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Jörn Birkholz
Der Obermieter
Erzählungen
Kulturmaschinen Verlag
252 Seiten
978-3-96763-009-1

Schlachtfesttage

Eine protokollarische Erzählung aus dem Leben
eines Sisyphus
im Literaturbetrieb unserer Tage.

Von Jörn Birkholz

 

Bremen:

»Birkholz, guten Tag …«
»Ja, guten Tag Herr Bürgers, was kann ich für Sie tun?«
»Ja, ich wollte nur kurz fragen, veranstalten Sie Lesungen?«
»Ja, schon, gelegentlich … um was geht es denn?«
»Mein neuer Roman Schachbretttage ist kürzlich erschienen, und …«
»Haben Sie den selbst geschrieben?«
»Äh, ja.«
»Ich meine, haben Sie den im Eigenverlag herausgebracht?«
»Nein, hab ich nicht. Möchten Sie vielleicht die ISBN?«
»Nein, das geht schon so, Schach-Etage heißt der, sagten
Sie?«
»Schachbretttage
»Wie?«
»S c h a c h b r e t t t a g e
»Aha … achso mit drei t … jetzt kommt hier was …
Wien? … kommen Sie aus Wien?«
»Nein.«
»Und von wo kommen Sie?«
»Aus Bremen.«
»Das ist ja nicht so weit.«
»Nein.«
»Oh, der ist ja gebunden.«
»Ja.«
»Das ist schlecht.«
»Wieso ist das schlecht?«
»Naja, bei bekannten Autoren ist gebunden in Ordnung, das kaufen die Leute dann schon, aber bei völlig Unbekannten … haben Sie das Buch denn auch als Taschenbuch?«
»Nein.«
»Die Leute nehmen die Bücher auch gerne mit in den Urlaub, und da ist vielen so ein gebundenes Buch oft viel zu schwer.«
»Aha.«
»Hm.«
»Das Buch erinnert stellenweise an Loriot.«
»Was?«
»Das Buch soll stellenweise an Loriot erinnern, so stand es in einer Rezension.«
»Wirklich, also das ist ja anmaßend!«
»Bitte?«
»Also, sowas würde mich ja sofort abschrecken! Loriot! Das kann ja gar nicht sein. Den vergöttern wir hier geradezu.«
»Ja, ich fand den auch immer ganz okay.«
»Ganz okay?!«
»Ich meine großartig.«
»Naja, Sie können ja nichts dafür, dass das jemand über Ihr Buch geschrieben hat.«
»Das stimmt.«
»Der ist ja auch viel zu früh gestorben.«
»Loriot?«
»Ja, der Herr von Bülow.«
»Der wurde doch weit über achtzig?«
»Ja, das ist doch kein Alter heutzutage … schauen Sie sich doch den Heesters an.«
»Der ist tot.«
»Ja, aber wie alt der wurde.«
»Ja, aber der ist vielleicht doch eher die Ausnahme.«
»Na egal … aber dieser Loriot-Vergleich, also, das tut mir wirklich leid für Ihr Buch.«
»Geht schon.«
»Also, ich kann die Schach-Tage ja gerne einmal bestellen und mal reinschauen, aber ich bin da doch sehr skeptisch. Und Sie kommen aus Österreich?«
»Nein, immer noch nicht.«
»Was?«
»Nein, aus Bremen.«
»Naja, das ist ja nicht so weit.«
»Nein, das ist nicht so weit.«

Bremerhaven:

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Das hat doch keinen Sinn.«
»Bitte?«
»Warum sollte ich?«
»Äh, spreche ich da mit einer Buchhandlung?«
»Ja, sprechen Sie.«
»Mein neuer Roman ist kürzlich erschienen, dürfte ich Ihnen da mal die ISBN durchgeben?«
»Wozu?«
»Damit Sie mal beim Großhändler nachschauen können.«
»Das geht doch ohnehin alles über Amazon. Schreiben Sie doch Ihr Buch und stellen Sie’s da online.«
»Das wurde schon gedruckt.«
»Ja, ja, bringen Sie’s mal schön zu Amazon
»Sie meinen diese Amazon Self Publishing Plattform?«
»Ja, das ist die Zukunft, Prost Mahlzeit! Alles gleich direkt zum Leser … bringt doch alles nichts mehr.«
»Okay, also soll ich Ihnen die ISBN nicht durchgeben?«
»Lassen wir’s. Hat keinen Sinn, Amazon hat alle im Sack!«
»Ich wünsche Ihnen trotzdem einen schönen Tag.«
»Ja, ja, bleiben Sie mal optimistisch.«
»Wiederhören.«
»Ich glaub nich.«

