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Gazprom.
Vom Staatskonzern zum globalen Energieversorger

Gasprom ist nicht nur Russlands Haupteinnahmequelle, sondern zugleich seine schärfste Waffe. Der Gasmonopolist genießt die staatliche Unterstützung für seine expansive Unternehmenspolitik. Staaten, die ihre Wirtschaft künftig zuverlässig mit Energie versorgen wollen, werden sich mit dem russischen Staat gut stellen müssen. Menschenrechte oder Umweltfragen werden dann keinen Platz mehr haben.

Gazprom ist kein normales Unternehmen, Gazprom ist ein semistaatlicher Gigant. Mit etwa 400.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von circa 91 Mrd. US-Dollar im vergangenen Jahr ist der Konzern das größte Unternehmen Russlands. Mit 17 % Anteil an der weltweiten Erdgasproduktion ist der Konzern auch größte Produzent und Förderer natürlichen Gases. Mehr als 20 Prozent des russischen Staatshaushaltes stellt Gazprom mit seinen Steuerzahlungen bereit. Der Konzern entspricht eher einem Staat im Staate als einem Wirtschaftsunternehmen. Zugleich ist Gazprom aber auch symbiotisch mit dem russischen Staatsapparat verbunden. Gazprom-Manager und Russlands politische Kaste arbeiten zum gegenseitigen Vorteil Hand in Hand. Eine Rochade der Führungspersonen zwischen Staat und Konzern hat dies in den vergangenen Monaten einrucksvoll belegt. Die Hauptrollen spielten dabei Ex-Präsident Wladimir Putin, Ex-Ministerpräsident Wiktor Subkow und der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende von Gazprom Dimitri Medwedew. Medwedew löste Putin als Staatspräsident ab, während sich dieser von seiner Heimatpartei „Einiges Russland“ zum neuen Ministerpräsidenten wählen ließ. Der bisherige Ministerpräsident Subkow wurde von Medwedew und Putin wiederum entschädigend auf den Posten des Gazprom-Aufsichtsratsvorsitzenden gehievt. Wenn dieses Personenkarussell eines belegt, dann dass der Konzern tief im russischen Staat verankert ist.

Warum und wie Gazprom zugleich Staat im Staate und Quasi-Staatskonzern werden konnte, fragen sich Waleri Panjuschkin und Michail Sygar in ihrem Buch „Gazprom. Das Geschäft mit der Macht“. In mehr oder minder chronologischer Reihenfolge versuchen die beiden Journalisten, die Wegmarken des Konzerns nachzuzeichnen. Den Ausgangspunkt für seine heutige Einflusssphäre findet der Konzern in der Arbeit seines Gründers Viktor Tschernomyrdin sowie dessen Gefolgsmann Rem Wjachirew. Gemeinsam verhinderten sie die Aufteilung des Gassektors nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Als Tschernomyrdin unter Boris Jelzin zum Minister für Brennstoffe und Energie und später zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, war Gazprom als Unternehmen in der russischen Regierung angekommen.

In der Zeit der Marktliberalisierung ab 1992 nimmt das Geben und Nehmen zwischen Staat und Konzern seinen Ausgang. Gazprom lieferte weiter Gas an öffentliche Einrichtungen und die russischen Haushalte, jedoch ohne dafür Ausgleichzahlungen zu erhalten. „Gazprom hielt Russland zusammen. Das Unternehmen stürzte sich in Schulden, damit der Staatshaushalt nicht kollabierte. Und das Land überlebte dank Gazprom.“, zitieren die Autoren den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Alexander Kasakow. Ganz so einfach war es dann aber doch nicht, denn im Gegenzug erließ der russische Staat dem Konzern seine steuerlichen Verpflichtungen, die er zu keinem Zeitpunkt in den 90er Jahren zu zahlen imstande war.

Gegen Ende der 1990er Jahre wurde Gazprom durch Personalwechsel schnell zum politischen Machtinstrument. Tschernomyrdin wurde als aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat aus dem Amt des Ministerpräsidenten entlassen und verlor durch eine politisch inszenierte Medienkampagne jegliche Präsidentschaftschancen. Stattdessen löste ein gewisser Wladimir Putin den russischen Präsidenten im Amt ab. Anschließend verlor auch der bisherige Gazprom-Vorstandsvorsitzende Rem Wjachirew seinen Posten; an seine Stelle trat der weitgehend unbekannte Alexei Miller, ein Gefolgsmann Wladimir Putins. Miller vollzog unter Putin die Umstrukturierung des Konzerns zu einem vielfältigen Energieanbieter und trieb die „Beteiligung des Staates an Gazprom“ voran. Der Staat bekam das Aktienkontrollpaket von mehr als 50 % der Firmenanteile zugeteilt.

