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Der einsame Krieg des Leutnants Onoda

Werner Herzogs späte Erzählung »Das Dämmern der Welt«

Von Wolfram Schütte
 

Der Filmemacher Werner Herzog hat bislang drei literarische Bücher publiziert: »Vom Gehen auf Eis« (1978), «Die Eroberung des Nutzlosen« (2004) & »Das Dämmern der Welt« (2021).

Im ersten imaginiert er seine Fußwanderung von München nach Paris im Winter 1974 – eine Art Pilgerreise zur schwer erkrankten Filmwissenschaftlerin Lotte Eisner in der Cinematheque francaise mit dem magischen Ziel, dadurch die Lebensrettung der Autorin der »Dämonischen Leinwand« zu bewirken. Die verehrte Kennerin des expressionistischen deutschen Stummfilms ist erst ein Jahrzehnt später verstorben.

»Die Eroberung des Nutzlosen« basiert auf dem privaten Tagebuch, das der Regisseur während der Katastrophen schwangeren zweijährigen Dreharbeiten von »Fitzcarraldo« im Peruanischen Amazonasdschungel geschrieben hatte. Zweiundzwanzig Jahre (!) nach dem 1982 in die Kinos gekommenen Film erschienen, dreht sich das Buch in Tagebuch-Form um die Produktion des Films, den Dschungel & die monströs-grotesken Auseinandersetzungen zwischen dem Regisseur & seinem exzentrischen Hauptdarsteller Klaus Kinski, der 1991 gestorben war (so dass Herzog sein Buch gefahrlos publizieren konnte).

Noch zwei Jahre mehr, vierundzwanzig Jahre nach dem Treffen mit dem Helden seines jüngsten Buchs, hat sich der deutsche Regisseur das Dschungelleben des japanischen Offiziers Onoda zur Vorlage genommen, um eine Erzählung über dessen einsamen Krieg auf der philippinischen Insel Lubang zu schreiben. Der Leutnant war bei der Flucht der japanischen Armee von der besetzten Insel 1944 zusammen mit ein paar anderen Soldaten hinterlassen & verpflichtet worden, als Guerillatruppe bis zur Wiederkehr der Kaiserlichen Armee dort auszuharren. Selbst nach einer möglichen Gefangennahme war ihm der Selbstmord verboten. Als letzter japanischer Soldat hielt er bis 1974 aus – also 29(!) Jahre. Ein solcher solitärer Irrläufer der Loyalität musste für Werner Herzog von paradigmatischem Interesse sein.

Alle drei Bücher suggerieren literarisch dokumentaristische Wahrheitsnähe zu ihren Sujets. Wenn es in ihnen wiederkehrende Topoi gibt, dann sind das: ihre enge Verbindung zu dem Autor, das existenzialistische Pathos männlicher Bewährung & Haltung im Dschungel als fremd-lebensgefährliche Realität & Metapher für männliches Leben, das als das menschliche schlechthin angesehen wird. Auf  einer literarisch-geistigen Topografie wären Werner Herzogs drei Bücher – auf die er sehr stolz ist, weil er behauptete, dass sie sein umfangreiches kinematografisches Oeuvre überdauern würden – etwa zwischen dem Pessimismus Joseph Conrads & dem absurden Weltempfinden Albert Camus' zu lokalisieren.

Ihre hybride Mischung von Selbsterlebten & fiktiver Identifikation, von Dokumentarismus & Phantasma mit dem künstlerischen Ziel, eine »ekstatische Wahrheit« (Herzog) zu (er)finden, teilen diese literarischen Arbeiten mit den nicht-narrativen Essay-Filmen des Autors. Er hat mehrfach erklärt, dass er den realen Personen seiner »Dokumentarfilme« seine eigenen An-& Einsichten, Gedanken & Gefühle unterschoben hat.

