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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Mutiger Griff zum heißen Eisen

Samuel Schirmbecks Philippika »Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen«

Von Wolfram Schütte

 

Der 1941 geborene Journalist Samuel Schirmbeck nennt die 285 Seiten seiner aktuellen Philippika »Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen«. Darin versucht er, aus unterschiedlichen Blickwinkeln & mit verschiedenartigen journalistischen Mitteln zu begründen, »warum wir eine selbstbewusste Islamkritik brauchen« (Untertitel).

Wer wollte bezweifeln, dass der Autor  ein heißes Eisen aufgegriffen hat? Ob dieses Faktum damit auch  zu tun hat, dass Schirmbeck keinen seriösen deutschen Verlag gefunden & sein Buch deshalb in dem zwar historisch angesehenen, aber auch heute etwas abgelegenen Schweizer Orell Füssli Verlag publiziert hat?

Wie »heiß« das Eisen ist, merke ich jetzt auch selbst. Die Gefahr, sich bei der rezensierenden Beschäftigung mit Schirmbecks Buch die Finger zu verbrennen, scheint deshalb groß, weil der Autor ein bundesdeutsches  Tabu bricht. Es lautet, der  sogenannte »Islamismus« habe mit dem »wahren« Islam nichts zu tun & der Islam als Religion  sei »eine wie jede andere« auch. Unter uns Linken & Liberalen gelten diese Ansichten, die auch von deutschen Islamverbänden vertreten werden, »alternativlos« als wahr. Stimmt das aber wirklich?

Wie heiß das Eisen politisch ist, offenbarte z.B.  gerade erst wieder die türkische Regierung. Sie drohte sogar mit einem »Glaubenskrieg in Europa« – nachdem sie europäische Länder wie Deutschland & die Niederlande »faschistischer Methoden« zieh. Diese hatten ängstlich, zögerlich & widersprüchlich in Deutschland oder kategorisch in den Niederlanden  ausgeschlossen, dass türkische Minister es für selbstverständlich hielten – wie schon in den vergangenen Jahren –, auf fremden staatlichen Hoheitsgebieten vor jubeltürkischen Anhängern diesmal für die endgültige Liquidation der laizistisch-demokratischen türkischen Verfassung zu werben.

Wider seine eigene staatliche Souveränität hat der »ratlose Westen« das triste chauvinistische Treiben & politische Hetzen Erdogans in den vergangenen Jahren tatenlos geduldet; und selbst nachdem bekannt geworden war, dass von der Türkei exportierte Imame in deutschen muslimischen Gemeinden als denunziatorische Informanten für den türkischen Geheimdienst tätig geworden waren, ist die deutsche Regierung nicht entsprechend gegen diese offenkundige Tätigkeit eine Fünften Kolonne auf ihrem Territorium vorgegangen.

Die EU wiederum unternimmt keine gemeinsamen juristisch-politischen Schritte, derartige offene Ein- & Zugriffe der Türkei in die EU-Souveränität generell zu verbieten. Sie huldigt dem Sankt-Florian-Prinzip, während Erdogans AKP glaubt, mit wahrheitswidrigen, »respektlosen« politischen Kollektivbeleidigungen ihren (Hitler abgeschauten) Eilmarsch aus der Demokratie in die Diktatur als Opfergang in Notwehr inszenieren zu können. Das erinnert an die freche Schamlosigkeit eines tätigen Diebs, der von seiner Handlungsweise abzulenken versucht, indem er sie jenen lauthals zuschreibt, die sich seiner Übergriffe zu widersetzen versuchen.

Obwohl diese jüngsten türkischen Turbulenzen in & mit Europa »nur« politisch, machtlogistisch bedingt scheinen, kann man doch dabei die islamische Begleitmusik nicht überhören. Und zwar nicht etwa, weil man als laizistisch-republikanischer Europäer aus ideologischem Misstrauen meint, überall das Gras des Islams wachsen zu hören. Sondern weil Erdogan & seine AKP bei ihrem Marsch durch die laizistischen Institutionen die religiöse Trommel rühren & sogar – wie kürzlich geschehen – damit drohen.

