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Zweimal folgenreich Zum Tod von Rolf Hochhuth
Von Wolfram Schütte |
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Wer je mit ihm beruflich zu tun hatte – in der Presse etwa -, wird nicht umhingekommen sein, über die »Penetranz dieser Nervensäge« (Anonymus) zu lästern. Wenn man ihm einen kleinen Finger gegeben hatte, nahm er gleich die ganze Hand & wollte sie nicht mehr hergeben. Er konnte deshalb schnell & nachhaltig lästig werden, weil er unerbittlich nur an seine jeweilige Empörung dachte & unerbittlich meinte, man sei verpflichtet, es ihm gleich zu tun. Dabei hatte er in den meisten Fällen moralisch & politisch durchaus Recht.
Rolf Hochhuth war sehr
eigen. Obwohl zu der Altersgruppe der Böll, Walser, Enzensberger & Grass
gehörend, die es als selbstverständliche Möglichkeit, wo nicht gar
staatsbürgerliche »Pflicht« eines bundesdeutschen Schriftstellers ansahen, sich
immer wieder öffentlich gesellschaftspolitisch zu äußern, besaß Rolf Hochhuth
nicht den Rückhalt eines unbezweifelt modernen literarischen Oeuvres.
Hochhuth war erst 1963 mit der West-Berliner Uraufführung seines »christlichen
Trauerspiels« in 5 Akten & in Jamben, »Der Stellvertreter«, auf einen Schlag
bekannt & bald darauf auch weltberühmt geworden. Der entschiedene Moralist Hochhuth - ein idealistischer Protestant im lutherischen Sinne des mythischen »Hier stehe ich & kann nicht anders« - triumphierte damals nachhaltig & folgenreich über die ästhetischen Mängel seines dramatischen Handwerks. Folgenreich auch für den fortan (welt-)berühmten deutschen Autor. Obwohl Hochhuth seiner vermeintlichen »theatralischen Sendung« (Goethe) im Laufe der folgenden Jahrzehnte vielfach frönte, konnte keines seiner späteren Dokumentar-Stücke, obwohl sie gesellschaftspolitisch virulente Themen der deutschen Gegenwart zur Diskussion stellten, jedoch noch einmal reüssieren. Gleichwohl hatte Hochhuths Satz vom »furchtbaren Juristen«, bezogen auf den CDU-Ministerpräsidenten & Ex-Marinerichter Hans Filbinger, in seiner Erzählung »Eine Liebe in Deutschland«(1978), noch einmal gesellschaftspolitische Folgen in der Bundesrepublik. Der buchstäblich gewissen-lose Widerstands-Tartüffe Filbinger, der gegen Hochhuth klagte, brachte sich langfristig selbst mit Lug & Trug um Kopf & Kragen, sprich: um sein Amt & sein Ansehen. Im Zusammenhang mit der »Filbinger-Affäre« wurde auch erstmals in der deutschen Öffentlichkeit kritisch über die bis dato als »untadelig« bezeichnete Wehrmacht & die aus ihr Desertierten diskutiert. Ähnlich folgenreich wie Rolf Hochhuth zweimal in seinem Leben war keiner seiner bundesdeutschen literarischen Kollegen.
Vergessen wir neben
vielem anderem auch Hochhuths trickreichen Versuch, das »Brecht«-Theater am
Schiffbauerdamm in seinen Besitz zu bringen, um in großer Selbstüberschätzung
dort seinen eigenen dramatischen Versuchen eine Bühne zu sichern. Nun ist der in Eschwege geborene Rolf Hochhuth nicht in seiner langjährigen Wahlheimat Basel, sondern in Berlin im Alter von 89 Jahren gestorben. Artikel online seit 14.05.20 |
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