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Artikel online seit 08.08.13

Der Aufstieg der Araber

Tom Hollands Beschreibung der Entstehung des arabischen
Weltreiches
kratzt unverhohlen an einem weiteren Eckpfeiler
heutiger Islamapologeten.

Von Klaus-Jürgen Bremm


 

Es war seit Alexanders Marsch nach Indien der größte und verblüffendste Eroberungszug der antiken Welt. Innerhalb nur einer Dekade brach unter  dem Ansturm weniger Tausend Sarazenen das Reich der Sassaniden völlig zusammen und das Oströmische Imperium fand sich auf seine Kernprovinzen zurückgedrängt. Ihren märchenhaften Erfolg verdankten die räuberischen Wüstenkrieger nach gängiger Lesart ausschließlich der Inspiration einer völlig neuen Religion und den Anweisungen eines charismatischen Propheten.

Doch obwohl sich in der Weltgeschichte kaum ein eindrucksvolleres Ereignis als der Siegeszug des Islam finden lässt, ist die Quellenlage mehr als dürftig. Einen zusammenhängenden Bericht  über den Sturmlauf der arabischen Stämme lieferte erst der islamische Historiker Al Tabori etwa ein Vierteljahrtausend nach dem Tod des Religionsgründers Mohammed. Inzwischen aber steht fest, dass die meisten dessen Leben und Wirken schildernden Berichte, die so genannten Hadithen, frei erfunden sind und vereinzelte Islamwissenschaftler wie der Niederländer Hans Jansen gehen sogar davon aus, dass es den »Gesandten Gottes« ebenso wenig gegeben hat wie Abraham oder Moses. Nicht ganz so weit möchte jedoch der britische Historiker und Journalist Tom Holland gehen. Auch wenn er das inbrünstig verehrte Vorbild von weltweit mehr als einer Milliarde Moslems als historische Figur und Schöpfer des Korans akzeptiert, dürfte seine Frühgeschichte des Islam kaum nach dem Geschmack der orthodoxen Gläubigen geraten sein. 

Dabei macht Holland nur das, wozu jeder seriöse Historiker grundsätzlich verpflichtet ist. Er prüft vorbehaltlos die vorhandenen Quellen und ordnet die rekonstruierbaren Ereignisse ein in den Gesamtkontext des spätantiken Nahen Ostens. Anstatt also wie Dutzende hiesiger xenophiler Zunftsgenossen die islamische Königsnarration von der religiösen Fulguration des Propheten noch einmal nachzubeten, skizziert er die Genese dieser neuen Lehre aus den jahrhundertelangen theologischen Streitigkeiten über die wahre Natur Jesu Christi und den machtpolitischen Spannungen im östlichen Mittelmeerraum. Danach hat es zwar im unmittelbaren Anschluss an den letzten römischen-persischen Krieg einen Siegeszug ursprünglicher arabischer Föderaten in Palästina, Syrien und Mesopotamien gegeben, dem die erschöpften Großmächte kaum noch etwas entgegenzusetzen hatten.  Doch den Islam als gefestigte Religion gab es damals noch nicht, allenfalls ein Sammelsurium religiöser Vorstellungen, mit zahllosen christlichen und jüdischen Versatzstücken, die erst viel später zum geheiligten Buch des Islam avancierten. Holland beschreibt sehr eindrücklich diese bunte Welt an den Rändern der beiden verfeindeten Imperien, in denen unter den Arabern uralte religiöse Vorstellungen neben jenen ganz neuen Ideen blühten, die eine stetig rigorosere kaiserliche Religionspolitik als Ketzereien aus dem Imperium verband hatte. Hier in diesem kaum kontrollierten Grenzraum, nicht aber in Mekka oder Medina, entstand der Koran, vielleicht als Kompendium sarazenischer Grenztruppen im Dienste Byzanz‘ und hier mag auch Mohammed gelebt und gewirkt haben. Doch wenn es tatsächlich eine auf ihn zurückgehende Lehre gab, war sie noch vielfach unausgegoren und ungefestigt, vor allem aber noch kein rigoroser Gegenentwurf zur christlichen oder jüdischen Konkurrenz. Nicht der so genannte Prophet war also, folgt man Holland, der wahre Stifter des Islam, sondern erst der Umayyade Abd al Malik, der gegen Ende des 7. Jahrhunderts die arabischen Eroberungen konsolidierte, den Koran kodifizierte und erstmals das entlegene Mekka als zentralen Bezugspunkt arabischer Frömmigkeit bestimmte. Noch im Jahre 689, also ein halbes Jahrhundert nach ihrem Fall hatte ein Bischof aus dem fernen Gallien das von den Arabern besetzte Jerusalem als durch und durch christliche Stadt empfunden, in der die zentralen Kirchen weiterhin in ihrem altem Glanz erstrahlten, während ein grob gezimmerter hölzerner Kasten auf dem Tempelberg als bescheidene Gebetsstätte der neuen Machthaber diente. Die Etablierung einer neuen Religion, wie sie Ab del Malik mit berechnender Konsequenz betrieb, und die Umschreibung der bisherigen Geschichte waren jedoch durchaus keine Pioniertat dieses gleichwohl überaus innovativen Kalifen, der auch erstmals eigene Münzen prägen ließ. Tatsächlich hatten ihm dazu Rom und Persien das Vorbild geliefert, wie Holland betont. Ein Reich, ein Kaiser und eine Religion: Das war die politische Theologie des spätrömischen Reiches und auch der Sassaniden, die Ab del Malik entschlossen übernahm, um eine fast 50-jährige Phase des Bürgerkrieges in seinem neuen gewaltigen Reich zu beenden. Dass Holland ganz nebenbei auch noch die bisher gern glorifizierte Frühzeit des Islam entzaubert und die Herrschaft der Araber als eine Kette von Erpressungen, Massakern und Versklavungen einer seltsam apathischen Bevölkerung des Nahen Osten schildert, kratzt unverhohlen an einem weiteren Eckpfeiler heutiger Islamapologeten.

Insgesamt hat der Autor auf breiter Quellenbasis ein beeindruckendes Panorama der Geschichte des Nahen Ostens in der Spätantike vorlegt und dabei einen ernst zu nehmenden Versuch unternommen, den Islam so in seiner Entstehungszeit zu verorten, wie es mit dem Christentum und dem Judentum schon längst geschehen ist. Vieles mag dabei im Detail noch Spekulation sein, wie es Holland selbst gelegentlich einräumt, doch sein Gesamtentwurf ist fraglos ein wichtiger Schritt. 

 

Tom Holland
Im Schatten des Schwertes
Mohammed und die Entstehung des arabischen Weltreiches
Klett-Cotta 2013
532 Seiten
29,90 €
978 3 608 94380 1

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