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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Lehrstück in Briefen

Mit »Augustus« gelang John Williams ein Sittenbild von
beeindruckender Gegenwärtigkeit. Es zeigt den Autor
auf dem Höhepunkt seines Schaffens.

Von Herbert Debes

Beinahe über Nacht avancierte der amerikanische Autor John Williams mit seinem vor drei Jahren erstmals in deutscher Übersetzung erschienenen Roman »Stoner« zu einem Bestsellerautor. Die Geschichte über das unspektakuläre Leben des bescheidenen Literaturprofessors William Stoner an der University of Missouri berührt bis heute die Herzen seiner Leser, und die Literaturscouts der Verlage mußten sich fragen lassen, warum sie diesen Autor über Jahrzehnte offenbar übersehen hatten.

»John ist dafür berühmt, daß er nicht berühmt ist«, bemerkte sein Mentor Dan Wakefield bereits im Jahre 1986 und erklärte auch warum: »Er ist ein Hemingway ohne Gepolter, ein Fitzgerald ohne Firlefanz, ein Faulkner ohne Pomp«.

Sein nun in deutscher Übersetzung erschienener Roman »Augustus« wurde 1973 mit dem »National Book Award« für Belletristik ausgezeichnet und zeigt John Williams auf dem Höhepunkt seines schriftstellerischen Schaffens. In seinem konsequent als Briefroman konzipierten Werk folgt er formal der strengen Struktur eines klassischen Dramas. Er eröffnet mit einem Prolog, gefolgt von drei Büchern, und schließt mit einem Epilog. Williams erzählt darin den Werdegang von Octavius, dem erst neunzehnjährigen Großneffen und Adoptivsohn Julius Cäsars, der nach dessen Ermordung sein Erbe weiterführen soll, und dem es mit Glück, List, Intelligenz und Skrupellosigkeit gelingt, erst einen Bürgerkrieg abzuwenden und das riesige Römische Reich in eine Epoche des Wohlstands und Friedens zu führen, an dessen Spitze er schließlich als der erste römische Kaiser: Augustus Cäsar (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.) thront.

Auf seinem Weg zur Macht mußte Augustus vielen Intrigen und Angriffen seiner Gegner Cicero, Brutus, Cassius und Marcus Antonius widerstehen und dabei zwangsläufig seiner eigenen Natur zuwiderhandeln. Den von ihm selbst erlassenen Gesetzen, die Ehebruch unter Strafe stellten, gehorchend, ließ er in seinen späten Jahren sogar seine geliebte Tochter Julia auf die winzige Insel Pandateria ins Exil verbannen. Am Ende jedoch mußte sich selbst der große Augustus der Erkenntnis stellen: »Ich habe die Welt erobert, und nirgendwo ist man sicher; ich habe den Menschen die Freiheit gezeigt, und sie fliehen sie wie eine Krankheit; ich verachte jene, denen ich trauen kann, und liebe die am meisten, die mich am ehesten verraten würden.«

Dieses feinteilige Mosaik aus Briefen, Notizen und Senatsprotokollen, die historisch gesehen gar nicht existieren, verdichtet sich zu einem Sittenbild, dessen Gegenwärtigkeit beeindruckt. John Williams selbst erklärt das einleuchtend: »Ich hatte die Befürchtung, bei einer durchgängigen Erzählung würde das Ganze klingen wie ein historischer Film oder Roman. Und ich wollte diese historische Komponente nicht. Ich wollte, daß alles unmittelbar klingt. (...) Ich wollte, daß die Charaktere verständlich wurden, indem sie für sich selbst standen, ich wollte sie nicht erklären müssen. Ich wollte auch nicht den Blick des 20. Jahrhunderts auf römische Geschichte. In einem Briefroman werden die Figuren durch das, was sie sagen verständlich. Und diese provinzielle Vorstellung, daß wir heute so viel weiter wären - was für ein Unsinn.«

Und so arrangiert John Williams in »Augustus« einen Chor aus Stimmen, die uns überraschend vertraut sind, und der große Zeitsprung vom alten Rom nach dem »House of Cards« im Washington unserer Tage ist nur noch ein kleiner Schritt.

Artikel online seit 24.10.16
 

John Williams
Augustus
Roman
aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernhard Robben
DTV
480 Seiten
24,00 €
978-3-423-28089-1

Leseprobe
 


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