Dem
israelischen Historiker Yuval Noah Harari ist bereits mit dem in 40
Sprachen übersetzten Buch »Eine kurze Geschichte der Menschheit« ein
Weltbestseller gelungen. Nun hat er aller Voraussicht nach mit »Homo
Deus. Eine Geschichte von morgen« einen zweiten geschrieben, denn
Harari weiß das Bedürfnis der Leser nach einer Draufsicht aufs Ganze
und nicht nur auf einen Aspekt, im Plauderton geschrieben,
hervorragend zu befriedigen. Und ja, es ist intelligent,
scharfsinnig und manchmal sogar überraschend witzig, wie die
durchweg begeisterten Kritiker auf der ganzen Welt ihm attestieren,
denn er eröffnet einen ganz anderen Blick auf Geschichte, und er
wagt nun sogar einen Ausflug in die Zukunft.
Hararis Prämissen sind die drei Hauptfeinde der Menschheit, Hunger,
Krieg und Seuchen. Die seien nun überwunden und das belegt er mit
Zahlen, denen zufolge mehr Menschen Selbstmord begehen als von
Soldaten, Terroristen und Kriminellen umgebracht zu werden. Für den
Durchschnittsmenschen stellt Coca-Cola oder Zucker »eine weitaus
größere Gefahr dar als al-Qaida«. Zwischen 1692 und 1694
beispielsweise, also in nur zwei Jahren, verhungerten in Frankreich
ca. 2,8 Millionen Menschen, also rund 15 % der Bevölkerung, heute
hingegen gibt es »keine ›natürlichen‹ Hungersnöte mehr auf dieser
Welt, sondern nur politische«. An dem überall gefürchteten SARS
starben weltweit keine 1000 Personen, während im Mittelalter die
Pest die Weltbevölkerung um 75 bis 200 Millionen Menschen
dezimierte.
Nachdem der Mensch seine Hauptfeinde besiegt hat, steht nun der
Kampf gegen den Tod, das Streben nach Glück und nach einer
gottähnlichen Existenz auf der Agenda des Menschen. Der Tod ist für
die moderne Wissenschaft laut Harari nur »ein technisches Problem«,
und wir befinden uns bereits auf dem Weg dorthin, denn die Menschen
werden immer älter. Das vollkommene Glück hingegen hat seine Tücken,
denn das Erreichen dieses Zustandes bedeutet Antriebslosigkeit, das
genaue Gegenteil dessen, was man benötigt, um Gott werden zu können,
eine irgendwie ganz anders geartete Existenz, die durch Algorithmen
und freien Datenfluss möglich werden soll. Zwar soll man Hararis
Szenarien nicht als Prognosen verstehen, sondern als Möglichkeiten,
aber dennoch wird deutlich, dass er dieser Entwicklung gerne freien
Lauf lassen würde. »Warum wuchsen die USA schneller als die UdSSR?
Weil die Information in den USA freier floss.« Die Menschen können
schon lange nicht mehr die ungeheuren Datenströme bewältigen und
werden davon auch nicht klug, weshalb man die Datenverarbeitung den
Algorithmen überlassen sollte, die alles auf »natürliche Weise«
regeln. An dieser Stelle erweist er sich als Anhänger von Airbnb und
Uber, die auf dem Weg zu Gott jede Menge Existenzen zerstören
werden, weshalb dieses Streben danach vor allem eins ist, ein
Prozess, an dem nur eine Elite wird teilhaben können, und gegenüber
diesem Prozess werden sich sämtliche vergangenen Epidemien,
Hungersnöte und Kriege vermutlich harmlos ausnehmen.
Artikel
online seit 02.05.17
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Yuval Noah Harari
Homo Deus
Eine
Geschichte von Morgen
Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Wirthensohn
C.H. Beck
576 Seiten mit 57 teils farbigen Abbildungen. Gebunden
24,95
978-3-406-70401-7
Leseprobe
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