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Magazin für Literatur und Zeitkritik
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Die aktuellen Beiträge werden am Monatsende in den jeweiligen Ressorts archiviert, und bleiben dort abrufbar.

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René Becher, geboren 1977 in Bayreuth.

K wie Klaustrophilie

Essay über Kafkas Schreiben

Irgendwann musste dieser Schreiber lebenslänglich bekommen haben. Und dann machte dieser Schreiber sich dieses Schicksal einfach zu Nutze. Dieser Schreiber schrieb. Er zwang sich. Er musste sich zwingen. „Gott will nicht, daß ich schreibe, ich aber, ich muß“, eröffnet er bereits 1903 Oskar Pollak, und lässt nicht mehr davon ab, trotzdem er zeitlebens der Zweifler bleibt. (Zum Beitrag)

Friedhelm Lövenich, 1958 in Köln geboren.

Der Kampf um die Armbinde
Walter Benjamins allegorische Wissenschaft

»Der Intellektuelle ist der geborene Feind des Kleinbürgertums, weil er es ständig in sich selbst überwinden muß.«

»
Eines Tages nahm mich Benjamin beiseite. 'Es geht um die Armbinde', flüsterte er. 'Nein, lachen Sie nicht. Ich habe einen Plan.' Er wollte dem Kommandanten [des französischen Internierungslagers für deutsche Emigranten, das man mit der Armbinde für einige Stunden verlassen durfte – Anm.d.V.] vorschlagen, eine literarische Zeitschrift herauszugeben, 'natürlich auf höchstem Niveau', eine Lager-Zeitung für Intellektuelle, die dem Lande zeigen sollte, wer die Leute wären, die man da als 'Feinde Frankreichs' eingesperrt habe.« (Zum Beitrag)

Karen Lohse 1977 in Borna geboren und lebt jetzt in Leipzig.

Wolfgang Hilbig und die »Schwarzarbeit des Schreibens«[1].
Über ein Doppelleben als Arbeiter und Schriftsteller in der DDR

»Die Verbindung von sozialem Kontext eines Autors und dessen literarischem Text wird dort besonders interessant, wo seine lebensweltliche Sphäre wenig oder überhaupt nichts mit dem Kulturbetrieb im weitesten Sinne zu tun hat. Befindet sie sich in „denkbar größter Entfernung“[2] zu ihm, ragt diese fremde Lebenswelt monolithisch in ihn hinein, fremd und abweisend, unverständlich und in ihrer Andersartigkeit rätselhaft.« (Zum Beitrag)

Jürgen Nielsen-Sikora, lebt in Köln

Ist Gott schön?

Versuch, Navid Kermani
zu verstehen

»Im Herzen von Köln, wenige Minuten von Dom und Hauptbahnhof entfernt, liegt der Eigelstein, eines der ältesten Viertel der Stadt. Dort zog 1804, wenige Wochen vor seiner Kaiserkrönung, durch eine der letzten, bis heute erhalten gebliebenen Torburgen der alten Stadtmauer, Napoleon Bonaparte mit seiner Frau Joséphine unter Glockengeläut und Kanonendonner in die Stadt ein. Viel leiser als vor rund 200 Jahren ist es im Viertel auch heute nicht: Unzählige Wett- und Reisebüros, türkische Metzgereien, Afro-Shops, Devotionalien aus dem Iran und vietnamesische Händler, Dönerbuden und Handyläden, die bis nach Mitternacht ihre Kunden bedienen, prägen die Straßen zwischen Ebertplatz und Hansaring.« (Zum Beitrag)

Wolfgang Feige, Jahrgang 1951

Eine Gebärde
des Verstehens


»Eine Gebärde des Verstehens ist das Verstummen des Lesers, als ein Grenzfall sein Stummsein oder Stummbleiben. Eine Gebärde des Nichtverstehens ist der Beginn des Sprechens, und dabei ist kein Grenzfall denkbar, es sei denn, ein Leser spricht ohne Ende. Zwischen diesen beiden Bewegungen, innerhalb des Raums zwischen dem negativen und dem positiven Vorzeichen dieser einen Bewegung, konstituiert sich ein Text. Lesen, Hören, Schreiben oder Sprechen sind Varianten desselben Vorgangs: des einseitigen Sprechens ohne metaphysische Kontrollinstanz. Was aber kann man dann überhaupt noch über das Text-Verständnis sagen?« (Zum Beitrag)

Der Sonderpreis für Originalität geht an:

Peter A. Bruns, 65,
geb. Hamburger, gelernter Handwerker.

»Beim Häuten der Zwiebel«
Eine Kritik an Günter Grass

»"Hinäffen" habe ich mich lassen - wie Schopenhauer es genannt hätte – zur „Häutung der Zwiebel“, von dem ganzen Buhei der Medien um die Waffen-SS-Geschichte von Grass. Hinäffen und mich davon beschwatzen lassen und mir, von Neugier angestachelt, „den letzten Grass“ gekauft. Bis dahin hatte ich nur Katz und Maus und die Blechtrommel gelesen und mir fehlte literarisch nichts an Grass.Grass gehörte und gehört für mich zum Inventar der Bundesrepublik, wie für den Hamburger sein Bismarckdenkmal. Man weiß nicht warum es dort so wuchtig steht. Es ist nicht schön, aber gut sichtbar.«
(Zum Beitrag)

 

Neue Stimmen
braucht das Land


Liest man die meinungsführenden Feuilletons der etablierten Medien, gewinnt man leicht den Eindruck, Literaturkritik sei die intellektuelle Variante von Termingeschäften, in denen Bücher und Autoren warengleich gehandelt werden. Die Verkaufszahlen steigen und fallen, je nach dem Tenor der Meinungsagenten in den Redaktionen, wie Aktienkurse an den Börsen. Dabei sind die Qualitätsmerkmale der Kritikerzirkel ebenso willkürlich wie die Beurteilungskriterien von Bankenanalysten zuverläßig.
Die immergleichen Kritiker besprechen die immergleichen Autoren. Gelegentlich wechselt einer die Redaktion, den Verlag, oder es taucht ein neuer Autor auf, der kurzfristig für spektakuläre Schlagzeilen gut ist. An der Selbstreferentialität des Literaturbetriebs ändert das wenig, wie die überhitzte, teilweise hysterisch anmutende Diskussion um Littells »Wohlgesinnte« eindrücklich belegt.

»Eine verwegenere & großzügigere Sicht der Dinge tut not«, hat Virginia Woolf vor gut sechzig Jahren angemahnt. Glanz & Elend hat sich Ende letzten Jahres auf die Suche nach neuen Stimmen gemacht, und mit den bescheidenen bordeigenen Mitteln einen Wettbewerb für Literatur- und Zeitkritik ausgeschrieben, neugierig, vielleicht etwas von jener vermuteten Verwegenheit abseits des Betriebs einfangen zu können. Ins Netz gegangen sind an die 50 Beiträge, deren Bandbreite von flüchtig hingeworfenen Skzizzen bis zur fertigen Magisterarbeit reicht.
Glanz & Elend stellt Ihnen nachfolgend sechs ausgezeichnete Beiträge vor.
Wir danken allen Einsender für die mit der Teilnahme verbundene Mühe. Herbert Debes

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