Flensburg:

»Birkholz, guten Tag.«
»Moin.«
»Ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Wie?«
»Lesungen!«
»Lesungen? Was für Lesungen?«
»Buchlesungen! Mein neuer Roman ist kürzlich erschienen.«
»Lesungen?«
»Sie sind doch eine Buchhandlung, oder?«
»Nein. Hier ist eine Schreinerei!«
»Ach so.«
»Ja.« (lacht)
»Sie stehen aber in den Gelben Seiten unter Buchhandlungen.«
»Aha. Naja, wir haben mal für eine Buchhandlung was geschreinert.«
»Na dann passt das ja.«
»Ja!« (lacht)
»Entschuldigen Sie die Störung.«
»Macht nichts, war lustig.« (lacht)
»Wiederhören.«
»Tschüssi.«

Hamburg:

»Birkholz, guten Tag.«
»Guten Tag.«
»Ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Ja, das machen wir schon, aber nur mit unserer Hausautorin – die hat im ROWOHLT Verlag ihr Buch veröffentlicht!«
»Glückwunsch.«
»Ja.«
»Aber ansonsten machen Sie keine Lesungen?«
»Nein … Darf ich Ihnen einen Rat geben?«
»Ja gerne.«
»Sie sollten sich nicht mit Ihrem richtigen Namen vorstellen.«
»Aha.«
»Sagen Sie doch, Sie wären – was weiß ich – Heiko soundso und Sie riefen im Auftrag von Herrn – wie war Ihr Name noch gleich?«
»Birkholz.«
»… im Auftrag von Herrn Birkholt an.«
»Ich bin bisher mit meinem richtigen Namen eigentlich immer ganz gut gefahren.«
»War ja auch nur ein gutgemeinter Ratschlag.«
»Danke.«
»Wissen Sie, ich verrate es Ihnen jetzt einfach – ICH bin die ROWOHLT-Autorin!«
»Aha.«
»Ja, und ICH lese hier!«
»Aha.«
»Regelmäßig!«
»Schön.«
»Ja.«
»Dann sind Sie also Autorin und Buchhändlerin?«
»Nein, ich bin nur mittwochs hier. Die ganze Zeit alleine vorm Rechner zuhause halte ich nämlich nicht aus.«
»Verstehe.«
»Deshalb bin ich hier.«
»Dann weiß ich Bescheid.«
»Ja … nur zuhause geht einfach nicht!«
»Okay.«
»Ihnen einen schönen Tag noch.«
»Ja ebenfalls, Wiederhören.«
»Adieu.«

Hannover:

