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»Scheiß auf Gott ...
gehen wir auf Trip« |
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Es ist knapp 200 Jahre her, dass Thomas de Quincey mit seinen Bekenntnissen als Opiumesser (1821/22) die Öffentlichkeit schockierte. Bis dahin hatte noch niemand so offen über den Genuss der Droge berichtet. Ein halbes Jahrhundert später beschreibt Ambrose Bierce in seinem Wörterbuch des Teufels das Opium als eine aufgesperrte Tür im Kerker der Identität, die in einen Gefängnishof führe. Soll heißen: Der Versuch, die Grenzen des Geistes zu erweitern, wird rigoros bestraft. Dennoch ist der Konsum des Opiums und anderer Drogen ein immer wiederkehrendes Thema der (zumeist männlichen) Literatur: Zu den Schriften von Emerson, Rimbaud, Novalis, Walter Benjamin und Hans Fallada, Klaus Mann und Ernst Jünger, Huxley, Burroughs und Benn gehören Drogen und Rausch unweigerlich dazu. Kreativität, Bewusstseinserweiterung, freie Assoziation und Stilbruch – die Droge ist das Mittel zum Zweck. Die künstlichen Paradiese – Laudanum, Alkohol, Haschisch, Kokain, Meskalin, LSD, Psilocybin – sollen helfen, das Unbewusste zu erforschen, Traumschilderungen zu ermöglichen oder der Psychose experimentell auf den Grund zu gehen. Sehnsucht, Weltschmerz und Spleen sind die großen Themen der Drogenliteratur, aber auch die Schauerliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts ist nur im Kontext des Drogenkonsums wirklich verständlich. Auch das Licht taucht als Symbol der Erkenntnis (Gottes) im Zusammenhang der literarischen Auseinandersetzung des Drogenkonsums immer wieder auf, etwa bei Joyce, Huxley oder Melville: Der Dichter als Mystiker und Seher, der sich mit den ihn umgebenden Dingen vereint, eine Einheit bildet, wo zuvor nur eine räumliche Trennung von Objekten war. Mit all diesen Elementen spielt auch T.C. Boyles Roman „Das Licht“ über den Harvard-Professor Timothy Leary, der zu Beginn der 1960er Jahre mit LSD experimentierte und deshalb 1963 von der Universität verwiesen wurde. „Scheiß auf Gott ... gehen wir auf Trip“ lässt Boyle ihn am Ende des Romans ausrufen.
Leider vermisst man in Boyles neuem Werk die Leichtigkeit, den Humor, die
Ironie, die einige seiner besten Bücher auszeichnen (Wassermusik, World´s
End, Der Samurai von Savannah oder Ein Freund der Erde). Die
Protagonisten konsumieren reichlich LSD, trinken, kiffen, essen Pizza und Fisch,
vögeln mal hier, mal dort, und führen das Leben einer Hippiekommune – doch das
war´s auch schon. Denn viel mehr passiert nicht auf den knapp 400 Seiten und
zwischen den witzigen Buchdeckeln im psychedelischen Design. Es ist, ehrlich
gestanden, ein recht langatmiges, fast schon langweiliges Buch. Man wünscht sich
eine Handvoll Drogen, um sich wirklich darin verlieren zu können. |
T.C. Boyle |
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