Impressum  І   Mediadaten 

suche diese Seite web
site search by freefind



Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

Anzeige
Versandkostenfrei bestellen!

Die menschliche Komödie
als work in progress


Ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

 

Home  Termine  Literatur  Blutige Ernte  Sachbuch  Quellen   Politik  Geschichte  Philosophie  Zeitkritik  Bilderbuch  Comics  Filme  Preisrätsel  Das Beste



Bücher & Themen




Bücher-Charts l Verlage A-Z
Medien- & Literatur l Museen im Internet


Glanz & Elend empfiehlt:
50 Longseller mit Qualitätsgarantie

Jazz aus der Tube u.a. Sounds
Bücher, CDs, DVDs & Links



Andere Seiten
Quality Report Magazin für Produktkultur
Elfriede Jelinek Elfriede Jelinek
Joe Bauers
Flaneursalon
Gregor Keuschnig
Begleitschreiben
Armin Abmeiers
Tolle Hefte
Curt Linzers
Zeitgenössische Malerei
Goedart Palms Virtuelle Texbaustelle
Reiner Stachs Franz Kafka
counterpunch
»We've got all the right enemies.»



Seitwert


Ein schändliches Versagen

Wie die Medien Guttenbergs Verzicht behandeln

Von Gregor Keuschnig


Zwei Aussagen des Verteidigungsministers zu Guttenberg am Montag auf der inzwischen fast berühmten Wahlkampfveranstaltung der CDU zum Kommunalwahlkampf (!) in Hessen sind bemerkenswert: Zum einen erklärt er seinen dauerhaften Verzicht, den Doktortitel zu führen. Und zum anderen "gestand" er einen "Blödsinn" geschrieben zu haben.

Der "Blödsinn" wurde von der Universität in Bayreuth mit "summa cum laude" bewertet. Damit gibt er der Universität und seinem Doktorvater noch nachträglich einen Tritt. Und auch die zahlreichen plagiierten Autoren werden indirekt beleidigt, denn allzu viel Eigenanteil soll die Doktorarbeit ja nicht aufweisen.

Wie ein ertappter Ladendieb nun glaubt, mit der Rückgabe der gestohlenen Produkte die Angelegenheit erledigen zu können und einer Strafverfolgung zu entkommen, so gibt zu Guttenberg nun den Doktortitel "dauerhaft" zurück. Was bei 14jährigen, die eine Tube Haargel haben mitgehen lassen noch gerade akzeptabel ist, verbietet sich jedoch bei einem Minister gleich zweifach: Erstens wußte der Mann genau, was er tut. Und zweitens beweist er damit erneut, wie marginal seine Kenntnisse über den wissenschaftlichen Betrieb sind. Tatsächlich kann man nämlich keinen Doktortitel zurückgeben oder ablegen. Man bekommt ihn zuerkannt - oder auch aberkannt.

Es ist schon erstaunlich wie schnell die ansonsten ach so kritischen Journalisten bereit sind, sich von dieser nassforschen Aktion einwickeln zu lassen. In nahezu allen Medien war am Dienstag zu lesen, zu Guttenberg habe auf seinen Doktortitel "verzichtet" (
FAZ, Welt, Focus, Handelsblatt, usw.). Als Meldung ist dies natürlich korrekt. Aber ohne die Erläuterung, dass dies gar nicht möglich ist, wird aus der Meldung genau das, was der Minister wollte: ein unhinterfragbarer Tatbestand. Dabei wäre es gerade wichtig, die Unvereinbarkeit dieses Verzichts mit den universitären Regeln herauszustellen, weil dies nicht allen per se bekannt sein dürfte.

Stattdessen wird der "Verzicht" nun in allen Talkrunden als normatives Faktum dargestellt - und diskutiert. Dass die Bundeskanzlerin als Vorsitzende der "Bildungsrepublik Deutschland" hier mitspielt - obwohl sie es besser weiß - ist nicht nur keine Entschuldigung, sondern Teil dieses blamablen Schmierentheaters. Vorläufiger, trauriger Höhepunkt: Führende Unionspolitiker versuchen, den Verzicht als Tugend umzudeuten. Indem jedoch in den Medien der Verzicht des Doktortitels als satisfaktionsfähige Reaktion diskutiert (auch kontrovers diskutiert) wird, geht man dem Minister schon auf den Leim. Da hilft auch das trotzige Bekenntnis der Universität Bayreuth, man sei alleiniger Verfahrensführer, nicht weiter: Wenn die Journalisten dies nicht entsprechend einordnen, sondern nur als Statement unkommentiert abfilmen, entsteht der Eindruck, hier fuchtelten autistische Elfenbeintürmer mit einem stumpfen Säbel.

Tatsächlich offenbarte schon der am Wochenende angekündigte vorübergehende Verzicht auf das Führen des Doktortitels ein "
neofeudales" Verständnis nicht nur des Wissenschaftsbetriebs. Wenn nun die Bundeskanzlerin dieses Verständnis übernimmt, sind wir nicht mehr weit von einem autokratischen Machtverständnis, indem die politische Klasse sich gegen Regeln und Vorschriften immunisieren kann. Machtpolitisch mag Merkels Festhalten an zu Guttenberg geboten sein. Auf Dauer ist ein solches Goutieren nach Gutsherrenart ein fatales Zeichen. Es wäre notwendig, dass die Journalisten hierauf hinweisen. Ich habe gestern nur auf tagesschau.de in einem Dossier einen eindeutigen Hinweis darauf gefunden, dass der Verzicht nicht möglich ist. Im klassischen Massenmedium - dem Fernsehen - kam dies nicht oder höchstens nur in einem Halbsatz vor. Damit arbeiten die Journalisten dem Abschreiber in die Hände. Ein schändliches Versagen.

 



































Foto: Dirk Vorderstraße
Diese Datei ist unter der
Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported lizenziert.
 


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik

Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik   Bilderbuch   Comics   Filme   Preisrätsel   Das Beste