Samuel Schirmbecks polemisches Wort vom »islamischen Kreuzzug« bezog sich keineswegs auf diese jüngsten holzhackerischen Capricen Erdogans, offenbart jedoch auch, dass der ehemalige Maghreb-Korrespondent der ARD nicht übers Ziel hinausschießt, wenn er einer »selbstbewussten Islamkritik« das Wort redet. Unter »Islamismus« versteht man bei uns eine salafistisch-wahabitisch-fundamentalistische »Lesart« des Korans &  dessen radikale Umsetzung in der Scharia oder den damit begründeten terroristischen Dschihadismus. Damit haben aber die türkisch/europäischen Turbulenzen nichts zu tun – sondern mit dem politisch instrumentalisierten identitären Islam.

Die innerislamische Kritik im Maghreb

Und es ist auch keine Verleumdung, wenn man weltweit konstatieren muss, dass der Islam (welcher Art auch immer) dort, wo er sich mit Staatsformen (welcher Art auch immer)  verbindet, das Ensemble der Menschenrechte & die (säkulare) Demokratie eine prekäre Existenz fristen, wenn nicht gar inexistent sind. Das gleiche mag für alle homogen-religiös imprägnierte Regime (wie z. B. das Reconquista-Spanien) in der Vergangenheit gegolten haben (& für chauvinistisch-nationalistische ohnehin); aber heute gibt es von dieser religiös unterfütterten Spezies nur noch islamische Staaten & solche, die davon bedroht oder auf dem politischen Weg  dorthin sind (wie die Türkei).

Der linksliberale Schirmbeck, der von Algier aus in den Neunziger Jahren die ARD-Berichterstattung im Maghreb aufgebaut  & nach seiner Rückkehr weiterhin für das deutsche Fernsehen über die Entwicklungen des Islam berichtet hat,  gewann seine Kenntnisse  & Ansichten aus erster Hand. Denn er war (oft als einziger kontinuierlich berichtender westlicher Korrespondent) gerade in jenen Jahren in Algerien, als das nordafrikanische Land nach seiner Unabhängigkeit in einen mörderischen Bürgerkrieg eintrat. Die säkularistische FLN unterdrückte mit der Waffengewalt ihrer Armee den absehbaren Wahlerfolg der  »Islamischen Heilsfront« (FIS). Der darauf folgende bestialische Bürgerkrieg, der bis zu seinem Ende (1999) mehr als 120.000 Opfer forderte, hatte zur Folge, dass zwar der FIS verboten, aber die algerische Gesellschaft & ihre Justiz dennoch stark islamisiert wurden.

Es ist diese hautnahe persönliche wie journalistische Erfahrung, die Samuel Schirmbecks Wahrnehmung der schleichenden Islamisierung in Algerien oder seine Berichterstattung über Marokko oder Tunesien prägte. Während des auch persönlich lebensgefährlichen Aufenthalts im Maghreb hat der ARD-Journalist zahlreiche Freunde & Kollegen als Opfer des islamischen Terrors verloren; aber hat auch verfolgt, mit was für einem persönlichen Mut & mit welcher Ausdauer einzelne Männer & Frauen in der muslimischen Welt & Gesellschaft rund um das Mittelmer sich kritisch über den Islam geäußert haben.

So gut wie keiner dieser selbstkritischen Theologen, Philosophen, Psychologen oder Schriftsteller (darunter auch Muslima), spielt in unseren deutschen Diskussionen eine Rolle. Ich denke da z.B. an den  Psychoanalytiker & Islamforscher Fehti Benslama  Der in Paris lehrende Tunesier gehört  zu den mehr als 2000 muslimischen Unterzeichnern des »Manifest des libertés« (2004), von dem man hierzulande auch keine Notiz genommen hat (obwohl das Manifest unsere liberale Gesellschaftsordnung zum Maßstab nimmt).

