Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 

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Erwiderung zur Rezension

»Der böse Walter Benjamin. Schatten einer Ehe«
über
Eva Weissweilers Biographie einer Beziehung
»
Das Echo Deiner Frage«. Dora und Walter Benjamin von Wolfgang Bock

Von Barbara Böttger
 

Hier hat sich offensichtlich ein Benjamin-Spezialist auf die Füße getreten gefühlt, dass es nur so quietscht. Ein Verriss sondergleichen, der jeglichen potenziellen Leser (einschließlich der feministisch orientierten Leserin) von der Lektüre des besprochenen Buches abhalten wird. Die vorgebliche Kennerschaft und extreme Detailversessenheit von Wolfgang Bock hinterlassen selbst bei prima facie interessierten Menschen den Eindruck, dieses „Machwerk“ sogar während der Corona-Lesezeit unbedingt zu vermeiden. Allerdings verstört der unterschwellige – und gerade deshalb deutliche – Antifeminismus des Rezensenten, den er auch durch das altväterliche Zugeständnis, die Autorin habe immerhin eine Lücke in der Benjamin-Forschung geschlossen, nicht verbergen kann. Erstaunlich nur, dass die 50köpfige Literaturkritik von ZDF, Deutschlandfunk Kultur und Die ZEIT anderer Meinung war und das Buch an die Spitze der Sachbuch-Bestenliste von Februar 2020 gesetzt hat. Hat Wolfgang Bock das Werk etwa nicht verstanden oder, was wahrscheinlicher ist, angesichts seiner Expertise nicht verstehen wollen?

Kriterium für eine sachgerechte Rezension sollte keinesfalls die emotionale und hochpolitische Anschauung des Schreibers über das Geschlechterverhältnis sein. Der Benjamin-Verehrer kann es offenbar nicht verkraften, das Objekt seiner Liebe durch eine angemessene Würdigung seiner Ehefrau irgendwie beschmutzt zu sehen. Er verkennt dabei, dass dies in keiner Weise geschieht. Denn der Autorin ging es mitnichten um eine Herabsetzung der Person oder gar des Werkes von Walter Benjamin. Es sollten auch nicht Dora Benjamins journalistische und schriftstellerische Hinterlassenschaften mit denen ihres Ehemanns verglichen werden. Die Intention von Eva Weissweiler ist eine ganz andere. Sie will endlich den bisher unsichtbaren Anteil von Dora am Leben ihres Gatten ins Licht der Öffentlichkeit holen. Ohne ihre finanziellen Zuschüsse, die tägliche Sorge um Mann und Kind und ihren stabilisierenden Einfluss – auch noch lange nach ihrer Scheidung – wäre er kaum zu seinen intellektuellen Höheflügen fähig gewesen. Das Buch will weniger die publizistischen Leistungen der Ehefrau als ihren Beitrag zum Leben Walter Benjamins darstellen. Und sie tut dies sowohl mit wissenschaftlicher Akribie, intensiven Recherchen vor Ort und einfühlsamen Gesprächen mit den Nachfahren des „Heros“, als auch mit einer erzählerischen Leichtigkeit, die einen nach anfänglicher Verwirrung wegen der vielen fremden Namen bald in das Leben dieser beiden faszinierenden Persönlichkeiten hineinzieht. Das ist die große Kunst von Eva Weissweiler, die sie schon in mehreren Biographien beispielsweise von Clara Schumann, Tussy und Eleanor Marx, Friedelind Wagner, Luise Straus-Ernst, Wilhelm Busch, Otto Klemperer sowie der Familie von Freud bewiesen hat. Lassen Sie sich also nicht abschrecken von Wolfgang Bocks vernichtender Kritik, sondern bilden sich selbst eine Meinung.

Artikel online seit 25.03.20
 

Eva Weissweiler
Das Echo deiner Frage
Dora und Walter Benjamin
Hoffmann&Campe
368 Seiten
24,00 €
978-3-455-00643-8

 


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