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Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

Die menschliche Komödie
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Die Torpedierung der Athenia

Klaus-Jürgen Bremm über Cay Rademachers mitreißende Schilderung der letzten Tage des britischen Passagierschiffes Athenia


Es hätte ein zweiter Fall „Lusitania“ werden können. Kaum zwölf Stunden nach der Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich torpedierte ein deutsches U-Boot am Abend des 3. September 1939 das britische Passagierschiff „Athenia“ mit rund 1400 Menschen an Bord auf seinem Weg nach Montreal. Der vollständig abgedunkelte Dampfer der britischen Anchor-Donaldson Reederei war in dem für Kriegsschiffe üblichen Zickzackkurs in den Atlantik vorgedrungen und hatte gerade dadurch die Aufmerksamkeit des grauen Jägers erregt. Unter den 1100 Reisenden befanden sich immerhin 200 Amerikaner. 28 von ihnen kamen bei der Katastrophe ums Leben.
Für das Deutsche Reich deutete sich damit schon am dritten Kriegstag ein politisches Desaster an, drohte doch der wichtigste neutrale Staat wie schon im Ersten Weltkrieg erneut in das Lager der Feinde abzudriften. Doch der diplomatische Schaden blieb diesmal aus. Den Deutschen gelang es, ihren klaren Verstoß gegen das internationale Seerecht mit beachtlichem Geschick zu vertuschen. Dazu trug auch der Kommandant von U-30, Oberleutnant z. S. Fritz Julius Lemp bei, der seinen fatalen Fehler, durch den er im übrigen auch gegen einen klaren Führerbefehl verstoßen hatte, sofort nach dem Auftauchen bemerkte. Was er nach nur oberflächlicher Lagebeurteilung im schwindenden Tageslicht für einen britischen Hilfskreuzer gehalten hatte, entpuppte sich als erheblich überladener Passagierdampfer. Der 26-jährige Offizier verschwieg die Versenkung zunächst dem BDU in Wilhelmshaven und vergatterte zudem seine 43-köpfige Crew zu strengster Verschwiegenheit. Als jüngster deutscher U-Bootkommandant nach Abschluss seiner ersten Feindfeind mit dem EK I ausgezeichnet und von der NS-Propaganda gefeiert, da er außer seinem irrtümlichen Angriff auf die Athenia immerhin noch zwei Frachter unter regulären Bedingungen aufgebracht hatte, konnte Lemp für sein Vergehen unmöglich noch zur Verantwortung gezogen werden. Das Deutsche Reich beteuerte weiter seine Unschuld, ließ die Marineführung das Logbuch fälschen und sprach mit gebotener Dreistigkeit von einer perfiden Inszenierung der Briten. Nicht ohne Erfolg: Tatsächlich zeigten sich die Vereinigten Staaten zunächst ängstlich um Neutralität bemüht und verweigerten deshalb später sogar den geretteten US-Bürgern einen militärischen Begleitschutz über den Atlantik.
Der Hamburger Historiker und Publizist Cay Rademacher schildert den Show-Down zu dieser ersten maritimen Tragödie des Zweiten Weltkrieges in minutiöser und gleichwohl souveräner Manier. Dabei versteht er die Lebenswege und Familienverhältnisse einer Vielzahl von Reisenden aus Kanada und den Vereinigten Staaten, aber auch aus den von Hitlerdeutschland bedrohten oder schon besetzten Staaten Osteuropas zu einem dramatischen Gesamtbild zusammen zu fügen. Zunächst überglücklich, dem drohenden Krieg in Europa entkommen zu sein, wurden viele von ihnen doch seine ersten Opfer. Man mag das Buch bald nicht mehr aus der Hand legen und fiebert mit bei der dramatischen Rettungsaktion, die in einem Chaos aus Rauch, Öl, überfluteten Decks und traumatisierten Passagieren allmählich Gestalt annimmt. Zwar gelang es der umsichtigen Besatzung, alle überlebenden Passagiere schließlich in den 26 hölzernen Rettungsbooten unterzubringen, während sich die Athenia schon bedrohlich zur Seite neigte. Doch viele Familien wurden dabei auseinander gerissen und die lähmende Ungewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen machten die langen Stunden auf dem stockdunklen Atlantik für die erschöpften Menschen zu einer Tortur. Auch als gegen Mitternacht das erste von insgesamt vier Rettungsschiffen an der Unglücksstelle auftauchte, war die Gefahr für die oft nur notdürftig bekleideten und ölverschmierten Schiffbrüchigen noch lange nicht gebannt. Als besonders tragisch erwies es sich, dass ausgerechnet beim Versuch, aus den schon voll gelaufenen Rettungsbooten an Bord der Hilfsschiffe zu gelangen, noch zwei Boote verloren gingen und sich dadurch die Zahl der Opfer auf insgesamt 118 erhöhte.
Rademacher erzählt dies alles ohne moralisierenden Unterton und verzichtet überhaupt darauf, die deutsche Seite oder die U-Bootbesatzung zu verteufeln. Im Gegenteil nimmt er sich die Zeit, auch den ungeheuren psychischen Druck, unter den Führung und Besatzung von U-30 gerade zu Beginn des Krieges standen, anschaulich zu schildern. Oberleutnant z. S. Lemp erscheint dabei keineswegs als der fanatische Nazi und Britenhasser, sondern als ein Offizier, der bei seinem ersten vermeintlichen Feindkontakt eine falsche und verhängnisvolle Entscheidung traf, gleichwohl aber bei seinen beiden folgenden Aktionen die Prisenordnung genau einhielt.

Die Torpedierung der Athenia, die schließlich am Morgen des 4. September gegen 10 Uhr 40 sank, war, wenn auch tragisch, für den Krieg im Atlantik nur eine Episode. Als weitaus bedeutsamer dagegen erwies sich die letzte Feindfahrt des inzwischen zum Kapitänleutnant beförderten Lemp. Als er im Mai 1941 mit seinem neuen U-110 im Atlantik unterging, gelang es ihm nicht mehr, sein Schiff und die darauf befindliche Enigma-Maschine vor dem Zugriff der Alliierten zu bewahren. Damit war für die Briten eine der Voraussetzungen erfüllt, um den als unknackbar geltenden deutschen Geheimcode doch noch zu entschlüsseln.
Die Publikation des Hamburger Mare-Verlages ist in einer ansprechenden Aufmachung erschienen und enthält einen Bildteil sowie ein Register. Eine übersichtliche Karte im Innenteil des Covers ermöglicht es dem Leser, die Ereignisse gut nachzuvollziehen. Klaus-Jürgen Bremm
 

Cay Rademacher
Drei Tage im September
Die letzte Fahrt der Athenia 1939.
Hamburg (Mare Verlag) 2009
ISBN 978 3 86648 099 5
Preis  22,00 €


 


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