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Ja, das machen wir.«
»Schön. Ich bin nämlich mit meinem neuen Roman unterwegs, und würde gerne bei Ihnen lesen.«
»Was haben Sie denn Schönes geschrieben Herr Bolz?«
»Mein neuer Roman heißt Schachbretttage
»Schlachtfesttage?«
»Schachbretttage
»Ach so … Also folgendes, Herr Bolz, wir machen hier regelmäßig Lesungen, sehr schöne Lesungen sogar … zum Beispiel, kennen Sie den Hans Haas.«
»Hans Hartz?«
»Nein, nicht der mit den Tauben, (lacht) Hans Haas!«
»Zu meiner Schande muss ich gestehen, nein.«
»Nicht schlimm. Hans Haas war Zoologe, Dokumentarfilmer und eben auch Schriftsteller aus Wien.«
»Aha.«
»Ja, der ist jetzt gerade letztes Jahr gestorben … und den hatten wir auch mal hier.«
»Aha.«
»Ja, das werde ich nie vergessen.«
»Wieso?«
»Der Herr Haas, also dessen Hosentaschen waren ganz ausgebeult, und ich hatte ihn gefragt, was er da drin habe. Und er antwortete nur: Glühbirnen!«
»Was?«
»Jaaa, Glühbirnen, stellen Sie sich das mal vor! Zwei Glühbirnen, in jeder Tasche eine!«
»Aha.«
»Ich fragte ihn, was das solle, da meinte der nur: Falls die Lampe, also die Birne bei der Lesung durchbrennt, dann hat er sofort Ersatz da, die Geschäfte hätten Abends ja nicht mehr auf, wenn was kaputt geht, und dann würden ja alle im Dunkeln sitzen, und dann würde die Lesung abgebrochen werden müssen, und so gehe er auf Nummer sicher (lacht) wenn er immer Glühbirnen dabei habe … so einer war das, der Herr Haas (lacht).«
»Eine schöne Geschichte … hätten Sie denn dieses Jahr noch Termine frei?«
»Oh nein Herr Bolz, unser Veranstaltungskalender für dieses Jahr ist letzten Monat in Druck gegangen, da sind Sie jetzt etwas zu spät.«
»Naja, nicht so schlimm, nächstes Jahr würde von meiner Seite natürlich auch noch gehen.«
»Na darüber ließe sich doch reden. Schaffen Sie es denn, bis Ende des Jahres ein neues Buch zu schreiben?«
»Bitte?«
»So Ende Herbst gehen wir in die Planung fürs nächste Jahr, ich bräuchte dann das Buch so spätestens bis Ende September von Ihnen.«
»Äh, mein Roman ist gerade vor einem Monat erschienen!«
»Ja, das kann schon sein Herr Bolz, aber wir nehmen nur Novitäten.«
»Verstehe.«
»Aber Sie haben ja noch ein bisschen Zeit, wir haben ja erst April.«
»Das stimmt … einen schönen Tag noch.«
»Ihnen auch, und ich hoffe, ich höre dann bald von Ihnen?«
»Sicher.«
»Das freut mich, also dann, gutes Gelingen und Frohes Schaffen!«
»Wiederhören.«
»Auf Wiederhören Herr Bolz.«

Köln:

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur fragen, machen Sie Lesungen?«
»Lesungen?!«
»Ja, veranstalten Sie Lesungen?«
»Nein! Hier ist eine Buchhandlung!«
»Ach so.«
»Wiederhören.«
»Wiederhören.«

Darmstadt:

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Guten Tag Herr Kolz, Sie haben einen Roman geschrieben?«
»Ja, soll ich Ihnen da mal den Titel oder die ISBN durchgeben?«
»Ja gerne.«
»Also, neun, sieben, acht, drei …«
»Neunzig macht drei?«
»Äh, nein, die ISBN lautet: n e u n, s i e b e n, a c h t, d r e i … acht, fünf, zwei, fünf, sechs, sechs, vier, zwei, neun.«
»Okay, ich hab das mal eben aufn Zettel notiert.«
»Ja, oder wollen Sie vielleicht noch den Titel … doppelt hält ja besser, also S c h a c h b r e t t t a g e …«
»Doppelt hält besser, also Schachbretter tragen lautet der Titel?«
»Was nein, nein! Schachbretttage, also nur
S C H A C H
B R E T T T A G E !«
»Ach so.«
»Ja.«
»Ich tippe das mal eben in den Computer … Bei den Grossisten ist der aber nicht gelistet?«
»Doch, doch, Schachbretttage, mit drei t
»Ach so, neue Rechtschreibung, furchtbar.«
»Ja, ja.«
»Ah jetzt kommt hier was … oh, ist das ein alter Ford auf dem Cover?«
»Keine Ahnung.«
»Das ist aber nicht Ihr Auto, oder?«
»Nein.«
(Gemurmel im Hintergrund.)
»Was sagen Sie … ach so, ich dachte die Kundin spricht mit mir, aber die redet mit ihrem Hund.«
»Aha.«
»Na gut, also ich glaube aber, Ihr Buch ist hier nichts für unsere Leute.«
»Verstehe.«
»Ja, aber ich könnte natürlich trotzdem mal reinlesen … könnten Sie mir da mal eins zu schicken?«
»Ich habe keine mehr … aber eine pdf könnte ich Ihnen anbieten.«
»Oh nein, mein Rechner ist da viel zu langsam, außerdem lese ich ungern am Computer.«
»Kann ich verstehen.«
»Oh, jetzt möchte die Kundin doch was von mir, also auf Wiederhören und schicken Sie mir den Roman einfach zu.«
»Ich hab kein …«
»Danke Ihnen, auf Wiederhören.«
»Wiederhö…«
(Klack.)

