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Artikel online seit 21.04.14

Neues von Fido

Maurizio Ferraris' »Manifest des neuen Realismus«

Von Jürgen Nielsen-Sikora




 

Das älteste Systemprogramm des Deutschen Idealismus aus dem Jahr 1796 umfasst zweieinhalb Seiten. Es zeichnet die Philosophie der kommenden Jahrzehnte vor und verdient den Namen Manifest, das ist: Deutlichkeit, Offenbarung. Deutlich und offenbar ist in Maurizio Ferraris Manifest des neuen Realismus so gut wie gar nichts. Es ist eine argumentativ schwache Abrechnung mit der Postmoderne, mit Lyotard, Foucault und Derrida und dem Konstruktivismus, hier Konstruktionismus genannt.

Für die Gattung Manifest ist der Text nicht nur zu lang, es fehlt insbesondere die Zuspitzung auf zentrale Thesen. Ferraris Grundmotiv ist die Rehabilitierung der ersten Philosophie, sprich: der Ontologie, die er gegen die aktuellen Strömungen der Philosophie verteidigt.

Ontologie ist seit alters her die Lehre vom Seienden und seinen Grundbestimmungen, bei Ferraris bedeutet Ontologie schlicht: »Die Welt hat ihre Regeln, und die gilt es zu beachten.« Am Beispiel eines Pantoffels müht er sich, seine Ontologie plastisch zu erklären: Der Pantoffel liegt auf dem Teppich, das sei eine von allen Beobachtern und möglichen Interpretationen unabhängige Tatsache: Den Pantoffel gibt es wirklich. Das erinnert ein wenig an das Fido-Fido-Prinzip, bei dem jedem semantischen Begriff bekanntlich eine reale Entität entsprechen muss, dem Ausdruck Fido also der real existierende Hund Fido - der von mir aus dann einen real existierenden Pantoffel holen darf.

Diese Vulgärontologie hat freilich historische Bezugspunkte, die Ferraris jedoch nicht aufgreift, weil er sich an den Franzosen abarbeitet ohne die vielen kontroversen Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Er nimmt aber auch die eigenen Stichwortgeber nicht wahr. Etwa Aristoteles und dessen Realismus, den er in Abgrenzung zu Platons Idealismus entwarf und bei dem die Verwirklichung der Begriffe in den realen Dingen selbst, also in ontologisch selbstständigen Entitäten, grundgelegt ist. Oder Nicolai Hartmanns neue Ontologie (neuer Realismus), die den Aufbau der realen Welt mit Hilfe von so genannten Seinssphären erklärt. Doch eine Weiterentwicklung klassischer Ontologien bietet Ferraris neuer Realismus nicht. Seine Vorstellung der Realien bleibt nebulös und verharrt in Andeutungen. Seine Kritik an postmodernen Denkern bringt keine neuen Erkenntnisse. Der Stil seines Manifests ist umständlich. Die Philosophie ist am Ende gar keine? Zweieinhalb Seiten hätten es auch getan!
 

Maurizio Ferraris
Manifest des neuen Realismus
Aus dem Italienischen übersetzt von Malte Osterloh
Recht als Kultur 6
Klostermann Verlag
2014.
90 Seiten
Kt 15,80 €
978-3-465-04214-3

 


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