Eine lange Tafel, an der prominente Gäste sitzen. Neben jeder
dieser »sehr wichtigen Personen« darf ein Vorzeigekrüppel der Anstalt
Platz nehmen. Es erklingt die Lucona-Serenade, gesungen vom
Ertrunkenenchor unter der Leitung von Udo Proksch ...
Minetti:
Bernhard – was für ein Mensch. Morgens, schon vor dem Frühstück,
seine Prosa gelesen, abends seine Stücke gespielt. Abends die Stücke,
morgens die Prosa – die Prosa morgens, welch ein Exerzitium!
(Dabei rutscht ihm die Baskenmütze ins greise Antlitz. Minetti drückt
auf den Startknopf eines Tonbandgerätes, man hört die Stimme des
Verblichenen.)
Bernhard: „Ja, man konstruiert
eine Prosa, die die Leute langweilt, weil sie sagen: Das ist mir doch zu
blöd, drei Seiten ein Satz. Und das ist doch der Reiz, daß die dann
sagen: Bäääh."
(Claus Peymann klopft sich auf die Schenkel und beißt lustvoll in eine
Topfengolatsche.)
Ranicki:
Wie schon sein Professor Stieglitz in der Tetralogie sagt, war er ja in
erster Linie Epiker, obwohl er jede Dichtform beherrschte. Lyriker,
Epiker, Philosoph, Naturgeschichtsphilosoph. Niemals die dramatische
Form, er haßte die Dramatik, er war geradezu ein ausgesprochener
Dramatikhasser, nicht wahr?!
(Knabbert an einer Marillenmatze)
Ignorant: Was wir hören, hören
Sie, ist nichts als ein Kunstgezwitscher, was wir sehen – Puppentheater.
Wahnsinniger:
Immer der gleiche Dreck. Einen Menschen ekelt noch immer vor dem
tagtäglichen Empfindungsreichtum des Feuilletons.
Der große Schweizer: Er war berufen zum
Sterben, allein der Tod ist ewig. Das Leben ist eine Schindluderei der
Natur sondergleichen, eine obszöne Verwirrung des Kohlenstoffs, eine
bösartige Wucherung der Erdoberfläche, ein unheilbarer Schorf.
Heller:
Nicht an der Fähigkeit zu sterben, sondern an der Unfähigkeit zu leben,
gehen wir zugrunde.
(Benetzt seine Stirn mit einem Tröpfchen Weihwasser.)
(Klaus Maria
Brandauer nestelt versonnen an seiner Melange herum, plötzlich holt
Botho Strauß eine kleine Panflöte aus seinem Bocksbeutel und beginnt
eine melancholische Melodie zu blasen.)
Brandauer:
Wer reitet so spät ...
Peymann: (Zuckt zusammen)
Wehrter Herr Burgschauspieler, ich bitte Sie!
Bernhard:
(Vom Band) „Es gibt nichts Fürchterlicheres als Schauspieler, die
österreichischen sind die schlimmsten. Schauspieler sind so primitiv und
blöd, dass man ihnen eigentlich immer alles sagen muß. Ein weltberühmter
Mann, und dem muß der Regisseur noch sagen, wenn dein Partner das sagt,
musst du das denken. Die Leut sind nicht einmal wert, dass man ihnen mit
dem Kochlöffel auf die Finger gibt."
Brandauer: (Rauft sich
verzweifelt die Haare) Oh schmölze doch dies allzufeste Fleisch ...
Waldheim: (Zu Brandauer) Er
hatte sich überhaupt nicht angekündigt gehabt. Plötzlich war die Tür
aufgerissen worden und er stand da, in Begleitung natürlich, und sagte,
er wolle mit mir zu Mittag essen ...
Ignorant:
Wer, der Bernhard?
Waldheim: Nein, der Reichsführer
SS. Er kam gerade aus dem Führerhauptquartier. Es gibt immer wieder
Leute, die Narrenfreiheit haben. Sie können tun, was sie wollen. Wenn
man sie ernstnehmen würde, müsste man sie ja umbringen – aber wir
bringen dich nicht um. Du bist nun einmal da.