D.h. entgegen dem ästhetischen Schein sind Herzogs Bücher wie Filme keine phänomenologischen Ab(zieh)bilder real existierender Personen oder Fakten, sondern poetische Versuche ihres Schöpfers, qua eigener Kunst & Phantasie, die von ihm erwählten, ihm aufgefallenen & von ihm bewunderten Personen als menschliche Solitäre sich - & damit uns – imaginativ vor Augen zu stellen: als außer-ordentliche Beispiele für die Souveränität menschlicher Aktivität: z.B. von den schamanistischen Höhlenmalereien bis etwa  zur »Großen Exstase des Bildschnitzers Steiner«.

Heroischer Wagemut oder unbeirrbarer Starrsinn: voilà un homme!

Über seine poetischen Freiheiten im Umgang mit dem Dokument des Vorliegenden (ob Person oder Faktum) hat Werner Herzog in seinen Werken selbst nie gesprochen. Weil er solche Verfügungsgewalt als Künstler für eine Selbstverständlichkeit hielt. Jetzt erst stellt er auf dem Vorsatzblatt des »Dämmern der Welt« fest: »Viele Details stimmen, viele stimmen nicht. Dem Autor kam es auf etwas anderes an, auf etwas Wesentliches, wie er es bei seiner Begegnung mit dem Protagonisten dieser Erzählung zu erkennen glaubte«.

Eine Erzählung vom Stoizismus militärischer Loyalität ist »Das Dämmern der Welt« gewiss auch - über die Tragödie Onodas hinaus, dreißig Jahre seines Lebens in Schmutz, Regen & Lebensgefahr verbracht, mehrere Menschen in dieser Zeit getötet zu haben, ohne zu erkennen, dass der militärische Auftrag zu diesem Robinson-Crusoe-Vegetieren längst, will sagen: zuletzt seit 29 Jahren hinfällig geworden war.

Werner Herzog interessiert sich als Erzähler nur für Onodas kleine Ewigkeit als Guerillero im feuchten Dschungel der philippinischen Kleininsel Lubang, auf der ein paar Reisbauern mit ihren Wasserbüffeln leben. Die Insel wurde von den US-Truppen kurzzeitig besetzt & wieder verlassen. Weder ihnen, noch den späteren einheimischen Soldaten & Polizisten wird es gelingen, den letzten versprengten Japaner, der im Lauf der Jahrzehnte zum Mythos eines Waldgeistes avanciert, der im unzugänglichen Dschungels haust, zu fangen oder gar zu töten.

Es bedurfte eines ebenso eigensinnigen japanischen »Verrückten«, um Onoda aus seiner Selbstverpflichtung zu erlösen, die längst zu einem Fluch ausgewachsen war. Es war der zweiundzwanzigjährige Suzuki, der sein Universitätsstudium abgebrochen hat, um drei Lebens-Ziele zu erreichen: den auch in seiner Heimat zum Mythos gewordenen versprengten letzten aktiven Soldaten der Kaiserlichen Armee auf den Philippinen, dann den »fellbedeckten Jeti« im Himalaya zu entdecken & schließlich einen chinesischen Pandabären in seinem Habitat zu finden. Bei seiner Jeti-Suche ist der junge Exzentriker tödlich verunglückt.

Onoda hat den tollkühnen Abenteurer gefangen genommen. Statt ihn zu erschießen lässt er sich auf die für den Soldaten unvorstellbare Wahrheit des verlorenen Kriegs ein, weil Suzuki verspricht, in Japan den Major ausfindig zu machen & ihn Onoda zuzuführen, um den Bann zu lösen, den dieser Vorgesetzte mit seinem Befehl 1944 über den jungen Soldaten in Lubang verhängt hatte. Erst als es Suzuki gelingt, sein Versprechen wortwörtlich einzulösen, fühlt sich der japanische Rip van Winkle im philippinischen Dschungel von seiner Kriegspflicht entbunden & bereit, an die vielfältigen Veränderungen in der Welt zu glauben & den Dschungel endgültig zu verlassen.

Denn bislang hatte er z.B. die Flugzeuge, die seine kleine Insel im Laufe der Jahre überquerten, zwar als US-Bomber, aber nicht auf dem Weg nach Korea oder Vietnam identifizieren können. Auch alle Versuche, ihn mit Flugblättern, hinterlassenen japanischen Zeitungen oder durch Lautsprecher-Aufrufe am Dschungelrand zur Aufgabe zu bewegen, hatte er, durchaus begreiflich, als raffinierte Feindpropagandatricks abgewiesen. Seine fundamentale Unkenntnis der zeitgleichen Weltläufte, stuften den japanischen Robinson Crusoe gewissermaßen auf eine Ignoranz-Stufe zurück, die der »Freitags« entsprach.

