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Wider die Zurichtung eines Opfers Ist Julian Assange durch Promi-Anzeigen zu helfen?
Von Wolfram
Schütte |
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Man kann gewiß nicht sagen, dass Julian Assange, den »Wikileaks«-Gründer & Betreiber, von der westlichen Öffentlichkeit ganz & gar vergessen worden sei – seit er in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis wie ein Top-Drogenboss, Top-Mafiosi oder Top-Islamist bis zu seiner vorgesehenen Übergabe an die USA in Isolationshaft gehalten wird. Im Gegenteil: gerade berichten alle Medien über sein Schicksal & in einer Anzeige der FAZ, die von zahlreichen Prominenten unterzeichnet ist, wird seine Freilassung gefordert. Am vorläufigen Ende der mehrjährigen Odyssee des australischen Investigativjournalisten, der u.a. durch die Internetpublikation von Geheimdokumenten unzweifelhafte Kriegsverbrechen von US-Militärs welt-öffentlich gemacht hatte, droht ihm in den USA eine 175(!) jährige Haftstrafe.
D.h. die
Weltöffentlichkeit kennt den »Fall Assange«. Gäbe es den Schweizer »UNO-Sonderberichterstatter für Folter«, Nils Melzer, nicht, der sich eines Tages entschlossen hatte, den Hintergründen der »Causa Assange« nachzuforschen, wären diese nie erkannt worden. Und gäbe es die kürzlich gegründete Schweizer Netzzeitung »Die Republik« nicht, die den fünfzigjährigen juristischen Landsmann interviewt hat, wäre Melzer sein Wissen sowohl über den prekären Gesundheitszustand des Inhaftierten, als auch darüber, wie der Australier ungesetzlich verfolgt & seine Person in der Weltöffentlichkeit diskreditiert wurde, nicht los geworden. Denn der renommierte Völkerrechtler hatte seine privilegierten Erkenntnisse nach eigenen Aussagen in einem Artikel zusammengefasst, den er im vergangenen Jahr vergeblich renommierten Printmedien in den USA, Großbritannien & Australien zur Veröffentlichung angeboten hatte. Im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland war ihm Ende 2019 beschieden worden, man habe seinen Bericht nach wie vor nicht gelesen & »habe auch keine Zeit dazu«. Das ist erkennbar eine zynische Schutzbehauptung – wohl nachdem man in Berlin aus Melzers Recherchen erfahren hatte, wie Schweden, Ecuardor & Großbritannien wider alle eigene Gesetze & die allgemeinen Menschenrechte sich peinlicherweise zu willigen Helfershelfern der usamerikanischen Regierung gemacht hatten. Als sei willentliche Ignoranz nun ehrenhafter als die offen einbekannte unterlassene Hilfeleistung für den anderen Whistleblower, bei dem man sich ja geweigert hatte, Edward Snowden aus der »russischen Kälte« in deutsches Exil zu holen – obwohl er es doch war, der die illegale Permanenzüberwachung der Bundesregierung durch US-Dienste öffentlich bekannt gemacht hatte! So ehrenwert die von Günter Wallraff verantwortete FAZ-Anzeige »Julian Assange aus der Haft entlassen!« mitsamt ihren vielen prominenten Unterzeichner ist, so prekär erscheint mir diese Form des längst sowohl zur Protest-& Petitionsroutine als auch zur Nachhaltiglosigkeit bei den Adressaten gewordenen Form des zivilisiert geäußerten Widerstands. Speziell in diesem Fall, bei dem ja offensichtliche Rechtsbrüche mehrerer Staaten vorliegen & das komplette Versagen der mundialen Printpresse bin ich fast versucht, diese Routine der Prominentensammlung samt ihrer durch »Aussitzen«(Kohl) folgenden Erfolglosigkeit: obszön zu nennen. Und zwar deshalb, weil sie einerseits öffentlich simuliert, an herausgehobener, selbstfinanzierter Stelle »etwas getan« (& deshalb moralisch »ein gutes Gewissen«) zu haben - im hinlänglich erwiesenem Wissen, dass sich »die Macht« weder davon beeindrucken noch daran hindern lässt, zu tun, was sie vorhat. So haben die »mutigen« individuellen Petitenten das erhebende Gefühl »alles in ihrer Macht stehende« mit & in ihrem Namen für Assange getan zu haben & der untätige Untertan kann sich beruhigt zurücklehnen ob dieses offenkundigen Beweises unserer Meinungsfreiheit.
Der
UN-Sonderbotschafter fasst seine Erkenntnisse jedoch so zusammen: Wenn man aber das Interview aufmerksam & nachdenklich liest, wird man dem UN-Sonderberichterstatters zustimmen müssen, wenn für ihn die Causa Assange offenbart, dass hier »a murderous system is beeing created before our very eyes« (Ein mörderisches System vor unser aller Augen geschaffen wird). Petitionen von noch so prominenten Personen, will sagen: selbst der geballter Protest von Individuen, gar nur eines Landes, reichen nicht aus, dieser realer multistaatlichen Bedrohung wirkungsvoll öffentlich entgegen zu treten. Notwendig wäre eine international koordinierte Aktion von Verbänden & Institutionen, um gegen die Internationale der Assange-Verfolger auf- & anzutreten. Also z.B. der Internationale PEN, die Journalistenvereinigungen & die Mediengewerkschaften aller demokratischen Länder, die Internationale der seriösen Printmedien, die juristischen Fakultäten der Universitäten, die NGOs etc. Denn man muss darauf bestehen, in Julian Assange weder einen Narziss noch einen Nachfolger von Herostrat zu vermuten, der in der Antike das Weltwunder des Ephesos-Tempels nur ansteckte, damit die Menschheit seinen Namen nie vergessen werde (was ihm gelungen ist).
Aber man muss
auch verhindern, dass der Australier Assange gewissermaßen zum modernen
Prometheus wird, der als Halbgott in der Antike den Menschen das von Zeus
verweigerte Feuer brachte, obwohl durch Wikileaks ja auch Licht in die
(mörderischen) Geheimnisse der Staaten gefallen ist. Bekanntlicherweise hat
Göttervater Zeus dafür Prometheus an einen Felsen geschmiedet, wo ihm regelmäßig
ein Adler die immer wieder nachwachsende Leber frass. Die 175 Jahre, die Assange
in den USA drohen, dürften allerdings eine nicht wesentlich andere Strafe sein,
denn die US-Haftbedingungen
werden vom Uno-Sonderberichterstatter und von Amnesty International als
unmenschlich eingestuft.
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