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Bücher & Themen Artikel online seit 06.02.14 |
Von Georg Patzer
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»Ich schildere nicht das Sein, ich schildere das Unterwegssein«, schrieb er in seinen »Essais« und fuhr fort: »weniger von einem Lebensalter zum anderen als von Tag zu Tag, von Minute zu Minute.« Aber einmal war es auch ganz wörtlich gemeint: Sein Unterwegssein von seinem Schloss Montaigne durch Deutschland und die Schweiz nach Italien im Jahr 1580. Viele Jahre war sein Reisetagebuch, das erst ein unbekannter Sekretär, dann er selber schrieb, verschollen. Als es 1774 veröffentlicht wurde, mochten es die Aufklärer nicht, weil sie plötzlich entdecken mussten, dass Michel Eyquem de Montaigne, einer ihrer Säulenheiliger, ein Katholik war, der in Rom den Pantoffel des Papstes geküsst hatte. Dabei hätten sie viel von ihm lernen können. Denn so vorurteilsfrei, wie er sich selbst in den Essais untersuchte, immer skeptisch, immer weiterfragend, so betrachtete er auch seine Umwelt. Nicht die gewöhnlichen Sehenswürdigkeiten interessierten ihn, sondern die alltäglichen Lebensumstände. Und auch sein eigener kranker Körper, denn er litt unter schmerzhaften Nierensteine, wegen derer er alle Kurbäder auf seiner Reise aufsuchte und ausprobierte. Jedes Detail hält Montaigne fest, staunend notiert er, wann er Durchfall oder Verstopfung hat, welche Farbe und Form die abgehenden Steine haben, wohin »die Winde sich verirren«... Für uns ist wohl interessanter, was er über die bereisten Länder und Städte erzählt. Denn stets will Montaigne wissen, wie die Menschen leben, was sie denken, was sie tun. Ohne die französische Aristokratenbrille schaut er auf die Welt, »Aufmerksamkeit« und »Gelassenheit« sind seine Maximen, wie er sie schon in den Essais praktiziert hat, eine offene Neugier auf die Welt. So staunt er über die Vorzüge deutscher Kachelöfen und die Art der Schweizer, beim Beten die Hände zu öffnen statt zu falten. Er besucht Prostituierte, um zu erfahren, wie sie ihre Kunden befriedigen, beobachtet Flagellanten und eine jüdische Beschneidungszeremonie und denkt über das Schlafen und das Essen nach: »Wie viele Völker, nur ein paar Schritte von uns entfernt, halten die Furcht vor der Abendfeuchte, die uns doch so offensichtlich zusetzt, für lächerlich (...)! Auf einer Matratze schlafen macht einen Deutschen krank, auf federnem Unterbett einen Italiener, ohne Bettvorhänge und Kaminfeuer einen Franzosen. Der Magen eines Spaniers verkraftet unsere Ernährungsweise sowenig wie der unsre die Trinksitten der Schweizer.« Alles Ungewöhnliche ist für ihn nur ein Beweis für die schöne Vielfältigkeit des Lebens.
In einer neuen, prachtvoll
ausgestatteten Ausgabe ist dieser Reisebericht jetzt in einer neuen Übersetzung
zu lesen, die leider ein wenig zu flott und neudeutsch daherkommt, um einen
wirklichen Genuss zu bieten. |
Michel de
Montaigne |
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