Benslama hat in seinem Buch »Nicht-Unterwerfungserklärung zum Gebrauch für Muslime und jene, die es nicht sind«  (2011)  sich gegen die 57 islamischen Staaten erklärt, die sich 1969 zur »Islamischen Konferenz« zusammengeschlossen hatten. In deren »Erklärung der Menschenrechte im Islam« sieht er zurecht eine einschränkende Revision der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte«, die 1948 von der UNO verabschiedet wurde.

Fehti Benslama kritisiert diese islamistische Revision, weil sie »auf dem theologischen Gesetz des Islam (Scharia) gründet, d.h. sie perpetuiert, neben anderen abscheulichen Klauseln, die rechtliche Ungleichheit von Männern und Frauen«. Die »Erklärung der Menschenrechte im Islam« behauptet weiterhin in ihrer Präambel, dass der Islam »die natürliche Religion« sei, das meint, dass jeder Mensch als Muslim geboren werde, aber Jude, Christ usw. erst danach würde.

»Also komme man uns nicht mit Geschichten eines angeblich gemäßigten und mäßigenden Staatsislams, er ist selbst einer der Lieferanten des Islamismus,« schreibt der Tunesier & fährt dann fort: »Was die Islamische Weltliga betrifft, so vereinigt sie Theologen, die behaupten, eine theologische Autorität für alle Muslime zu sein. Ihr Generalsekretär hat (…) in einer Erklärung (…) bekräftigt, dass >die Demokratie und der Pluralismus westliche Begriffe sind, die theoretisch und praktisch abzulehnen sind<. Sitz dieser Liga der Antidemokraten ist Mekka, finanziert wird sie von Saudi-Arabien«.

Islamkritische Argumente wie diese wurden & werden in der muslimischen Welt (nicht nur des Maghreb) häufiger geäußert & offensiv vertreten, als den hiesigen Islamverbänden lieb ist. Allerdings sind nicht wenige dieser muslimischen Islamkritiker Opfer von Attentaten geworden – bevor die Dschihadisten über ihre Mitgläubigen hinaus unter »westlichen Ungläubigen« in Europa terroristisch zu wüten begannen.

Die zwei Motivationsquellen des Samuel Schirmbeck

Schirmbecks Motivation,  mit seinem Buch öffentlich hervorzutreten, hat zwei Quellen. Zum einen sowohl die jahrzehntelange Zeugenschaft der schleichenden Islamisierung Algeriens, als auch des vielfachen geistigen Widerstands einzelner muslimischer Islamkritiker, deren mutige Verteidigung aufklärerischen Denkens er in Europa & erst recht nicht in Deutschland gewürdigt sah. Zum anderen aber ist es Schirmbecks  jahrelange demütigende persönliche Erfahrungen im deutschen links-liberalen Freundeskreis, wenn er von seinen maghrebinischen Erfahrungen & Erkenntnissen über den Islam sprach. Flugs wurde er dann als »islamophober Rassist« beschimpft, der ins Pegida- & AfD-Horn blase. 

Denn zu den  »nachhaltigen« Folgen einer »alternativlosen« Politik gehörte bislang, dass man eine selbstreflexive Korrektur eigener politischer Naivitäten oder Ignoranzen  tabuisierte.

Das Herausragende von Schirmbecks »Islamischen Kreuzzug« besteht darin, dass er als Linksliberaler eben diese Kritik des Islam leistet & sich dabei von allen jenen innerislamischen muslimischen Kritikern leiten lässt. Einer von ihnen ist der algerische Schriftsteller Boualem Sansal. Er hat 2011 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten & erklärt zu Schirmbecks Buch: »Die Islamisten haben die absolute Waffe gefunden: den Vorwurf der Islamophobie. Wenn wir uns dagegen nicht wehren,…werden wir wie stumme Schafe, die man ins Schlachthaus führt. Deshalb sollte dieses Buch gelesen werden«.

Allerdings haben die persönlichen Traumata des deutschen Autors das Buch, seine Zusammenstellung & seinen Stil tief geprägt. Ohne es zu ahnen rutscht Schirmbeck aus Empörung & Angst in zwei aus der Antike sprichwörtlich gewordene Rollen: in die des älteren Cato, der durch seine stereotype Floskel »ceterum censeo carthaginem esse delendam« ebenso berühmt wie berüchtigt wurde; & in die Rolle einer (männlichen) Kassandra, die vor dem »Trojanischen Pferd« des Koran  warnt.

