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Moral &
Wahrheit
Von Jürgen Nielsen-Sikora |
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Thomas Nagel (*1937) ist unzweifelhaft einer der wichtigsten Philosophen der Gegenwart, der sich sowohl mit der Philosophie des Geistes als auch mit moralphilosophischen Fragen auseinandergesetzt hat. Er lehrte in Berkeley, Princeton und an der New York University.
Bereits
seine 1970 publizierte und von John Rawls betreute Dissertation „Die Möglichkeit
des Altruismus“ fragt nach zentralen ethischen Grundsätzen unseres Handelns und
führt diese auf das Phänomen des Altruismus, sprich: die Anerkennung anderer
Personen, zurück. Sich selbst als ein Individuum unter anderen zu begreifen und
daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen, bildet den Kern von Nagels
Gedanken. Nur ein Jahr später lieferte er eine bis heute beliebte Einführung in das philosophische Denken mit dem Titel: „Was bedeutet das alles?“ Hierin diskutiert er die wichtigsten Themenkomplexe der Philosophie: Bewusstsein und Gehirn, Sprache, freier Wille, Moralphilosophie, Gerechtigkeit, Tod und Leben, ohne letzte Antworten auf die damit einhergehenden Fragen zu geben. Sein wohl bekanntester Aufsatz stammt aus dem Jahr 1974 und stellt die Frage: „Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein?“ Er wehrt sich darin gegen reduktionistische Ansätze in der Philosophie, die davon sprechen, dass es eines Tages möglich sein wird, Bewusstseinsvorgänge zu erklären, indem man sie auf rein physische Prozesse zurückführt. Wäre dies tatsächlich möglich, könnte man subjektive Erfahrung (wie die von Fledermäusen) ebenfalls erklären. Nagel argumentiert, dass wir aber nie wissen können, wie Fledermäuse die Welt tatsächlich wahrnehmen. Wir werden nie wissen, wie es sich anfühlt, eine Fledermaus zu sein, weil wir subjektive Erfahrungen und Bewusstsein einfach nicht mit physikalischen Prozessen erklären können. Nun legt er mit „Moralische Gefühle, moralische Wirklichkeit und moralischer Fortschritt“ eine Art Einführung in seine Ethik vor. Der schmale Band enthält zwei Aufsätze. Im ersten Text „Bauchgefühle und moralisches Wissen“ diskutiert Nagel vor der Folie seines eigenen Ansatzes die beiden wohl prominentesten Ethiken: Den Konsequentialismus, dessen bekannteste Version der Utilitarismus ist, sowie deontologische Theorien, also Pflichtethiken wie Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ und der darin enthaltenen Formulierung des kategorischen Imperativs. Wenngleich Nagel selbst eher zu deontologischen Perspektiven neigt, so fragt er am Ende doch kritisch, „ob wir bei dem Blick von außen auf uns dahin gelangen sollten, unser Festhalten an Rechten und Deontologie als eine unnötig überladene moralische Auffassung zu betrachten, mit der die Ansprüche der Person, die uns gegenübertritt, übergroß dargestellt werden und unsere Rationalität eingeschränkt wird. Wäre es demnach ein Fortschritt, wenn wir die auf Individuen zentrierte deontologische Auffassung und die auf sie zurückgehenden Intuitionen nicht mehr als fundamentale moralische Leitlinien verwenden würden?“
Der zweite
Text ist betitelt mit „Moralische Wirklichkeit und moralischer Fortschritt“ und
behauptet, innerhalb der Menschheitsgeschichte habe es eine ganze Reihe von
moralischen Fortschritten (wie die Abschaffung der Sklaverei) gegeben. Nagel
stellt fest: „Diese Veränderungen Fortschritt zu nennen bedeutet, eine normative
Behauptung aufzustellen: Nämlich, dass es moralische Gründe dafür gab, die
jeweils gängigen Praktiken durch etwas anderes zu ersetzen.“
Auch in der
Gegenwart werden wir kaum über alle möglichen Zugänge moralischer Wahrheit
verfügen. Das heißt, dass es weiterhin moralischen Fortschritt geben wird, den
wir heute noch gar nicht absehen können. Vielleicht wird es eines Tages
unvorstellbar sein, überhaupt noch Tiere zu essen. Andere Aspekte sind uns heute
„selbst mit Hilfe einer abenteuerlichen, science-fictionhaften Projektion nicht
durch die reine Vernunft zugänglich.“ |
Thomas Nagel |
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