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Verdichtete Miniaturen |
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Der kolumbianische Autor und Philosoph Nicolás Gómez
Dávila wird von den einen als würdiger Nachfolger Schopenhauers und Nietzsches gefeiert,
den andern gilt er als ein elitär konservativer Thesenschmied. Er selbst sagt
von sich: »Meine
Überzeugungen sind die eines alten Weibes, das im Winkel der Kirche
seine Gebete murmelt.« Heiner
Müller zollte ihm auf seine eigensinnige Weise Respekt: »Der
Klassenfeind greift zu den teuflischsten Mitteln, doch: Gruß über den
Graben!« Und selbst Gabriel García Márquez erwies ihm die Ehre: »Wäre
ich nicht Kommunist, ich dächte ganz wie Gómez Dávila.« »Die Mühe, mit der Don Nicolás sprach, die Zeit, die zwischenseinen Sätzen verfloß, waren wie eine Art Anleitung, die scheinbar ungeordnete Abfolge der Aphorismen in den drei »Glossen«-Sammlungen richtig zu lesen. Sein Denken offenbarte sich in der Stille seiner Bibliothek als ein hochkomprimiertes Notgepäck für den unbefristeten Aufenthalt in eisigen Regionen. Bei mehreren Besuchen sah ich den alten Mann auch von Familie und Freunden umgeben, und dennoch verlor ich nie das Gefühl, einem Einsiedler von der Art der großen Wüstenväter begegnet zu sein.«
»Don Nicolás«
selbst bezeichnet sein Denken insofern als »reaktionär«, als es im Bestreben,
unbedacht Vergessenes wieder in Erinnerung zu bringen, gegen die Moderne
revoltiert. Für ihn läßt sich die Welt nicht auf einen »vernünftigen Begriff«
bringen: »Reaktionär sein heißt, nicht an bestimmte Lösungen glauben, sondern
ein scharfes Gespür für die Komplexität der Probleme haben.« Der Reaktionär
weigere sich, »die Inkohärenz der Dinge zu vergewaltigen«; er widerspreche sich,
weil er »der Realität allein Treue geschworen« habe. Der aufklärerische
Rationalismus sei keinesfalls »Ausübung der Vernunft«, sondern vielmehr ein
»Ergebnis bestimmter philosophischer Unterstellungen, die den Anspruch erhoben«
hätten, »mit der Vernunft in eins gesetzt zu werden.« »... behandelte er seine gefeilten, zu äußerster Reduktion gebrachten Sätze, als wären es Löwenzahnsamen, die man in die Welt bläst. Wenige Schriftsteller sind achtloser mit ihrem Werk umgegangen. Wenn die Bücher mit den auf keinerlei Wirkung bedachten Titeln Notas, Textos und Escolios nicht in Privatdrucken erschienen – oder eben nicht »erschienen« –, dann in winzigen Auflagen und bei nichtkommerziellen Verlagen. Es gehört zum Tröstlichsten in einer vom Kommerz vielfältig bedrohten Literaturwelt, daß sich dies lange verborgene Werk gleichsam osmotisch in viele Länder verbreitet, ohne Werbung und öffentliche Unterstützung zu erfahren.« (Mosebach, ebenda)
Sein Bruder ließ 1954 in Bogotá dieses Werk als Privatdruck
in einer Auflage von einhundert Exemplaren drucken, und erst im Jahre
2004 erschien die erste offizielle spanische Buchausgabe in Kolumbien.
Nachdem die Bücher von Gómez Dávila im deutschsprachigen intellektuellen
Raum eher raunend zur Kenntnis genommen wurden, wird sein Hauptwerk, nun als
preiswerte Ausgabe bei Matthes&Seitz, Berlin wiederaufgelegt, hoffentlich neue
und auch jüngere Leser offenen Geistes überraschen. Dieses hoffnungsgrüne
Taschenbuch gehört in jeden Survival-Rucksack, denn es konzentriert
sich in vulkanischen Splittern auf die Sinnlichkeit des Menschen und die
ewigen
drei großen Fragen: |
Nicolás Gómez Dávila |
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