Will sagen: gebetsmühlenhaft wiederholt Schirmbeck jene gesellschaftlichen Gruppierungen, gegen die er ironisch, wütend & gelegentlich schrill anschreibt: »Linke, Grüne, Sozialdemokraten. Alt-68er & Teile der CDU«; und er benutzt in mäandrierender Ausführlichkeit jede seiner privaten oder beruflichen Erfahrungen mit dem Islam, um das Tremolo seiner immer gleichen Warnungen anzustimmen. Beide literarisch-rhetorischen Verfahren sind jedoch geeignet, durch ihre Penetranz auch dem Gutwilligen auf die Nerven zu gehen.

Schirmbeck hat alle deutschen Versäumnisse, Fehler oder Dummheiten der letzten Jahre, wie sie ihm erscheinen, gesammelt – ob von Politikern oder Journalisten-Kollegen. Er ruft sie alle auf, zitiert sie vor seinen Richtertisch & spricht in jedem Fall sein begründetes Urteil. Er macht dabei auch nicht vor Bundeskanzlerin Merkel oder Papst Franziskus halt, wenn er beide dabei ertappt, sich mit Unsinn vor einer klaren Stellungnahme zu drücken.

Vornehmlich bezieht sich der »Richter« Schirmbeck in seinen Urteilsbegründungen auf eine Vielzahl innerislamischer Kritiker aus dem Maghreb oder Frankreich (z.B. auf den ehemaligen Groß-Mufti von Marseille). Es wäre jedoch für den Autor, sein geistig-politisches Ziel & seine potentiellen Leser besser gewesen, wenn Schirmbeck so etwas wie ein »Schwarzbuch« aus den triftigsten Texten der von ihm immer wieder zitierten muslimischen Islam-Kritikern übersetzt & zusammengestellt hätte.

Die  Zeugen, die der frankophone Autor  in verwirrender Fülle parat hat, sind für ihn Gewährsleute, denen man »Islamophobie« nicht unterstellen kann – es sei denn, mit dieser Pauschalisierung sollte jede radikale Islam-Kritik oder dessen generelle Ablehnung als Religion, wenn nicht gar der Atheismus verbal desavouiert werden – um sie zu neutralisieren & den, der sie äußert, als »Beleidiger des Islam« zu inkriminieren.

Höchste Alarmstufe  für Demokratie, Toleranz & Laizität

Sobald dergleichen als »Argument« in den nicht-muslimischen Gesellschaften Europas auftaucht – und Schirmbeck führt genug Fälle an, in denen mehr oder minder offen solche »Rücksichten« auf  Muslime empfohlen oder sogar de facto genommen wurden -, ist Gefahr im Verzug«. Da sind die gegen die Ansprüche der christlichen Religionen  von der europäischen Aufklärung historisch erkämpften laizistischen Gesellschaftsverträge & -verfassungen in Gefahr, von einer unter dem camouflierenden Deckmantel der religiösen Toleranz auftretenden & als minoritäre Gemeinschaft auf gesellschaftlichen Schutz spekulierenden islamischen Religionsgemeinschaft außer  Kraft gesetzt zu werden. In deren Windschatten erhoffen sich auch die christlichen Religionen eine Renaissance des Religiösen & sind deshalb naturgemäß »Verbündete« der islamischen symbolischen Besetzung des öffentlichen Raums. 

Mit Ajatollah Chomeinis mordlüsterner Fatwa  gegen Salman  Rushdie wegen seines Romans » Die Satanischen Verse« (1989) fing dieser »Kreuzzug des Islam« gegen »den Westen« an. Schon damals hatte ein dafür »Verständnis« äußernder, jedoch Voltaire, Kant oder Feuerbach ignorierender Teil westlicher, vornehmlich linker Intelligenz, die ihm selbstverständliche gesellschaftliche Garantie der öffentlichen Meinungsäußerung preisgegeben: zugunsten der moralischen Parteinahme für eine diktatorische, mörderische, a-rationale Ideologie, die von sich selbst behauptete, die weltweit »einzig seligmachende« Religion zu sein.