Andererseits glaubte Onoda beim intensiven Studium einer gefundenen japanischen Zeitung Rückschlüsse auf Nippons gewonnenen Krieg ziehen zu können - & zwar einzig aufgrund der Vielzahl von Automobilen, die auf dem Parkplatz vor einem berühmten Pferderennplatz versammelt waren. Es ist der entfremdete Blick des Dschungel-Eremiten auf die moderne Welt & deren rasanten technischen Veränderungen, der gewissermaßen als Surplus von Onodas exotischer Existenz im tropischen Feuchtgebiet aufscheint.

Die Erzählung gleicht der Outline eines Films, der bloß als imaginierte Phantasmagorie existiert. Herzog gliedert sie in zeitliche, lokalisierte Sequenzen. Wir Leser werden z.B. Zeugen eines seiner Überfälle, bei dem ein Wasserbüffel nicht nur getötet, sondern auch eiligst von einem der japanischen Soldaten auf dem Feld noch zerlegt wird, um Teile des Fleischs in den Dschungel zu schleppen & durch Räuchern haltbar zu machen, sondern wir erfahren auch, wie Onoda lernte, Kokosöl herzustellen. Mit ihm als Schutzmittel kann er in der feucht-schwülen Luft sowohl seine Patronen intakt halten als auch die Erosion seines privaten Samuraischwerts verhindern.

Der Erzähler Werner Herzog ist ein raffinierter Literat. «Das Dämmern der Welt« erzählt nicht einfach nach, was der Autor weitgehend sicherlich der Autobiographie seines Helden entnommen hat. So sehr das schmale Buch darauf basiert, so sehr verschleiert der Schriftsteller diese Quelle. Er inszeniert sich als alter-ego Onodas, mit dem er eine ganze Nacht lang gesprochen & dessen Vertrauen er gewonnen habe, weil der bayrische Dschungelkenner dem japanischen Dschungelbewohner Fragen habe stellen können wie kein anderer: zwei Dschungelkrieger auf Augenhöhe unter sich.  

Betrachtet man die literarische Erzählung als einen verbalen Film, so kann man sagen, dass Herzog mit dessen erster Einstellung den Ort der Handlung (»Lubang, ein Dschungelpfad«) beschwört. In stammelnder, halluzinatorischer Prosa entsteht eine auratische Erscheinung: «Die Nacht wälzt sich in Fieberträumen, und schon beim Erwachen, wie ein kaltes Frösteln, ist die Landschaft ein zum Tag verwandelter, statisch knisternder Traum, der nicht vergehen will, zuckend wie schlecht verkabelte Neonröhren zucken. Seit dem Morgen flackert der Urwald in den rituellen Qualen einer elektrischen Verzückung. Regen. Das Gewitter ist so weit entfernt, dass der Donner nicht zu hören ist. Ist es ein Traum. Ist es ein Traum. Ein breiter Pfad, links und rechts dichtes Unterholz, faulende Blätter auf dem Boden, das Laub tropft. Der Dschungel verharrt in Starre, in geduldiger Demut, bis das Hochamt des Regens zu Ende zelebriert ist«.

Etwas metaphorisch überinszeniert ist diese expressive, magische Dschungel-Kreation. Auf das »Hochamt des zelebrierten Regens«, wie auf die »schlecht verkabelten Neonröhren« hätte man gerne verzichten mögen.

Der zweite Absatz ist noch erstaunlicher: »Dann dieses, als wäre ich selbst dort: der Lärm von wirren Stimmen aus der Ferne; freudige Rufe kommen näher…« Es folgt eine kleine Bewegungsszene: eine Gruppe von Philippinos geht durch das Bild, (ist man versucht zu sagen). Allerdings ist der idyllische Moment im Dschungelpfad sogleich irritierend, weil eine der Personen etwas über ihren Kopf hält, »was einmal ein Regenschirm war, jetzt aber nur noch ein Gerippe aus Draht und zerrissenem Stoff« ist.

