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Wieviel Kritik an Israel ist erlaubt?

Michael Knoll über Alfred Grossers Reflexionen über Deutschland und Israel »Von Auschwitz nach Jerusalem«    


Es ist nicht übertrieben, wenn man Alfred Grosser als den bedeutendsten Mittler zwischen Franzosen und Deutschen bezeichnet. Ohne ihn wäre die deutsch-französische Völkerverständigung, dieser Glücksfall für die Deutschen, als Paradebeispiel und Vorbild auf gesellschaftlicher und politischer Ebene ärmer. Heute kann Grosser auf ein erfülltes und, wie er selber schreibt, glückliches Leben zurückschauen. Dieses Glück, ein glückliches Leben geführt haben zu können, nennt er als den wichtigsten Grund, warum er sich im Herbst seines Schaffens einem neuen Thema zuwendet, dem deutsch-israelischen Verhältnis. Dennoch scheint es, als sei die Zuwendung zu diesem Thema die Konsequenz seines bisherigen Schaffens. In Teilen hat er recht. Israel ist ein Produkt deutschen Wütens. Wie aber schon in seinem Wirken für eine deutsch-französische Verständigung ist dieses deutsche Wüten für ihn nicht das Wüten aller Deutschen. Nein, er widerspricht vehement Vorstellungen von Kollektivschuld und billigt den Individuen die Fähigkeit zu, zu lernen.

Mit dem Verhältnis zwischen Deutschland und Israel stellt Grosser ein schwieriges, aber auch ein eng verflochtenes in den Mittelpunkt seines Buches. Die Geschichte Israels und Deutschlands, ja Europas ist fest miteinander verwoben. Israel gäbe es nicht ohne den europäischen Antisemitismus des späten 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit begründete Theodor Hertzl den politischen Zionismus. Anlass war die Dreyfus-Affäre, die Herzl als Korrespondent der Wiener „Neuen Freien Presse“ in Paris erlebte.
Israel gäbe es vermutlich auch nicht ohne jene Balfour-Deklaration vom November 1917, in der der damalige britische Außenminister Arthur James Balfour der zionistischen Bewegung Unterstützung zugesagt wurde. Zwar sprach die Erklärung lediglich von der Schaffung einer Nationalen Heimstätte für die Juden sprach, sie war aber zugleich ein erster Schritt auf dem Weg zur Konkretisierung eines jüdischen Staates.

Israel gäbe es aber vor allem nicht ohne die Shoa, diesen Zivilisationsbruch in der deutschen Geschichte, wie es einmal der Historiker Dan Diner nannte. Dieser Zivilisationsbruch liegt schwer auf der Identität der in Deutschland lebenden Menschen. Seiner Verantwortung müssen wir uns politisch wie moralisch stellen. Auch 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Diese Verantwortung umfasst die Maxime deutscher Politik, dass „Israel in internationalen Grenzen und frei von Angst und Terror leben kann“, wie es Bundespräsident Horst Köhler im Februar 2005 vor der Knesset formuliert hat.
Diese Maxime ist Alfred Grosser zu wenig, er hat sie um einen Bestandteil erweitert. Dabei geht es um Freundschaft und darum, wie Freunde miteinander umgehen sollen. Dem Freund die Kritik, die man an ihm hat, offen zu sagen, gehört für Alfred Grosser unbedingt dazu. Und dabei bezieht er sich auf den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, den er eigentlich wenig schätzt. In einer Rede vor der Knesset im Sommer 2008 hielt Sarkozy mit deutlichen Worten den Umgang Israels mit den Palästinensern kritisch vor.

Leider verrennt sich Alfred Grosser in diesem Punkt. Und nicht nur in diesem. Generell wirft er deutschen Politikern und nicht nur dem Bundespräsidenten vor, zu verhalten mit der Politik Israels umzugehen. Für ihn gibt es ein Tabu in der deutschen Politik, Israel zu kritisieren. Dies ist natürlich falsch. Die Politik der israelischen Regierung wird auch von Deutschen kritisiert. So auch vor kurzem, als der israelische Premierminister den Bau neuer Siedlungen im arabischen Teil Jerusalems ankündigte. Dazu einige Beispiele. In den Westfälischen Nachrichten aus Münster heißt es am 11. März:
„Ist das Chuzpe oder eine kaum steigerungsfähige Dummheit? In jedem Fall kommen Netanjahus Baupläne einem diplomatischen Super-GAU gleich. Mit diplomatischen Gesten und scharfen Worten der internationalen Gemeinschaften ist es kaum mehr getan. Wenn Israel so offensichtlich jede Friedensaktivität unterläuft, muss es erlaubt sein, auch laut über Sanktionen nachzudenken, und zwar durchaus schmerzlicher Natur.“

Die Süddeutsche Zeitung von jenem Tag kritisiert nicht weniger stark: „Das ist Provokation, ja es zeugt von Hybris – der kleine Partner führt den großen vor. Für Präsident Obama sollte dies der Anlass sein, Premierminister Netanjahu druckvoll klarzumachen, dass auch die besondere Freundschaft zwischen den beiden Staaten Grenzen kennt. Die rote Linie verläuft dort, wo Israel Amerikas Autorität untergräbt.“

Die Kritik an israelischer Politik in deutschen Zeitungen ist profund. Die vieler deutscher Politiker ebenfalls, manchmal gibt es unter ihnen jedoch sehr beschränkte Kritik, angereichert mit Vorurteilen jeglicher Art. Israel zu kritisieren ist in Deutschland kein politisches Tabu. Man sollte sich vor denen in Deutschland in Acht nehmen, die verkünden, sie würden ein Tabu brechen. Der selbsternannte Tabubrecher Jürgen Möllemann war einer von ihnen. Dass die klugen Köpfe in Deutschland Israel klar in der Sache, aber zurückhaltend in der Wortwahl kritisieren, hängt mit unserer Geschichte zusammen. Das sollte Grosser, der den Franzosen ja so profund und klar die Deutschen erklären konnte, wissen. Die Entsetzen des Dritten Reiches lassen sich nicht zur Seite schieben. Die Verantwortung, die daraus erwachsen ist, ebenso wenig. Letztlich wird Alfred Grosser seiner impliziten Fragestellung, welche Verantwortung und welche Verantwortung für wen wir aus der deutschen Geschichte ziehen, nicht gerecht. Die Lehre, stets nur auf Seiten der Opfer zu stehen, kann es nicht sein. Genauso wenig, zynischer Realpolitik zu folgen und dem Stärkeren kein Paroli zu bieten. Unabdingbar ist, Anspruch von Wirklichkeit, Rhetorik von Handeln und Interessen von Ideologie zu trennen. Und schließlich politische Hebel zu nutzen. Es gibt sie, auch im israelisch-palästinensischen Konflikt.

Dennoch lohnt sich dieses Buch, allein schon deswegen, weil es so elegant geschrieben ist. Und weil es so provokativ ist. Grosser wird wissen, wie Provokationen wirken. Sie fördern das Nachdenken.
 

Alfred Grosser
Von Auschwitz nach Jerusalem
Über Deutschland und Israel
Rowohlt Verlag
208 Seiten
16,90 €

Leseprobe

 


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