Zwar behauptet jede Religion einen eigenen, privilegierten Weg zum göttlichen Zentrum ihres Glaubens; aber nur der Islam – als letzte & jüngste der monotheistischen Religionen des Vorderen Orients - , beansprucht eo ipso die ursprünglich-einzigartige natürliche Religion zu  sein, wohingegen Juden- & Christentum nur als unvollkommene Vorläufer & deren Anhänger als »Ungläubige« allenfalls geduldet, wenn nicht – insbesondere, wenn es Frauen sind - verachtet werden. (Die vergleichsweise »große Zeit« des Islam, der u.v.a. die griechische Philosophie adaptierte, die das zeitgleiche Christentum als »heidnische Irrlehren« verfolgte, währte vom 10. bis 15. Jahrhundert.)

Deshalb steht im Zentrum von Schirmbecks Islamkritik vor allem die Dichotomie von »Gläubigen & Ungläubigen«. Sie gehört zum »verfluchten Teil des Islam«, wie der marokkanische  Journalist Ahmed  Tourabi jene Momente der Gewalt, Intoleranz & Frauenfeindlichkeit bezeichnete, die dem Islam ab ovo inhärent sind. Die mutigsten der darunter leidenden & dagegen opponierenden Muslime im Maghreb  setzen ihre Hoffnung auf ihre in Europa lebenden Glaubensbrüder, von denen sie Hilfe in ihrem Befreiungskampf  gegen die islamtheologische Orthodoxie erwarten. Die europäischen Muslime wären, dank der liberal-demokratischen Gesellschaft, in der sie leben, in der Lage, mit dem totalitär-reaktionären Spuk einer orthodoxen  islamischen Theologie zu brechen, die zur wiederholten Brutstätte der Dschihad-Barbarei geworden ist - & sogar auch den gelebten Humanismus der überwiegenden Mehrzahl der Muslime weltweit unterminiert & desavouiert.

Im Fokus von Schirmbecks konkreter Islamkritik stehen deshalb besonders die deutschen Islamverbände – umso mehr, als sie (wie sich jetzt überdeutlich zeigte) die Interessen des sunnitischen Erdogan oder den Wahhabismus der saudischen Moscheen-Exporteure vertreten & befördern.

Samuel Schirmbecks Philippika ist trotz ihrer erwähnten literarischen Mängel ein entschiedener Weckruf. Er ruft ins allgemeine europäische Gedächtnis, wofür jahrhundertelang die Aufklärung wider die beengende, niederdrückende Macht des Obskurantismus, der im Zusammenspiel von Kirche & Staat besonders verheerend glühte, gekämpft  & was sie unter großen Opfern als unveräußerliche Menschenrechte damals erkämpft hatte. Mit Kants Worten: »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung«.

Es ist diese Kantianische Grundlage (& der sich daraus ergebenden demokratisch-pluralistisch-toleranten Verfassungen Europas), welche der Autor um kein Jota preisgegeben oder relativiert sehen möchte: weder von einem islamisch imprägnierten muslimischen Anspruch & dessen gleichgültiger öffentlicher Duldung, noch vom fremdenfeindlichem nationalistischem Autoritarismus. 

Es sieht augenblicklich ganz so aus, als würden auch viele, gegen deren bisheriges »Laissez faire laissez aller« Samuel Schirmbeck weiträumig & -läufig argumentiert, im Laufe der Zeit zum Wahlspruch & zum Denken, bzw. Handeln der klassischen europäischen Aufklärung zurückkehren. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen - & lass dich dabei von keinem Glauben & keinem, der sich als Gläubiger aufspielt, einschüchtern!

Artikel online seit 24.04.17

 

Samuel Schirmbeck
Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen
Warum wir eine selbstbewußte Islamkritik brauchen
Orell Füssli Verlag, Zürich 2016
285 Seiten
19.95 €

 


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