Kaum ist die kleine, aufgeregte Gruppe verschwunden & wieder Stille eingekehrt, suggeriert der Text durch eine veränderte Einstellungsgröße & indem er den Leserblick mit dem Blick des Erzählers identifiziert. Er fährt fort: »da, direkt vor mir bewegen sich einige der faulenden Blätter« & sehr langsam schält sich aus der Blätterwand die Gestalt eines Mannes hervor: »Was ich die ganze Zeit gesehen habe, aber nicht erkannte, obwohl direkt vor meinen Augen, ist ein japanischer Soldat«. Der perfekt getarnte Hiroo Onoda.

Nachdem der »entblätterte« Onoda den verschwundenen Dorfbewohnern hinterher gelaufen war, grübelt der Erzähler: »Vor mir ist noch immer der lehmige Pfad, jetzt aber neu, anders, dennoch derselbe, bloß erfüllt von Geheimnissen. War es ein Traum.« – wird das Geschehen  zum dritten Mal mit derselben Formulierung reflektiert: als Feststellung, ohne ein Fragezeichen. Der magische Moment, in dem Onoda vor dem Erzähler erscheint, gipfelt in der Verschmelzung von beiden: «Ich beginne, mit Onoda zu hören, dass das Summen der Insekten nicht aggressiv ist, nicht Aufruhr. Von ferne das Rauschen eines Bachs, obwohl ich noch keinen Bach gesehen habe, als würde ich die Geräusche wie Onoda zu übersetzen beginnen«. Wieder ist die Erklärung im letzten Nebensatz überflüssig, weil sie die poetische Lakonie zerstört, das Rauschen eines Bachs zu hören, ohne ihn gesehen zu haben.

Der innerste Kern der Erzählung ist der militärische Auftrag & was ihm rund 30 Jahre im Leben Hiroo Onodas auf Butang folgte. Dieser Erzählkern wird als Rückblende behandelt, die eingerahmt ist von Suzukis Auffindung des Einzelkämpfers & dessen Freisprechung durch den wiedergekehrten Vorgesetzten Onodas.

Wie die Geschichte vom einsamen Ausharren des Leutnants Onoda gegen die Weltveränderung ein kurzes Nachspiel hat, in dem von dessen Leben im Danach berichtet wird, so besitzt sie auch ein Vorspiel, ja fast könnte man sagen, dass es einer musikalischen Ouvertüre gleicht, in der Werner Herzog die Themen durchspielt, unter deren Auspizien er sein spätes Prosastück reflektiert & verstanden wissen will.

Dazu greift er anekdotisch 24 (!) Jahre zurück. Der Komponist Shigeaki Saegusa hatte ihn gedrängt, 1997 die Welturaufführung seiner Oper »Chushingura« zu inszenieren. Warum der japanische Musiker unbedingt den Filmregisseur von »Aguirre« oder «Fitzcarraldo« für seine Oper gewinnen wollte, versteht man sofort, wenn man deren Thema kennt. Es sei, schreibt Herzog, »die japanischste aller japanischen Geschichten«: Weil ein Fürst während einer rituellen Handlung von einem anderen zu einem Fehlverhalten provoziert wurde, sieht er sich gezwungen, rituellen Selbstmord zu begehen. Seine siebenvierzig Samurai rächen ihn zwei Jahre später, indem sie den Verursacher ihres zu Unrecht beleidigten Herrn überfallen & töten – im Bewusstsein, dafür selbst dem Tod verfallen zu sein. Noch am selben Tag begehen alle siebenundvierzig loyale Rächer zur Wiederherstellung der Ehre ihres Meisters rituellen Selbstmord.  

