Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie
als work in progress


Zum 5-jährigen Bestehen ist
ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten erschienen, die es in sich haben.

 

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Zum 5-jährigen Bestehen ist ein großformatiger Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren mit 176 Seiten, die es in sich haben:

Die menschliche Komödie als work in progress

»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
Zu diesem Thema haben wir Texte von Honoré de Balzac, Hannah Arendt, Fernando Pessoa, Nicolás Gómez Dávila, Stephane Mallarmé, Gert Neumann, Wassili Grossman, Dieter Leisegang, Peter Brook, Uve Schmidt, Erich Mühsam u.a., gesammelt und mit den besten Essays und Artikeln unserer Internet-Ausgabe ergänzt. Inhalt als PDF-Datei
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Charakterstudie eines Vollstreckers

Klaus-Jürgen Bremm zu Ulf Schmidts beeindruckende Biographie über

»Hitlers Arzt Karl Brandt«

Der NS-Mediziner Karl Brandt zählte in der historischen Forschung bislang nicht zu den prominenten Größen des Drittes Reiches, obwohl er als Protagonist des berüchtigten T 4-Programms die Mitverantwortung für den Tod von mindestens 200 000 Geisteskranken trug und ihm auf dem Nürnberger Ärzteprozess im Sommer 1947 auch seine Beteiligung an unzähligen grausamen, in medizinischer Hinsicht völlig nutzlosen Experimenten mit KZ-Häftlingen nachgewiesen werden konnte. Weshalb also erfuhr der 1904 im Elsass geborene Karl Brandt, der wenige Monate vor Kriegsende von Hitler noch zum Generalskommissar für das Sanitäts- und  Gesundheitswesen im gesamten Reich ernannte worden war, trotz seiner Schreckensbilanz bisher so wenig Beachtung?

Portrait von Karl Brandt als Angeklagter
im Nürnberger Ärzte-Prozess

Der britische Medizinhistoriker Ulf Schmidt versucht in seiner gewichtigen Biografie über Hitlers Arzt auch darauf eine plausible Antwort zu geben.
Dabei treten die privaten Umstände in Karl Brandts Leben weitgehend in den Hintergrund. Man erfährt wenig über das Schicksal seiner Familie im Kriegsverlauf und mit fortschreitender Lektüre wird dem Leser  klar, dass er keine Biografie im engeren Sinne in den Händen hält, sondern eine intensive Studie über den bizarren Mechanismus, mit dem sich Hitlers mörderischer Wahnsinn in seinem Reich ausbreitete.
Am Beispiel Karl Brandts, der bis Oktober 1944 zur engsten Umgebung Hitlers gehörte, zeigt Schmidt auf, wie sich im Dritten Reich das Ungeheuerliche aus belanglosen und oft ambivalenten Bemerkungen des „Führers“ durch seine ergebenen Paladine zur konkreten Tat auswuchs und seine höchste Bestätigung darin fand, dass niemand und am allerwenigsten Hitler selbst, dem Treiben seiner Schergen Einhalt gebot. Im vorauseilenden Gehorsam und auch in gegenseitiger Konkurrenz versuchten diese, Hitlers Wünsche oder das, was sie dafür zu halten beliebten, in die Praxis umzusetzen, ohne dass dafür bindende Befehle vorlagen.
Schmidt bezeichnet dieses Prinzip in Anlehnung an Ian Kershaw als „Methode der distanzierten Führung“, die Hitlers Vollstrecker geradezu anregte, zu immer radikaleren Zielen und Methoden zu greifen. Zweifellos bemühte sich Brandt, Hitlers diffusen Führungsstil in seinem eigenen Bereich zu kopieren. Aus heutiger Sicht erscheint es nur noch als eine groteske Farce, wenn führende Mediziner der T 4-Bürokratie wie Paul Nitsche oder Viktor Brack in der zweiten Phase der Massenermordung von Geisteskranken (ab 1942) monatelang kaum noch Verbindung zum leitenden Arzt besaßen, gleichwohl aber ihr Mordprogramm, ohne dass je konkrete Vorgaben existiert hätten, in eigener Regie fortsetzten.
Indem Brandt kompromittierenden Kontakten oder Festlegungen nach Möglichkeit auswich, gelang es ihm, sein Image als selbstloser und idealistischer Arzt sogar bis nach der Urteilsverkündung im Nürnberger Ärzteprozess aufrecht zu erhalten, als sich eine erstaunliche Zahl prominenter Persönlichkeiten für seine Begnadigung aussprachen. Er habe nur die sinnlosen Leiden unheilbar Kranker schnell und auf angeblich humane Art beenden wollen, beteuerte er noch auf der Anklagebank. Brandt schien es allein wichtig, dass seine Opfer rasch in dem von ihm verordneten Gas starben. Die Gesundheit des ganzen Volkskörpers stellte er, wie übrigens auch viele andere zeitgenössische Mediziner, über das Schicksal des Einzelnen. Brandt bekannte sich in Nürnberg auch eindeutig zu der im Dritten Reich verbreiteten Auffassung, dass individuelle Krankheit als eine Gefährdung der Volksgemeinschaft anzusehen sei, ja beinahe schon als eine Pflichtverletzung des Einzelnen gegenüber dem Volk, die ein sanktionierendes Vorgehen notfalls bis zur Tötung rechtfertigte. Die ärztliche Humanität reduzierte sich dann für Brandt und seine Gesinnungsgenossen folgerichtig auf die rasche und möglichst schmerzfreie Umsetzung dieser Politik.

Trotz seines beeindruckenden Aufstiegs im Dritten Reich blieb Brandt der stille Mann im Hintergrund, so wie er sich auf den vielen, im Band abgedruckten Abbildungen im Dunstkreis des „Führers“ präsentierte. Schmidts unbestreitbare Leistung besteht darin, dass er dieses gefällige Selbstbild gründlich demontiert. Seine Schlussfolgerungen sind glasklar: Lange Zeit im Zentrum der Macht stehend, war Brandt, der nachweislich Konzentrations- und Arbeitslager aufgesucht hatte, nicht nur in die meisten Verbrechen Nazideutschlands eingeweiht, sondern als zuletzt leitender Arzt des Regimes auch für viele Untaten selbst verantwortlich. Hier eröffnen sich auch interessante Parallelen zu Albert Speer, gleichfalls ein begabter Außenseiter, zu dem Brandt, keineswegs überraschend, enge freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Indem er das bislang freundliche und indifferente Bild seines Protagonisten an Hand der verfügbaren Fakten koorigiert hat, steuert Schmidt einen weiteren wichtigen Baustein zum Verständnis der Funktionsweise des mörderischen Hitlerregimes bei. Sein Buch liest sich allerdings nicht immer leicht, denn Schmidt verstrickt sich allzu gern in Details der NS-Bürokratie und zitiert oft zu ausführlich. Einige seiner Wiederholungen oder moralisierenden Abschweifungen hätten auch einem aufmerksameren Lektorat zum Opfer fallen müssen. Sein Verdienst, mit Schmidt einen weiteren Nazi-Schergen an den historischen Pranger gestellt zu haben, bleibt davon jedoch unberührt.


 

Ulf Schmidt
Hitlers Arzt Karl Brandt
Medizin und Macht im Dritten Reich
Aufbau Verlag, Berlin 2009
750 Seiten
29,90 €
ISBN 978  3 35102671 4


 


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