Meckenheim:

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Bitte was?«
»Machen Sie Lesungen?«
»Äh, ja … schon gelegentlich … aber wissen Sie, ich habe gerade ganz andere Probleme.«
»Oh.«
»Ja, gerade hat eine Mitarbeiterin per SMS gekündigt.«
»Per SMS?«
»Ja.«
»Macht man das heutzutage so?«
(lacht) »Ich weiß es nicht, ist für mich auch neu … ›Ich
komm nicht mehr, ich hab psychische Probleme‹, mehr stand nich drin.«
»Hm, schon etwas kurz gefasst.«
(lacht) »Ja, ich weiß auch nicht, was mit den Menschen heutzutage los ist … na egal … Also wegen ’ner Lesung, schicken Sie mir dann doch bitte eine SMS, äh Entschuldigung (lacht), eine E-Mail meine ich natürlich.«
»Sehr gerne, an welche Adresse bitte?«
»Also, info ät Bücher, mit ue, minus Meckenheim
Punkt d e.«
»Ja, also Meckenheim … Heim, wie die Anstalt?«
»Ja, (lacht), also Sie gefallen mir, ist Ihr Buch auch so witzig wie Sie?«
»Viel witziger.«
(lacht) »Und wie heißt es?«
»Schachbretttage.«
»So, das bestelle ich mir jetzt mal zum Lesen.«
»Dafür wurde es gemacht.«
(lacht) »So, schon passiert. Ich wünsche Ihnen noch einen tollen Tag und bitte schicken Sie mir die E-Mail, ja?«
»Natürlich.«
»Also dann Tschüssi.«
»Tschüss.

Bayreuth:

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur kurz fragen, machen Sie Lesungen?«
»Bitte was mache ich?«
»Veranstalten Sie Lesungen?«
»Oh nein, das mache ich nicht. Meine Frau hat das früher mal gemacht, aber das ist lange her.«
»Verstehe.«
»Ja, die ist ja auch schon gestorben … aber wie war Ihr Name noch gleich?«
»Birkholz.«
»Dirk Holz, was kann ich für Sie tun Herr Holz?«
»Nein, äh Birkholz!«
»Bitte?«
»Nicht wichtig, ich bin auf Lesereise … aber da Sie ja keine …«
»Ach, Sie haben ein Buch geschrieben Herr Holz, das ist ja schön. Wie heißt es denn?«
»Schachbretttage.«
»Wie?«
»Schachbretttage!«
»Aha, schön.«
»Ja … möchten Sie die ISBN?«
»Nein, die brauche ich nicht, ich hab das Geschäft hier zwar noch, aber das geht auch ganz gut ohne Computer.«
»Verstehe.«
»Schicken Sie mir Ihr Buch doch ruhig zu, auch gerne mit Rechnung, ich lasse mir immer gerne was zuschicken, ich bin vier Monate vor der Neunzig und habe ja Zeit jetzt, viel Zeit.«
»Kann ich gerne machen.«
»Gut, dann gebe ich Ihnen noch meine Adresse.«

Ein Monat später

»Birkholz, guten Tag.«
»Wer ist dran?«
»Birkholz! Ich war der Herr, der Ihnen das Buch geschickt hat. Ich hoffe, dass es bei Ihnen angekommen ist?«
»Welches Buch, wissen Sie, man schickt mir so viele Bücher?«
»Das Buch heißt Schachbretttage
»Ja, ich glaube ich erinnere mich, dass da was gekommen war, wissen Sie meine Frau ist ja gestorben, und da habe ich jetzt viel Zeit, und ich lasse mir auch alles gerne zuschicken.«
»Ja, ich sollte es Ihnen auch zuschicken, eine Rechnung lag bei.«
»Haben Sie auch eine Rechnung beigefügt?«
»Ja, hatte ich.«
»Ja, das wird sich schon anfinden, was meinen Sie, was auf meinem Schreibtisch los ist, das türmt sich da bis unter die Decke.«
»Ja, kann ich mir vorstellen.«
»Ich kümmere mich drum.«
»Danke, das ist sehr freundlich.«
»Auf Wiederhören.«
»Auf Wiederhören.«

