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Metamorphosen der Vernichtung |
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»War, I despise, it means destruction to innocent lives.« (Edwin Starr)
Marter, Folter, Vergewaltigung und Genozid: Im Krieg wird jeder Schalterbeamter
zur Bestie. Der Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, führte nach eigenem
Ermessen ein ganz normales Familienleben. Er sei völlig normal, glaubte er von
sich selbst und sprach:
»Selbst
als ich die Ausrottung durchführte, führte ich ein normales Familienleben und so
weiter.«
Ein von dem französischen Historiker Bruno Cabanes herausgegebener Band zeichnet nun die Entwicklungslinien des Krieges seit den Zeiten Napoleons über die Kolonialkriege und die beiden Weltkriege bis in die heutige Zeit hinein nach und diskutiert die Metamorphosen der Kriegstechnologien, auf die die kriegführenden Staaten und die Politik in den letzten 200 Jahren zurückgegriffen haben: Die Schlachtfelder und Schützengräben von einst wichen den Guerillas, dem Terror und den Drohnen – Symbolinstrument für einen Krieg ohne Schlacht.
Das Themenspektrum des Bandes – militärhistorisches Werk und Kulturgeschichte
zugleich – ist breit gefächert: Propaganda und Kriegsrhetorik kommen ebenso zur
Sprache wie Kriegstheorien, Strategien und Taktiken. In einzelnen Artikeln geht
es um Rekrutierungsfragen, mögliche Laufbahnen oder den Korpsgeist, andere
Beiträge handeln von Rechtsfragen und ethischen Problemen, auch von der
Umweltzerstörung durch Kriegshandlungen. Feldpostbriefe oder Fragen der
Finanzierung des Kriegsgeschehens sind ebenfalls Themen.
Cabanes und seine Mitstreiter werfen ebenso einen Blick auf den Pazifismus und
die Friedensverhandlungen, die Kriegsliteratur und die Darstellung des Krieges
in der Kunst. Dominierend ist bei allen Themen allerdings der europäische Blick
auf die Geschichte des Krieges. So unterschiedlich die Themen also sind, so sehr
wird eine echte Perspektivenvielfalt vernachlässigt. Davon abgesehen ist das rund 900 Seiten starke Werk eine wahre Fundgrube an Informationen militär- und kulturgeschichtlicher Provenienz und passt zu den qualitativ hochwertigen Publikationen der Hamburger Edition (des Verlags des Hamburger Instituts für Sozialforschung), die sich insbesondere der Geschichte und Gegenwart der Gewalt in einer globalisierten Welt annimmt. 1994 von Jan Philipp Reemtsma mit dem Ziel gegründet, die Forschungsergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts über den akademischen Betrieb hinaus zugänglich zu machen, veröffentlicht der Verlag inzwischen auch zahlreiche Bücher, die über das Thema Gewalt hinausreichen. Cabanes´ facettenreiche »Geschichte des Krieges« zählt hierbei gewiss zu den herausragenden Publikationen der letzten Zeit. Einmal mehr wird deutlich, dass der Krieg jegliche Moral außer Kraft setzt und aus einfachen Menschen Monster macht.
Artikel online seit 20.11.20 |
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