Aber nicht genug mit dieser Auszeichnung für Herzog, diese für Japan ähnlich bezeichnende mythische Geschichte wie für uns Goethes »Faust« aus der Taufe zu heben: der Kaiser hatte geäußert, auf einer Audienz diesen westlichen Regisseur kennen lernen zu wollen! Der konservative Komponist mit seiner Entourage ist zutiefst bewegt über diesen Gnadenerweis. »Um Himmels willen, ich weiß überhaupt nicht, was ich mit dem Kaiser anfangen könnte, das würde nur ein Austausch leerer formeller Floskel«, äußert Werner Herzog spontan - & begeht einen furchtbaren Fauxpas. Alle erstarren, die Stille ist zum Frösteln – bis jemand zu fragen wagt, wen Herzog denn sonst in Japan treffen wolle, wenn es nicht der einst göttliche Kaiser sein sollte? »Ohne zu denken, sagte ich: Onoda – Onoda? Onoda? – Ja, sagte ich, Hiroo Onoda. Eine Woche später traf ich ihn.«

Diese brillant evozierte Anekdote ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Natürlich war es das Erstrebenswerteste für einen konservativen Japaner, auch noch auf Wunsch des Kaisers, vor ihm erscheinen zu dürfen. Werner Herzogs offenherzige Bemerkung, dass er mit dem Kaiser »nichts anzufangen« wisse & nicht nach dem »leeren Austausch formeller Floskeln«  zumute sei, offenbarte der Tafelrunde um den stolzen Komponisten, dass der bayrische Regisseur noch nichts wirklich von der alt-japanischen Mentalität & der Rolle der rituellen Loyalität begriffen hatte, die »Chushingura« zum Thema hatte. Aber der in eine »Dummheit«  gestolperte Herzog gewinnt den Respekt zurück, indem er nach dem lebenden Beweisträger für alt-japanische (militärische) Loyalität verlangt: Hiroo Onoda.

Der junge Leutnant, der 29 Jahre nur auf sich gestellt im Dschungel Lubangs ausharrte & auf die Rückkehr der kaiserlichen Armee wartete, derem Oberbefehlshaber, dem gottgleichen Tenno, er seinen Eid geschworen hatte, war zu einer mythischen Figur geworden – wie aus einem ungeschrieben Roman Franz Kafkas.

Dass es ein Militär war, der dem Kaiser mit eiserner Disziplin die Treue hielt, wird im Laufe seines Kampfes mehrfach deutlich. So macht er sich z.B. Gedanken, ob sein guerillahaftes heimtückisches Verhalten mit den Ehrbegriffen der japanischen Kriegstradition vereinbar sei. Es beruhigt ihn, dass er das gleiche Verhalten auch bei Tieren & Pflanzen im Dschungel beobachtet, Überleben ist alles am zugewiesenen Platz. Und zwar als Soldat, wie verschlissen auch immer zuletzt seine Uniform sein sollte, die heute wie eine Reliquie in einem nationalen Heiligenschrein aufbewahrt wird - & Werner Herzog, in Begleitung Onodas, durfte sie in Händen halten.

So sehr die künstlerische Intention Werner Herzogs ist, im Schicksal des »vergessenen«, ausharrenden, im Labyrinth der Ehre versponnenen Soldaten sowohl einen eigenartigen Helden des Absurden (Lonely are the brave) als auch eine surrealistische Konfiguration aus dem Dämmerbereich der Welterfahrung vor unsere abenteuer-erhitzten & zugleich träumerisch-schweifenden Sinne zu stellen, so sehr könnte aber ein nüchterner, skeptischer Blick auf  Onodas einzigartigen Lebensweg die prekäre Kehrseite der Loyalität-ohne-Wenn&Aber als sturen »Kadavergehorsam« wahrnehmen & dabei erkennen, wie auch die fundamentalen Irrtümer des isolierten Dschungelkämpfers sich zu einer rational-schlüssigen Weltanschauung auszubilden fähig sind.

Wie im Märchen oder Mythos erlöst einzig die Wiederkehr des Zauberers den Bann: und wäre es nur ein uralt gewordener japanischer Major, der den ewigen Leutnant Onoda aus seinem 29jährigen Dschungelkrieg entläßt.

Artikel online seit 27.09.21
 

Werner Herzog
Das Dämmern der Welt
Hanser Verlag
127 Seiten
19,00 €
978-3-446-27155-5

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