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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Machtspiele Seine erste diplomatische Mission als Gesandter des Revolutionskonventes in London schlug gründlich fehl. England ließ sich nicht aus dem bevorstehenden Koalitionskrieg gegen Frankreich heraushalten und seine führenden Politiker mieden sogar den Kontakt mit dem ehemaligen Kleriker, der sich so rasch auf die Seite der Revolution geschlagen hatte. Schon damals stand Charles-Maurice Talleyrand im Ruf eines Verräters an seiner Klasse. Bald danach hielt es der vormalige Bischof von Autun, der sich später so glänzend in der Rolle des Meisterdiplomaten zu präsentieren verstand, für angebracht, sich selbst vor dem Pariser Terrorregime nach London in Sicherheit zu bringen. Erst nach der Etablierung des gemäßigten Direktoriums kehrte Talleyrand aus seinem prekären Exil, das ihn zeitweise bis in die Vereinigten Staaten verschlagen hatte, nach Frankreich zurück. Die politischen Aussichten unter den geänderten Umständen schienen der Erfüllung seines alten Traumes, ein zweiter Richelieu zu werden, günstig. Doch am Horizont stand schon die alles überragende Persönlichkeit, die den ehrgeizigen Remigranten dauerhaft in die zweite Reihe der französischen Politik verwies. Napoleon Bonaparte betrachtete die Außenpolitik als sein ureigenstes Feld und hatte zudem völlig andere Vorstellungen von der Rolle Frankreichs in einem sich radikal wandelnden Europa, als sein noch durch das Ancien Regime geprägter Minister. So schlug Talleyrands anfängliche Verehrung für den neuen Helden bald in kritische Distanz und schließlich sogar in Verrat um. Für seinen Biographen Johannes Willms ist diese Phase der Angelpunkt im Leben Talleyrands, in der er noch vor den ersten Rückschlägen des Korsen in Spanien sich auf konspirative Beziehungen mit Metternich und dem Zaren einließ. Nach Ansicht des Journalisten und Historikers Willms waren es jedoch keineswegs persönliche Animositäten, die den mehrfach vom Kaiser massiv beschimpften Talleyrand zu diesem gewagten Schritt bewogen. Vielmehr bestimmten ihn traditionelle Vorstellungen von einem ausgewogenen europäischen Mächtegleichgewicht, in dem Frankreich seine bisherigen territorialen Gewinne sichern könnte. Der Multibiograph Willms dämonisiert hier geradezu den Korsen als ein agonales Gegenbild zum Außenminister, der in seiner politischen Maßlosigkeit Europa von einem Krieg in den nächsten stürzte. Fraglos ist das eine Entstellung, denn die Kriege von 1805, 1806 und 1809 gingen kaum auf das Konto Napoleons, auch wenn er sich nicht wirklich bemüht hatte, sie zu verhindern. Für Talleyrand, der immerhin noch den Kaiser in seiner fatalen Spanienpolitik bestärkt hatte, mag es im Frühjahr 1814 eine Genugtuung gewesen sein, hinter dessen Rücken die französische Hauptstadt an die Alliierten und anschließend an die Bourbonen zu übergeben. Gedankt wurde es ihm nicht. Obwohl Talleyrand vordergründig auf dem so genannten Wiener Kongress für das geschlagene Frankreich einige territoriale Vorteile und einen halbwegs akzeptablen Status im restaurierten Mächtesystem Europas erwirken konnte, fand er sich schon bald von dem misstrauischen Ludwig XVIII. ins politische Abseits gestellt. So dürfte der neue Monarch auch gewusst haben, dass sein wendiger Außenminister eine treibende Kraft hinter der Entführung und Ermordung des Herzogs von Enghien, seinem nahen Verwandten, gewesen war. Abgesehen von einem bescheidenen und erfolglosen Intermezzo als französischer Gesandter des Bürgerkönigs Louis Phillip endete Talleyrands politische Karriere somit bereits im Jahre 1816. Damals beschloss der Diplomat, Ränkeschmied und Verfasser oft zitierter Bonmots seine Memoiren. Den Rest seines langen Lebens beschreibt Willms als komfortablen Epilog, wobei er sich insbesondere den – bis dahin nur knapp geschilderten - privaten Verhältnissen seines Protagonisten widmet, in dessen Zentrum Talleyrands skandalöse langjährige Beziehung zu seiner um 40 Jahre jüngeren Nichte stand. Das alles arbeitet der Verfasser mit gewohnter biographischer Routine ab, aber irgendwie auch ohne Herzblut. Er zitiert häufig und ausführlich aus Briefen sowie sonstigen Dokumenten und als Leser hat man mehr als einmal den Eindruck, mit den verbindenden Passagen nur einen Kommentar in der Hand zu halten. Man könnte meinen, der Verlag und nicht der Autor habe diesen Text gewollt. Das facettenreiche Porträt einer Epoche ist Willms nicht gelungen, mehr wirkt dieses neue Werk wie eine Ergänzung zu seiner früheren Napoleonbiografie.
Von
Talleyrand ist bezeugt, dass er sich schon in jungen Jahren den großen Kardinal
Richelieu zum Vorbild genommen habe. Erreicht hat er dessen historische Größe
als Politiker allerdings ebenso wenig wie Willms als Biograf den Schweizer Carl
Jakob Burckhardt und dessen monumentale Richelieu-Lebensbeschreibung.
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Johannes
Willms |
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