Impressum  І   Mediadaten 

suche diese Seite web
site search by freefind



Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

Anzeige
Versandkostenfrei bestellen!

Die menschliche Komödie
als work in progress


Ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

 

Home  Termine  Literatur  Blutige Ernte  Sachbuch  Quellen   Politik  Geschichte  Philosophie  Zeitkritik  Bilderbuch  Comics  Filme  Preisrätsel  Das Beste



Bücher & Themen




Bücher-Charts l Verlage A-Z
Medien- & Literatur l Museen im Internet


Glanz & Elend empfiehlt:
50 Longseller mit Qualitätsgarantie

Jazz aus der Tube u.a. Sounds
Bücher, CDs, DVDs & Links


Andere Seiten
Quality Report Magazin für Produktkultur
Elfriede Jelinek Elfriede Jelinek
Joe Bauers
Flaneursalon
Gregor Keuschnig
Begleitschreiben
Armin Abmeiers
Tolle Hefte
Curt Linzers
Zeitgenössische Malerei
Goedart Palms Virtuelle Texbaustelle
Reiner Stachs Franz Kafka
counterpunch
»We've got all the right enemies.»



Seitwert


Freudlose Polemik

Mit seinem Anti Freud hat Michel Onfray das Feld ernsthafter Auseinandersetzung verlassen.

Von Jürgen Nielsen-Sikora

Onfrays Buch ist der Versuch, die Psychoanalyse als Krankheitsgeschichte Freuds zu lesen. Dieser Versuch ist gründlich misslungen. Sein »Anti-Freud« wiederholt lediglich altbekannte Kritik an Freuds Lehre und gleitet ein ums andere Mal in haltlose Diffamierungen ab.

Freuds uneingestandene Nähe zu Nietzsche und zur Philosophie, der Objektivitätsanspruch der Psychoanalyse, fehlende empirische Belege und der Narzissmus ihres Begründers sind Kritikpunkte, die seit Jahrzehnten im Umlauf sind. So bezeichnete Karl Kraus die Psychoanalyse einst als jene Geisteskrankheit, deren Therapie sie zu sein vorgebe. Von Arthur Kronfeld über Karl Jaspers bis hin zu Karl Popper, Herbert Marcuse und Thomas S. Kuhn und vielen anderen ließe sich mühelos eine Geschichte der Freud-Kritik schreiben. Viele konstruktive Kritiken haben dazu geführt, dass Freuds Theorie sich wandelte und ausdifferenzierte. In den Geistes- und Sozialwissenschaften besteht heute weitestgehend Einigkeit über die Unzulänglichkeiten und Widersprüche der Freudschen Psychoanalyse. Nur Onfray will diese Debatte offensichtlich nicht wahrnehmen, weil es ihm nicht um inhaltliche Korrekturen, sondern nur um die Zerstörung eines Denkmals namens Freud geht. Warum lässt sich nur erahnen.

Dazu stellt der französische Populärphilosoph eine enge Verbindung zwischen psychoanalytischer Theorie und dem Leben Freuds her: Die Psychoanalyse habe er nur erfunden, um mit der eigenen Krankheit nicht allein zu sein. Das alles sagt freilich nichts über die Qualität der Theorie aus. Deshalb muss Onfray weiter gehen als alle anderen Kritiker und das Feld ernsthafter Auseinandersetzung verlassen.

Freuds Lehre wird dementsprechend ein »Hirngespinst«, bestenfalls eine Exegese seines eigenen Körpers, eher aber eine Phantasie »aus Dr. Freuds Gruselkabinett«. Die Psychoanalyse ist ihm gar ein »Weggefährte des Teufels«, von magischem Denken beherrscht und erinnere an die »Ideologien des 20. Jahrhunderts« sowie an »faschistische Programmatik«.

Freud selber sei ein »Hexenmeister« und »Sophist«, ein »Möchtegern-Wissenschaftler« und »Möchtegern-Ethnologe«, ein »Blinder«, »Seelendoktor« und zigarrenabhängiger Psychoneurotiker. Der »Märchenerzähler« sei »obsessiv« und »erratisch«, »böse«, »neidisch«, »geldgierig«, »raffgierig«, »stur«, »depressiv« und »antisemitisch« (!) gewesen. Er habe mit seiner Krankheit und seinem »von Inzest zerfressenen Innenleben« nicht allein sein wollen und sich deshalb in die Tradition der Schamanen und Zauberer eingereiht.

Die Hypothesenbildungen Freuds greift Onfray am liebsten selbst mit Thesen »aus nietzscheanischem Blickwinkel« an. »Wahrscheinlich«, »scheinbar« und »könnte« sind hierbei die Lieblingsvokabeln seiner Psychologisierung der Psychoanalyse. Ihr attestiert er Unwissenschaftlichkeit, ohne selber etwas von wissenschaftlichem Arbeiten zu verstehen. Quellen, Belege, Argumente bleiben Fehlanzeige. Stattdessen ist Onfrays Pamphlet eine Ansammlung unreflektierter und tendenziöser Behauptungen. Zwar sind in der deutschen Ausgabe einige gravierende Fehler des französischen Originals bereinigt — peinlich vom Cover bis zum Inhalt bleibt das Buch trotzdem. Man möchte Onfray seinen eigenen Satz entgegenhalten: »Nicht jeder, der gern ein Nietzsche wäre, ist auch einer« und die Empfehlung zur Therapie aussprechen.
 

Michel Onfray
Anti Freud
Die Psychoanalyse wird entzaubert
Aus dem Französischen von Stephanie Singh
Knaus Verlag
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag,
544 Seiten
ISBN: 978-3-8135-0408-8
€ 24,99

Leseprobe

 


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik

Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik   Bilderbuch   Comics   Filme   Preisrätsel   Das Beste