Neben dem wirtschaftlichen Aufschwung wurde Gazprom unter Wladimir Putin auch ein einzigartiges außenpolitisches Instrument. Die Gasvorkommen in den ehemaligen sowjetischen Republiken Zentralasiens sicherte sich der Konzern mithilfe einer Art Treuebonus. Die autoritären Herrschaftsstrukturen in den mit enormen Gasvorkommen ausgestatteten zentralasiatischen Staaten stellten für den Kreml kein Hindernis dar, um die dort regierenden Potentaten zu hofieren. Dies konnte sich jedoch auch schnell ändern, wie jüngst der Feldzug gegen Georgien beweist. Georgien ist ein Energie-Transitland und die Tatsache, dass eine Öl-Pipeline vom Kaspischen Meer nach Europa durch Georgien verläuft und dabei russisches Gebiet umgeht, ist dem russischen Staat und damit auch Gazprom seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge. Georgiens Waffengang in die abtrünnigen Kaukasus-Gebiete stellten einen willkommenen Anlass dar, um dem Staat unter Micheil Saakaschwili einen Denkzettel zu verpassen. Antirussische Pipelineprojekte sollte man dabei nicht aus dem Auge lassen.

Ausgehend von der Auflösung der Sowjetunion haben die Autoren den Dschungel staatlich gelenkter Wirtschaftspolitik und privatwirtschaftlicher Unternehmenspolitik zu durchdringen versucht, der den Gasmonopolisten umgibt. Leider haben sie sich dabei allzu oft verlaufen. So entsteht eine mit Nebenkriegsschauplätzen und Kleinstinformationen überfrachtete Geschichte des weltweit größten Gasproduzenten, die die wesentlichen Folgen seines global wachsenden Einflusses außer Acht lässt.

Und genau darin liegt die größte Schwäche des Buches. Denn Gazprom ist zu einer energiepolitischen Waffe des modernen Russland geworden. Unliebsame und untreue Staaten werden bestraft, fallen gelassen und ignoriert, während sich befreundete und zahlungskräftige Staaten einer Sonderbehandlung sicher sein können. Und als russisches Machtinstrument wird Gazprom die weltweite Energiepolitik des 21. Jahrhunderts unweigerlich bestimmen. Die Europäische Union ist derzeit der Hauptabnehmer des russischen Gases und damit wichtigste Geldquelle für den Konzern. Da aber bereits mehr als ein Viertel des importierten Gases von Gazprom geliefert wird, sind die Staaten der EU auch von dem Konzern abhängig. Doch wie lange noch wird Europa Gazproms bevorzugter Kunde sein? Der russische Konzern sucht längst andere Absatzmärkte und man kann davon ausgehen, dass Gazprom seinen Expansionsdrang noch lange nicht befriedigt hat.

In einer solchen Konstellation ist es nur eine Frage der Zeit, das Menschenrechts- und Umweltfragen gegenüber Russland den wirtschaftlichen Interessen Europas, Amerikas und eines aufstrebenden Asiens untergeordnet werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die westlichen Staaten für solche Fragen eine Energiekrise und immense volkswirtschaftliche Verluste in Kauf nehmen. Gazprom ist daher nicht nur eine Herausforderung für die Zukunft der Demokratie in Russland, sondern in seiner momentanen Bedeutung und Monopolstellung Provokation für die humanistische Demokratie weltweit. Gazproms Erfolg macht nepotistische und kleptokratische Regierungsmodelle auf fatale Weise wieder attraktiv. Das vergessen die beiden jungen russischen Autoren leider in ihrer Betrachtung des russischen Monopolisten. Ihr Buch ist daher nichts mehr, als eine historisch angelegte Sammlung alles bisher über Gasprom Bekannten, ohne jedoch darüber hinaus zu blicken. Da man in „Gazprom. Das Geschäft mit der Macht“ über die Entstehung des Konzerns Konträres, über die aktuelle Bedeutung Gazproms wenig und über sein zukünftiges Machtpotential gar nichts erfährt, lässt das Buch den Leser ernüchtert und enttäuscht zurück. Thomas Hummitzsch

Eine ausführliche Besprechung dieses Buches können Sie in der 19. Ausgabe (Herbst 2008) des Magazins „Die Gazette“ nachlesen.
 

Waleri Panjuschkin, Michail Sygar
Gazprom.

Das Geschäft mit der Macht

Verlag Droemer & Knaur, München 2008,
304 Seiten
16,95 €.
ISBN 3426274523

 

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