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Die Lügen hinter sich lassen |
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»Denn wir sprachen aus, was sie sich nicht trauten zu sagen und dafür waren sie uns dankbar.«
On the road. Eine innere und äußere Reise nach Jerusalem
Aufführungen des Judentums »'Levi, sag mir mal ganz klar, ja oder nein', sagte ich ihm, als wir alleine im Treppenhaus standen. Das Licht ging immer wieder automatisch aus, sodass unsere Hände in der Nähe des Schalters blieben. 'Gibt es wirklich wieder Juden in Berlin, wie alle erzählen? Oder ist es nur eine Aufführung des Judentums, die das entstandene Loch füllen soll? Eine Performance, worin die jüdischen Figuren eigentlich nur verkleidete Deutsche sind, die sich ihre schönen Geschichten selbst erzählen?'«
Fundamentalisten in Jerusalem
Taube Ohren unter den Kippot in Berlin »Es wird kein Zufall sein, dass der beliebteste Jude dieses Landes sich immer noch auf diesen Titel berufen kann, obwohl er nachweislich sein Kokain am liebsten mit verschleppten ukrainischen Prostituierten (und das in einem Land, in dem die Prostitution legal ist!) zu sich nahm. Ein Kind von Schindler-Geretteten, der einerseits als Beweis dafür gilt, dass es auch die guten Deutschen gab, denen er sein Leben zu verdanken hat, und andererseits die antisemitische Vorstellung erfüllt, indem er diesen Deutschen auf gewisse Art bestätigt, die Juden hätte das Schicksal vielleicht nicht grundlos getroffen? […] Ich verstehe, warum man diese Juden in der Öffentlichkeit hervorhebt, um alles schlechtzureden und mies zu machen, denn sie bedienen auch einen größeren Instinkt, nämlich den traditionellen Judenbegriff weiter aufrechtzuerhalten.« Feldman ersetzt dagegen den immerwährenden Holocaust als Objekt ihrer Wut durch eine Verve gegen den Judenfetisch, der sich in Deutschland auf diesen gesetzt habe. Ihr Zorn gilt damit der Infamität der Gegenwart, die die Vergangenheit dazu verzweckt. Diese Kritikfigur gleich derjenigen von Amos Elon (1926-2009), dem kritischen Journalisten, der für Haaretz ebenso schrieb wie für den New Yorker und die New York Review of Books. Auch Elon verwendet den Begriff Fetischismus zur Kritik der Funktionalisierung der Heilsgeschichte der Juden im Namen der unheiligen Seiten der säkularen Politik des Staates Israel.[1] Es ist nicht unmöglich, dass Frau Feldman, die gebildet ist, den Begriff des Fetischismus bewusst oder unbewusst von Elon entlehnt.
Bühnenjuden. Von der Identität zum Identitären »Juden, die keinen eigenen Bezug zu ihrem Judentum haben, denen bleiben nur die Bezüge der Nicht-Juden. Und die sind meistens, wenn nicht offen antisemitisch, zumindest vom Antisemitismus geprägt.« Feldman spinnt den Gedanken eines solchen jüdischen Simulakrons weiter: „Gibt es überhaupt noch etwas am Jüdischsein, was wirklich jüdisch ist?“ Damit trifft die Autorin den Kern der Sache. Der Begriff Identität lässt sich in diesem (und wahrscheinlich auch in allen anderen Zusammenhängen) nicht sinnvoll verwenden. Der griechische Dichter Pindar und die Klassik kannten noch die Spannung von „Werde, der Du bist!“, aus der dann Friedrich Nietzsche 1888 in Ecce homo „Wie man wird, was man ist!“ macht. Da war er aber bereits vom Wahnsinn gezeichnet. Wer aber soll heute „mit sich identisch“ sein? Was soll eine „jüdische“, eine „deutsche Identität“ angesichts der Globalisierung der Kultur zu Zeiten des Internets bedeuten? Diese Frage stellt die Autorin in ihrem Buch. Hier treffen zwei verschiedene Dispositive aufeinander; das erste folgt der Vorstellung einer autonomen Volks- oder Kulturgeschichte (oder, nicht viel besser, einer selbstgewählten Identität, der das Gegenstück abhandengekommen ist), das zweite bemüht sich um die ökonomischen Grundlagen derselben. Der kulturelle Diskurs und der ökonomische passen nicht zusammen: Je mehr die Welt aufgrund der kapitalistischen Ökonomie vergesellschaftet wird, je mehr die einzelnen kulturellen Einheiten ihre vermeintliche Autonomie aufgeben, umso hartnäckiger hält sich die Rede von der jüdischen, deutschen und was auch immer Identität. Anhand der Juden und ihrer Diaspora zeigt sich das Absurde einer Identität als Entität; es handelt sich vielmehr um eine Kategorie der vorletzten Dinge, um Mittel also, nicht um Zwecke. Auf die vereinheitlichende und zugleich trennende Zentrifuge des Kapitalismus hatte bereits der Fascismus in Italien, Spanien und Deutschland mit seiner Vorstellung der Rassen reagiert. Heute kommt es im Namen solcher Identitäten zu einer erneuten Wiederkehr völkischer Motive und rassistischer Sichtweisen, wenn behauptet wird, mitten in dem verschlingenden Strudel der weltweiten Ökonomie gebe es ein festes Land aus ethnischen Inseln. Deborah Feldmann hat das erkannt und geht dagegen an, sie verwendet aber dennoch eine soziologistische Sprache, mit der man diese Vorgänge nicht wirklich verstehen kann. Immerhin aber stellt sie in ihrem Text einen autonomen Kulturbegriff infrage.[2]
Neue Großmannsphantasien. Antinomien des Philosemitismus
Der Rabbiner
sagt nun das letzte Gebet auf […] und ich nicke zu seinen Worten und denke mir,
so ist Religion eigentlich gar nicht so schlecht, wenn es nur immer so wäre,
könnte es wirklich was Gutes bedeuten, und dann dürfte auch jeder dabei sein,
Jude, Nicht-Jude, was macht es aus, Hauptsache Frieden auf der Welt, und dann
beendet der Rabbiner sein Gebet mit dem Satz: O Herr, mache, dass alle
Bewohner der Welt einsehen, dass Israels Gott ist König.
Gegen den Fundamentalismus: die Aufklärung [1] Vgl. Amos Elon, Nachrichten aus Jerusalem. Reportagen aus vier Jahrzehnten, Frankfurt am Main: Eichborn 1995, S. 19. [2] „Hat sich an diesem Abend zum ersten Mal bei mir die Theorie kristallisiert, dass der Großteil dessen, was in der Außenwelt über das Judentum zu finden ist, durchdrungen ist von einer Kultur, die den Judenhass längst tief in sich verinnerlicht hat? Dass Juden von Nicht-Juden in dieser Sache kaum voneinander zu unterscheiden sind, weil sie ohnehin von derselben Kultur geprägt werden? Wie weit ging das zurück? Zu welchem Zeitpunkt hätten sich jüdische Ideen noch von anderen, fremdbestimmten Blicken unterscheiden lassen? Gibt es überhaupt noch etwas am Jüdischsein, was wirklich jüdisch ist?“ (S. 196) [3] Vgl. Norman G. Finkelstein, Die Holocaust-Industrie: Wie das Leid der Juden ausgebeutet wird, München: Piper 2000.
Artikel online seit 13.05.24 |
Deborah
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