Home

Termine     Autoren     Literatur     Krimi     Quellen     Politik     Geschichte     Philosophie     Zeitkritik     Sachbuch     Bilderbuch     Filme





Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


Anzeige

Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

Ohne Versandkosten bestellen!
 



Eseleien

Trump-Folgen jenseits & diesseits des Atlantiks

Von Wolfram Schütte

 

Der »Perlentaucher« vom 2.2.17 berichtet, dass in der Columbia Journalism Review eine erste systematische medienwissenschaftliche Untersuchung zum Thema »Fake News« vorgelegt wurde. Die usamerikanischen Ergebnisse erstaunen den deutschen »Perlentaucher«: »Erstens ist das Publikum für Fake News klein verglichen zum Publikum realer Nachrichten - zehn mal so klein im Durchschnitt... Auch haben wir herausgefunden«, berichte die Columbia Journalism Review, »dass das Fake-News-Publikum nicht in einer Filterblase lebt. Besucher von Fake-News-Medien besuchten Medien mit realen Nachrichten genauso oft wie die Nutzer realer Nachrichten. Manchmal besuchten die Fake-News-Nutzer die realen News-Seiten sogar häufiger: Zum Beispiel besuchten 56 Prozent der Nutzer von Infowar im Oktober die New York Times, während nur 40 Prozent der Washington-Post-Nutzer dies taten.«

Rätselhaft, welchen Befund die US-Soziologen glauben, damit gefunden zu haben. Doch nicht etwa die beruhigende Ansicht, dass Fake-News-Nutzer allein deshalb nicht in einer wahre Fakten abweisenden Blase leben, weil sie ihre Welt der Einbildung auch verlassen. Und weil sie dazu häufiger als die Nutzer der Washington Post das tun, die New York Times ansteuern? Wäre die Erkenntnis aus solche Statistiken nicht erst wirklich eine, wenn man erführe, wieviel Prozent der Nutzer der NYT oder der Washington Post auch noch bei Infowar sich (un)kundig gemacht haben?

Wie ja überhaupt das massenhafte Auftreten von Falschnachrichten von jeher ein subversives Mittel totalitärer Macht war & ist. In »alten« bzw. »fortgeschrittenen liberalen Demokratien« wurde dem Wähler auch »das Blaue vom Himmel versprochen« oder der politische Gegner »in der Hitze des Gefechts« (oder auch mit kühlem Kopf aus Kalkül) verunglimpft. Dergleichen wurde als »lässliche Sünde« im sogenannten »Wahlkampf« gewissermaßen zeitweise »erlaubt«.

Nachdem der damit traktierte Wähler jedoch seine Wahl getroffen hatte, wurde von den Gewählten erwartet, dass sie mit Übernahme der Regierungsgeschäfte »zur Tagesordnung« übergingen & sich um ihr »dummes Geschwätz von gestern« (im Wahlkampf) nicht mehr viel scheerten - weil die überwiegende Mehrzahl aller Beteiligten wusste, dass dergleichen Versprechungen & Böswilligkeiten nur der Karnevalistik des Wahlkampfs geschuldet & »nicht ernst zu nehmen« waren.

Es ist dieser (humoristische) Spielcharakter & die konstitutionelle Ironie des demokratischen Prozesses, der den Fundamentalisten aller Couleurs ebenso wie den autokratischen Populisten ein, wenn nicht sogar der Dorn im Auge ihrer Machtergreifung ist. Als erstes müssen sie ihn ziehen, um dann zum »Ernst der Lage« zu kommen, der weder Humor noch Ironie erlaubt (vulgo: duldet).

Das Erstaunen diesseits & jenseits des Atlantiks in der politischen Publizistik über die ersten dekretierten Taten Donald Trumps offenbart es negativo, dass keiner der von ihm nun Düpierten Donald Trumps triumphalen Durchmarsch zur Macht geahnt hatte; oder heute immer noch nicht begriffen hat, dass hier ein autistischer Antipolitiker aufgetreten ist, der alle professionellen Politiker mit der Gloriole seiner Permanenten Revolution von Tabubrüchen mit seiner purer Wut & Wucht »an die Wand gespielt hat«.

In vordemokratischen Zeiten hätte er sie, nach seiner mitleidlosen Inaugurationsrede, »an die Wand gestellt«. In Putins Russland wird das entweder von willfähriger Justiz nach präsidialem Drehbuch geregelt; oder auf offener Straße mafiotisch erledigt. In Erdogans Türkei arbeitet der Machtergreifer mit sozialer Depravierung & politischer Isolation oder der totalen Kafkaisierung des öffentlichen & justiziabilen Sektors. Jedes Mal sind es strukturell ähnliche Varianten, um den bloßen (An)Schein der (de facto liquidierten) Demokratie zu wahren. In den Herrschaftsbereichen der heutigen Großen Brüder im gleichen Geiste wird Orwells Newspeak auf die Höhe unserer Zeit gebracht - 30 Jahre nach 1984, dem fiktiven Datum des hellsichtigen dystopischen Romans, der  bereits 1949 erschienen ist.

Während in der USA von seriösen Philosophen, Soziologen, Historikern & Medienwissenschaftlern über Trumps präsidentiale Handlungsweisen & persönliches Auftreten z.B. im Vergleich zu Hitlers oder Mussolinis faschistischer Machtübernahme diskutiert wird, echauffiert sich die bundesdeutsche politische Publizistik über die polemische Karikatur, mit der der jüngste »Spiegel« aufgemacht hat. Sie stammt von einem vor Castros Inselherrschaft in die USA geflüchteten Kubaner & zeigt eine triumphalistische Trump-Figur, die in der erhobenen Linken eine Machete hält & in der Rechten den abgeschnittenen, bluttriefenden Kopf der Freiheitsstatue.

Schon soll sich der deutsche »Presserat« darum kümmern (weil der karikierte US-Präsident damit in die Nähe des Islamischen Staats gebracht werde) & die »taz« ist sogar darüber besorgt, dass der »Spiegel« zu früh den Teufel an die Wand gemalt habe, ohne noch erst weitere, schlimmere seiner Teufeleien abzuwarten. 

Die deutschen politischen Redakteure sind alle ängstliche Hippologen, die meinen, dass ein Trojanisches Pferd keine großen Sprünge macht & Tritte austeilt, solange man es als Pferdeflüsterer pfleglich behandelt. Diese Esel!

Artikel online seit 10.02.17
 

 

 


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik
Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik    Filme   Impressum - Mediadaten