»Wenn ich mein Können
manchmal an Schmarren verschwendet habe, so geschah das ganz bewusst in dem
Bestreben, mein Werkzeug zu schärfen, mir mein handwerkliches Können zu beweisen
und natürlich auch, weil ich Geld brauchte. Ich habe aber auch ein paar gute
Bücher geschrieben; sie sind zu gut, als dass man sie zum alten Eisen werfen
sollte, nicht so gut, wie ich sie mir gewünscht hatte, auf jeden Fall aber so
gut, wie es mir mein Erzählertalent, mein Schwung und meine Technik erlaubt
hatten. (…) Ich weiß, was ich wert bin; ich bin eine erstklassige
Schriftstellerin zweiter Güte. Die Glühwürmchenillusionen von Unsterblichkeit
sind mir fremd. Ich habe mir nie eingebildet, eine erstklassige Schriftstellerin
erster Güte zu sein und dass meine Bücher mich überleben werden.« (Vicki
Baum: Es war alles ganz anders, Berlin 1962, S. 386)
Man darf dem Wallstein Verlag für sein ambitioniertes, umfassendes
Programm generell verlegerischen Mut konstatieren, indes, die Herausgabe dieser
sechsbändigen Kommentierten Ausgabe von »ausgewählten Werken« der deutschen
Autorin Vicky Baum (1888, Wien - 1960, Hollywood) verdient eine besondere
Anerkennung. Ein solch hochpreisiges Buch-Projekt für eine in mancher Hinsicht
»vergessene« Autorin der »Neuen Sachlichkeit«, die nicht unbedingt zu den
zeitgemäßesten und literarisch spektakulärsten gehört, ist bei der gegenwärtigen
Lage des Buchmarkts ein nicht geringes Risiko.
Beim »Menschen im Hotel« wird es wohl noch bei einigen klingeln, die sich an die
Verfilmung aus dem Jahr 1959 mit O.W. Fischer, Heinz Rühmann und Sonja Ziemann
erinnern. Weit Weniger werden wissen, daß Baums erfolgreichster Roman schon 1932
unter dem Titel »Grand Hotel« mit Greta Garbo, Joan Crawford und John Barrymore
das Licht der Kinopaläste erblickt hatte.
Ihr Debutroman Der Eingang zur Bühne erschien bereits 1920 und war ein
erster Verkaufserfolg. Der Ullstein Verlag nahm sie dann von 1926 bis 1931 unter
Vertrag, für den sie als Redakteurin der
Berliner Illustrirten Zeitung, der Modezeitschrift
Die Dame und der Literaturzeitschrift
Uhu
schrieb.
Auch ihr größter internationaler Bucherfolg, Menschen im Hotel, erschien
1929.
Für die Verfilmung des Romans emigrierte Vicky Baum bereits 1931 als
Drehbuchautorin nach Hollywood. Bei den Nazis galt Baum galt als »jüdische
Asphaltliteratin«. Ihre Bücher fielen der Bücherverbrennung 1933 zum Opfer und
standen auf der »Liste
Otto« in Frankreich. An der Universität Rostock wurden ihre Werke am 5. Mai
1933 an einem »Schandpfahl« angebracht. 1938 nahm Vicky Baum die amerikanische
Staatsbürgerschaft an und schrieb fortan auch auf Englisch weit über 30 Texte,
darunter Novellen und Theaterstücke. Vicki Baum kehrte nach ihrer Flucht vor den
Nationalsozialisten nie wieder dauerhaft nach Deutschland zurück.
Es mag auch an Ihrer Unversöhnlichkeit Deutschland gegenüber gelegen haben, daß
sie den sogenannten »seriösen Kritikern« hierzulande auch nach dem Krieg bis
heute suspekt geblieben ist. Ihr erging es ähnlich wie Johannes-Mario Simmel,
sie erkannten den Erfolg der Autorin beim breiten Publikum zwar an: »Ihre
Artikel und Bücher changierten zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik,«
verschmähten sie jedoch als zu kalkuliert, zu nah am Massengeschmack, zu
kitschig-trivial.
Deutsche Welle, 6. Oktober 2018.
Über die Rechtfertigung und den literaturhistorischen Zeitwert solcher Urteile
mag man streiten können. Einen weitaus größeren Erkenntnisgewinn bietet jedoch
die hier nun vorliegende kommentierte Ausgabe der sechs Romane, die jeweils die
Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte erschließt und uns die zeitgschichtlichen
und literarischen Kontexte sowie die erzählerischen Verfahren der Texte
näherbringt.
Indes, Moden kommen und gehen, der Zeitgeist ist ein höchst flüchtiges
Geschmacksgemisch, und jede Generation von LeserInnen muß Ihre AutoInnen für
sich neu entdecken. Halten wir es doch mit
Klaus Mann, »Man kann über Vicki Baum sagen, was man will. Zwei Dinge sind
unbestritten: Sie ist eine Frau guten Willens, die das Herz am rechten Fleck
hat, und sie versteht ihr Handwerk.«
Klaus Mann: Auf verlorenem Posten: Aufsätze, Reden, Kritiken 1942–1949.
Reinbek 1994.
Artikel online seit 03.08.25
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Vicki Baum
Ausgewählte Werke
Kommentierte Ausgabe
Herausgegeben von Julia Bertschik und Veronika Hofeneder
Wallstein
3244 Seiten
2 Abb., 6 Bände, Leinen, Schmuckhülse
Band 1:
Die andern Tage
Band 2:
stud. chem. Helene Willfüer
Band 3:
Menschen im Hotel
Band 4:
Leben ohne Geheimnis
Band 5:
Marion lebt Erstübersetzung durch Josefine Haubold
Band 6:
Kautschuk
Übersetzt von Josefine Haubold
128,00 €
978-3-8353-5861-4
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