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Ein anderer Traum von Israel
Die verrückte
Dokumentation des jüdischen Traums in der amerikanischen Diaspora bietet der
wortgewaltige Comic »Der Jude von New York«. Von Thomas Hummitzsch Vervel Kunzo ist ein Berliner Wissenschaftler der besonderen Art. Im Gummianzug ist er unterwegs, um in inoffizieller Mission für den Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden das Wesen und die Eigenarten der New Yorker Juden zu erkunden. Zwischen seinen Fragen zur koscheren Schlachtung und dem Elternhaus unternimmt er zur Entspannung Wasser-Spaziergänge – und taucht ein in die Welt des Hudson-River. Dies kann man durchaus symbolisch verstehen, denn Kunzo ist die gezeichnete Metapher auf den Leser, der in Ben Katchors „Der Jude von New York“ in die irreale Welt des jüdischen Lebens im Amerika des 19. Jahrhunderts eintaucht. Kunzo selbst ist eine dieser skurrilen Figuren, die in dieser Welt ihren Platz sucht. Ben Katchor ist es in seinem viel gelobten Comic gelungen, die Vielfalt der jüdischen Eigenart in schlichte, aber geniale Tuschezeichnungen zu übertragen und dabei zugleich ein Stück amerikanisch-jüdische Geschichte zu erzählen. Der amerikanische Aufstiegstraum findet ebenso seinen Patz wie die Geschichte der Diskriminierung der amerikanischen Minderheiten. Dass ihm dies gelungen ist, liegt an der jahrelangen Beschäftigung mit seiner Heimatstadt New York. Seit den achtziger Jahren schon zeichnet und schreibt er über die Leben und Historie am Big Apple. In seinem historisch-surrelaen Meisterwerk zum frühen Judentum in der amerikanischen Diaspora präsentiert er gleichberechtigt den jüdischen Aufsteiger und Lebemann neben den Tagträumern, Spinnern und israelitischen Visionären. Wie den Pilger Enoch Letushim, der sein Glück vergeblich im Handel mit Erde aus dem Heiligen Land sucht. Oder den Geschäftsmann Francis Oriole, der die irrwitzige Idee hat, den Erie-See mit Kohlensäure zu versetzen und die riesigen Mineralwasservorräte dann in Flaschenform als Verdauungstrunk einträglich unter die Massen zu bringen. Oder Yosl Feinbroyt, Sprachwissenschaftler und professioneller Lauscher, der in Katchors Comic pionierhaft die comicale Lautsprache entdeckt. Mit der Freude eines Kleinkinds vernimmt er jedes Ess- und Verdauungsgeräusch und überträgt es in Buchstabenkombinationen; „Choop“, „Zhaloup“, „Grepts“. Und auch die insuläre Zusammenführung aller verlorenen Stämme Israels, wie sie Mordechai Manuel Noah 1825 in New York ausrief, findet in dem Comicband des zeichnenden Stadthistorikers Katchor seinen Raum. Seine Vision einer Siedlung auf Grand Island im Niagara-Fluss ist Ausgangspunkt von Katchors Milieustudie, die sich teilweise an tatsächliche Gegebenheiten zu orientieren scheint. Dabei lebt und fasziniert „Der Jude von New York“ mit der Verfremdung und Übertreibung von Klischees und Eigenheiten. So ist Mordechais Traum einer jüdischen Arche im Meer der Ungläubigen von Katchor in Form einer von Sonnenblumen und Windkraft versorgten Blockhaussiedlung mit dem viel sagenden Namen „New Afflatus“ realisiert, deren Gemeinschaft bei den geringsten Verstößen gegen die eigenen Regeln mit Aggression und Vertreibung reagiert. Katchors „Der Jude von New York“ ist eine bizarre Sammlung schier unglaublicher Lebensentwürfe und -praktiken, die nicht völlig unabhängig, aber doch eigenständig nebeneinander stehen, sich zuweilen kreuzen, seitenweise parallel verlaufen um am Ende wieder autark Seite an Seite zu stehen. Der Comic überschlägt sich dabei in Verrücktheiten und Eskapaden. Kein Klischee bleibt dabei unberührt oder gar unkommentiert, wobei eben dieser Kommentar eine zentrale Rolle einnimmt. Kaum ein Bild lässt Katchor ohne einen begleitenden Text stehen und wenn, dann wird es von einem Panelkreis umschlossen, der als solcher den Kommentar dieses finalen Panels darstellt. Oftmals erschließt sich der Sinn der Zeichnung erst durch den Text oder das Text-Bild-Verhältnis erhält gerade durch ihn die ironische Prägung. Den klaren und detailreichen Tuschezeichnungen hat Katchor eine vielschichtige textuelle Ebene gegenüber gestellt, die dem Leser alle Aufmerksamkeit abverlangt. Die Text- und Panelstruktur in diesem Werk ist vieldeutig, psalmodiös und experimentell, wobei sich Auszüge aus dem Talmud mit Zitaten von Chateaubriand und Franklin abwechseln.
„Der Jude ist kein
Museumsstück, das man am Sonntagnachmittag bewundert. Wie alle sozialen Wesen
ist er ständigem Wandel und Entwicklung unterworfen – eine Kreatur seiner
Umgebung.“ Sprach der Berliner Wissenschaftler Kunzo und tauchte wieder ab.
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Ben Katchor (Text & Zeichnungen) & |
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