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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Artikel online seit 02.12.13

Druiden und Katharer

Umberto Eco schreibt süffig über legendäre Städte und Länder

Von Georg Patzer




 

Der heilige Gral ist gefunden! Nein, nicht von Indiana Jones, sondern von Otto Rahn. Wo genau, weiß man nicht, vielleicht in der Nähe von Montségur, der berühmten Burg der Katharer im Languedoc, irgendwann vor 1932. Denn dort wurde der Gral aufbewahrt. Und in der Nacht vor dem Sturm auf diese Burg hatten »drei Katharer die Reliquien des Merowingerkönigs Dagobert in Sicherheit gebracht«, darunter natürlich als Kostbarstes auch den Gral. Versteckt wurde er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Wewelsburg, in der Nähe von Paderborn, unter der Obhut der SS.

Zum Glück ist das nur eine Legende, die aus den verblüffenden Erkenntnissen dieses deutschen Forschers erwuchs, der sich außerdem mit der »arischen Lichtreligion« befasste, in die SS eintrat, später wegen seiner Homosexualität ins KZ Dachau kam und 1938 eines rätselhaften Todes starb. Für ihn war unwiderleglich bewiesen, dass es eine Verbindung »zwischen Druiden, Katharern, Templern und Tafelrittern« gegeben haben muss: »Die hermetischen Kurzschlüsse erzeugen stets gleißende Blitze, und für Rahn war der Geistesblitz die Erkenntnis, dass die Katharer von Montségur Abkömmlinge der Druiden seien, die sich zum Manichäismus bekehrt hätten«, schreibt Umberto Eco mit mildem Spott in seinem neuen Buch von der »Geschichte der legendären Länder und Städte«. Und Montségur ist nach dieser Logik nichts anderes als die mythische Burg Monsalvat, wie sie Richard Wagner nennt, bei Wolfram von Eschenbach heißt sie Munsalvaesche, die Gralsburg, in der der Gral aufbewahrt wurde.

Ebenso unbekannt wie die Gralsburg ist auch der wahre Standort von Camelot, in das König Artus sich vielleicht zurückzog. Ebenso wenig weiß man, wo das Paradies ist, die Glückseligen Inseln oder das Eldorado, nach dem vor allem die spanischen Eroberer und Conquistadores (steckt darin nicht schon Wort »or«, Gold?) suchten. Unbekannt ist auch, wo sich das Schlaraffenland befindet oder die Länder Atlantis, Mu oder Lemuria, Ultima Thule, Hyperboräa, das Reich des Priesters Johannes, das Land der Lotophagen, von dem Homer in seiner »Odyssee« erzählt. Seit seinem Verschwörungsroman »Das Foucaultsche Pendel« ist Umberto Eco ausgewiesener Kenner der seltsamsten Theorien und führt sie jetzt genüsslich vor. Mit der ersten Abstrusität, die die meisten von uns noch heute glauben, räumt er gleich im ersten Kapitel auf: mit dem Glauben, im Mittelalter hätte man angenommen, die Erde sei flach. Und die Antipoden würde es nicht geben, weil sie ja nach unten, ins All, fallen müssten.

Sein neues Buch ist ein kenntnisreiches Kompendium aller möglichen Ideen, die es über mythische Städte und Länder, die unsere Phantasie immer wieder angeregt hat, jemals gab. Zwar streift Eco auch die Literatur, von Homer bis Jules Verne und Jorge L. Borges, aber vor allem zitiert er aus wissenschaftlichen und Pseudowerken, aus erfundenen Reiseberichten und philosophischen Schriften. Ihm geht es um die Städte und Länder, an die sich »heutzutage oder in der Vergangenheit Hirngespinste, Utopien und Illusionen geknüpft haben, weil viele Menschen wirklich glaubten, dass sie irgendwo existierten oder existiert hätten«. Präzise, wenn auch manchmal ein wenig redundant, zeigt er, wie diese Theorien zustande kamen und wie sie weiterlebten, bis heute, wo sie von Populärmythen wie Indiana Jones oder Tim und Struppi aufgenommen wurden. Leider sind einige Fehler sehr ärgerlich: z.B. wird Wolfram von Eschenbach wiederholt »Eschenbach« genannt (kaum vorstellbar, dass einem Mittelalterexperten wie Eco das passiert), anderswo steht statt »Mammut« das Wort »Mumie«. Dennoch ist es ein brauchbares, sehr reich illustriertes Buch, mit vielen Auszügen aus Originaltexten, süffig geschrieben und mit viel Ironie gewürzt.

 

Umberto Eco
Die Geschichte der legendären
Länder und Städte

Übersetzt von Martin Pfeiffer
und Barbara Schaden.
Carl Hanser Verlag, München 2013
480 Seiten Abb., geb.,
39,90 Euro

 


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