiarostami, Lubitsch & Glauber Rocha. Da aus juristischen (????) Gründen die „Ö.-R.-Anstalten“ Filme anfangs nicht direkt kaufen durften, sondern sich eines Zwischenhändlers bedienen mussten (& der hieß in der Regel Leo Kirch), fütterten sie quasi automatisch „Onkel Leo“ auf. Indem sie sich aber z.B. immer häufiger als ARD-Filmredaktion schon an der Produktion neuer Filme beteiligten, untergruben sie jedoch langsam das Monopol des CSU-Filmmoguls. Noch später fochten sie jedoch gegen Leo Kirch durch, dass die ARD-Filmredaktion ihre Großeinkäufe in den Archiven der Hollywoodstudios direkt tätigen konnten. Diese Zeit & ihre finanziellem Umstände, die gesättigt waren von einem mafiotischen Geflecht aus Korruption, Vorteilsnahme & Geheimnis-Verrat etc., sorgte aber für die weltoffenste, qualitativ hochwertigste Programmmierung des „öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ in der Bundesrepublik. Auch das Kino der BRD profitierte davon – weil das Fernsehen ein halbes Jahr vor der Ausstrahlung der Filme kostenlos den Verleihen seine Synchronfassungen überließ, die bis heute auf DVD für viele Filme noch greifbar sind.
Die tollste Pointe dieses deutschen
„Historischen Kompromisses“ bestand aber darin, dass das schwule linke FK-Paar
Hans Stempel/Martin Ripkens sowohl für den CSU-Unternehmer & Kohl-Fütterer Leo
Kirch um die Welt reiste & Filme sichtete als auch während des Algerienkriegs
als klandestine Kofferträger der FLN in der BRD konspirierte. |
»Petits
riens«, |
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