Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik |
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Szenen einer Ehe Jonathan Safran Foer hat in seinem dritten Werk »Hier bin ich«,einen zähen knapp siebenhundert Seiten langen Scheidungsroman geschrieben. Von Jörn Birkholz |
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Die Eheleute Julia und Jacob Bloch haben sich auseinandergelebt und wollen sich trennen. »Sie nahmen das Wort Scheidung nicht in den Mund. Er wollte nicht, dass sich das Wort materialisierte.« Doch wie gelingt dies, ohne sich selbst und die Kinder (Benjy, Max und Sam) nicht darunter leiden zu lassen? Zudem soll Sam – der älteste der drei Söhne – bald seine Mannwerdung, seine Bar Mizwa feiern, und der ist davon alles andere als angetan. »Ich wollte definitiv keine Bar Mizwa, nicht die Spur, nicht ein klitzekleines bisschen (…) Wenn ich bedenke, dass ich nullkommanull Interesse an der Tora habe, wäre es wohl besser gewesen, ihnen (den Eltern) einen Jungen zu geben, der sich für jüdischen Scheiß ernsthaft interessiert, vorausgesetzt es gibt ein solches Kind, mir aber einen der banalen Abschnitte, in denen es um Regeln für menstruierende Leprakranke geht.« Sam verbringt seine Zeit lieber in virtuellen Welten (Other Life) »Hier konnte er weniger anständig und nicht ganz so feige sein.« und wird außerdem mit einer Liste rassistischer Schimpfwörter konfrontiert, die man ihm unterschiebt, und die ihm eine Schulsperre einbringt, obwohl er vehement bestreitet der Verfasser zu sein. »Du willst, dass ich mich für Worte entschuldige, die ich nicht geschrieben habe, damit ich eine Bar Mizwa feiere, die nur du willst.« Jacob hadert mit sich selbst, mit seiner Ehe, mit seiner Familie, mit seinen Job – er ist Fernsehautor, ernsthafte Autorenambitionen hat er schon vor langer Zeit aufgegeben – und er hadert mit seine »Rolle« als Jude. Seine Lebenssituation fasst er wie folgt zusammen: »Ich habe reichlich Probleme. Meine Kinder starren den ganzen Tag auf Bildschirme. Mein Hund ist inkontinent. Ich habe eine unersättliche Gier auf Pornos, kann aber nicht unbedingt mit einer Erektion rechnen, wenn ich eine analoge Möse vor der Nase habe. Ich werde kahl. (…) Julia behauptet, ich würde an nichts glauben. Vielleicht hat sie Recht.« Zu allem Überfluss hat sich die jüdische Verwandtschaft angekündigt, die zu diesem Anlass extra aus Israel anreist. Wie auf Bestellung, stirbt pünktlich zur Ankunft der Verwandten Jacobs Großvater Isaac, und dass, kurz bevor er in ein jüdisches Seniorenheim abgeschoben werden sollte, und der sich nach eigenem Bekunden nur noch am Leben erhielt, um die Bar Mizwa seines Enkels mitzuerleben. Im Klappentext heißt es: »Hier bin ich« erzählt von vier turbulenten Wochen im Leben einer Familie in tiefer Krise. Krise ja, turbulent, kann man da schon weniger behaupten. Sieht man mal von der leicht skurrilen Anekdote ab, dass Jacob auf der Flughafentoilette zufällig neben Steven Spielberg uriniert und feststellt, dass dieser nicht beschnitten ist. »Er war es. Eindeutig. Jacob stand mit entblößtem Penis neben Steven Spielberg, dessen Penis ebenfalls entblößt war. Bemerkenswert war nicht die Größe – Spielbergs Penis war nicht länger, kürzer, breiter oder schmaler als der Penis anderer dickbäuchiger jüdischer Großväter. Bemerkenswert war, was nicht fehlte: die Vorhaut.« Überhaupt kommt in Foers Roman leider wenig Dynamik auf, der Plot plätschert vor sich hin, da hilft es auch nicht, dass kurz nach der Ankunft der Verwandten in Washington in Israel auch noch ein heftiges Erdbeben ausgebrochen ist, was die gerade Angekommenen daran hindert, zu ihren Familien zurückzukehren, da die komplette Infrastruktur zusammengebrochen ist, und auch den letzten Willen des kürzlich verstorbenen Großvaters zunichte macht, in seine Heimat überführt und dort beerdigt zu werden. Aber auch hier bringt man wenig Empathie für die Figuren auf, sie packen einen nicht wirklich. Sie erscheinen schablonenhaft und hölzern, und auch irgendwie austauschbar. Ein nicht zu unterschlagender Schwachpunkt des Romans ist die häufig gestelzt wirkende abgeklärte Sprache. Besonders fällt sie bei den Kindern auf. Denn wir haben es in »Hier bin ich« nicht mit einer Schar von Hochbegabten zu tun, wie beispielsweise die Sprösslinge der Familie Glass bei J. D. Salinger, die davon abgesehen auch deutlich älter waren. Daher scheint es schon ein wenig überambitioniert, einem Zehnjährigen (Max) und einem Sechs- oder Siebenjährigen (Benjy) folgende Worte in den Mund zu legen: Max:
»Warum schickst du ihn (Sam) nicht gleich nach Uganda und lässt sein Skrotum
unter Strom setzen.« (…) »Das ist das Epitom des Lebens.« (…) Artikel online seit 30.04.17 |
Jonathan
Safran Foer |
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