Bernhard:
(Vom Band) „Das Österreichische, frage ich mich immer, was ist es? Die
Absurdität zur Potenz, es zieht uns an und stößt uns ab."
(Claus Peymann lacht hysterisch und verschluckt sich dabei an seinem
Käsekrainer. Reich-Ranicki und Botho Strauß legen einen flotten Tango
aufs Parkett.)
Ranicki: Ein Künstler, der eine
Kunst ausübt, braucht eine andere, zweite Kunst. Die eine Kunst aus der
anderen, die einen Kunststücke aus den anderen, nicht wahr.
Bernhard: (Vom Band) „Der
Ranicki hat vielleicht hundertzehntausend Schilling Monatsgehalt. Das
ist doch lächerlich. Und was sind das auch für Leute. Der geht dann die
Festspiele besuchen, mit seiner Frau im langen Abendkleid, und redet
dort über Literatur und hört sich cosi fan tutte an. Ist begeistert beim
Achterl Wein in der Moser-Weinstube und findet das großartig. Ist ja
alles ein Blödsinn."
Minetti: Ja – Bernhard, was für
ein Mensch, was für Menschen, was für Geschöpfe, was für Unsinnigkeiten.
Jeder einzelne eine unglückliche Natur.
Heller: (Schaut von seiner
Fischmahlzeit auf und noch mit dem Fischmesser in der Hand) Die Forelle
hatte etwas Schönes. Ich wünschte nur, ich hätte eine Totenmaske von ihr
machen können. Aber nicht von ihrem Körper, sondern von ihrer Energie.
Ich weiß nicht, ob irgendwer ihren Körper verstanden hätte.
Bernhard: (Vom Band) „Das ist ja
alles ein Unsinn. Es ist wurscht, ob diese Leute sich in Moskau ansaufen
und anfressen oder in New York oder auf den Philippinen oder in
Nicaragua. Das sind alles grauenhafte Leut’, die mit sich selbst nicht
zu Rande kommen. Der eine arbeitet mit seiner Krankheit und mit dem Tod
und kriegt Preise, und der andere rennt für den Frieden herum und ist im
Grunde ein gemeiner, blöder Kerl. Also, was soll das?"
Peymann: So, wir wollen jetzt
den Monolog hören, Herr Waldheim, bitte.
(Frau Waldheim kämmt ihren Mann und gibt ihm einen Kuß auf die Stirn,
dann tritt der Bundespräsident ans Rednerpult. Holzbeine knarren nervös,
die Hände in den Ledermanschetten erheben sich sachte zu einem
angedeuteten Gruß)
Waldheim:
Freunde – Thomas Bernhard ist tot. Mit uns trauert die Nation, ja die
Welt, ist sie doch um einen Mann ärmer, der sie reicher machte.
(Andre Heller entzündet zwei Sonnenräder, und Udo Proksch beginnt zu
singen: „Bei mir sans alle im Oasch daham und ich bin dem Oasch sein
Abszeß.")
Bernhard:
(Vom Band) „Mitten in der Vorstellung, mitten in der Rachearie aufhören
zu singen, die Arme fallen zu lassen, das Orchester zu ignorieren, die
Mitspieler igrnorieren, das Publikum ignorieren, alles ignorieren.
Dastehen und nichts tun und alle anstarren, anstarren, verstehen Sie,
und plötzlich die Zunge herausstrecken."
(Drei Männer betreten den Festsaal. Es sind der Inspektor Kottan und
seine Assistenten Schramml und der einbeinige Schremser.)
Kottan: Meine Damen und Herren,
Sie sind vorläufig festgenommen, weil Sie in konspirativer Weise gegen
das Testament des verstorbenen Autors Thomas Bernhard verstoßen haben,
das eine Aufführung seiner Stücke in Österreich für die Dauer von
siebzig Jahren verbietet.
(Irres
Gelächter vom Band)
Peymann:
Das ist ja großartig.