Ein Monat später

»Birkholz, guten Tag.«
»Guten Tag.«
»Ich war der Herr, der Ihnen die Schachbretttage geschickt hat. Hat sich das Buch denn inzwischen wieder angefunden?«
»Oh, helfen Sie mir da nochmal auf die Sprünge, also Sie hatten mir ein Buch geschickt?«
»Ja, die Schachbretttage. Auf dem Cover ist ein alter Ford.«
»Oh, das sagt mir jetzt aber gar nichts, aber ich habe hier so viele Bücher. Meine Frau ist ja jetzt auch schon verstorben, und da nehme ich mir jetzt einfach mal die Zeit dafür, ich habe ja jetzt richtig viel Zeit.«
»Ja, ja, aber …«
»Ich muss da nochmal auf meinen Schreibtisch nachschauen … Sie können sich sicher gar nicht vorstellen, was da drauf los ist?«
»Ja, bestimmt sehr voll.«
»Sie haben ja keine Vorstellung! Aber ich schaue da jetzt noch mal nach. Hatten Sie auch eine Rechnung dabei?«
»Ja, die war mit im Päckchen.«
»Ach Herrje, schicken Sie mir die Rechnung doch einfach noch mal, wenn’s keine Umstände macht?«
»Äh … ja, kann ich machen … also sind Sie sicher, dass Sie die Rechnung nicht mehr wiederfinden?«
»Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich Ihr Buch überhaupt wiederfinde (lacht). Nein, keine Sorge, das findet sich schon wieder an. Bis jetzt hat sich ja immer alles wieder angefunden (lacht).«
»Hm.«
»Schicken Sie mir die Rechnung, und ich suche Ihr Buch.«
»Na gut.«

Drei Tage später

»Birkholz, guten Tag, ich wollte nur wissen, ob die Rechnung bei Ihnen angekommen ist?«
»Wer ist dran?«
»Birkholz!«
»Ach, Sie waren der Herr mit dem Buch, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ja, die Rechnung ist bei mir angekommen, liegt aufm Schreibtisch.«
»Schön.«
»Sie haben ja keine Vorstellung davon, wie voll der ist.«
»So ’n bisschen schon.«
»Bitte?«
»Nichts. Haben sich denn die Schachbretttage wieder angefunden?«
»Was hat sich angefunden?« »Mein Buch, Schachbretttage, Sie wollten doch noch mal danach schauen?«
»Ach ja natürlich, Ihr Buch, nein, noch hat es sich nicht wieder angefunden, aber ich werde da heute mal verstärkt nach Ausschau halten, rufen Sie mich doch übermorgen nochmal an.«
»Warum nicht morgen?«
»Bitte?«
»Okay, ich melde übermorgen nochmal … aber die Rechnung haben Sie, ja?«
»Natürlich, bei mir hier kommt nichts weg. Schauen Sie, ich bin jetzt zwei Monate vor der Neunzig und meine Frau ist auch schon verstorben, da habe ich jetzt viel Zeit, sehr viel Zeit.«
»Ja.«
»Also, ich höre dann von Ihnen?«
»Ja, auf Wiederhören.«
»Ja, ja.«

Zwei Tage später

»Birkholz, hallo, ich wollte mich nur schnell erkundigen, ob sich das Buch wieder eingefunden hat.«
»Ja, Herr Holz, hat es … aber ich sage es Ihnen gleich, Ihre Schachbretttage werde ich Ihnen nicht abkaufen!«
»Aha, wieso?«
»Das ist doch so eine Art Roman, nicht wahr?«
»Äh, ja, soweit ich weiß schon.«
»Ja, was soll ich denn damit?«
»Äh, weiß nicht, was man mit Büchern halt so macht.«
»Aber ich habe doch nur Astrologie-Bücher in meinem Sortiment!«
»Ach was?«
»Jaa.«
»Das hatten Sie bisher vergessen zu erwähnen.«
»Hatte ich das nicht erwähnt?«
»Es muss mir entgangen sein.«
»Also, ich kann mit Ihrem Schachbuch beim besten Willen nichts anfangen … möchten Sie es eventuell zurückgeschickt bekommen?«
»Ja, das wäre nicht schlecht.«
»Gut, dann schicken Sie mir bitte Ihre Adresse.«
»Bitte was soll ich?!«
»Ihre Adresse, damit ich es Ihnen zurücksenden kann.«
»Ja, schon klar, aber die Adresse haben Sie doch, die steht auf dem Umschlag UND auf der Rechnung.«
»Herr Holz, ich werde die Rechnung nicht bezahlen, ich brauche Ihr Buch nicht! Ich habe jetzt zwar viel Zeit, meine Frau ist ja kürzlich verstorben, aber mit Ihrem Buch kann ich ja so gar nichts anfangen.«
»Ich meinte, die Adresse steht auf der Rechnung, die könnten Sie da einfach abschreiben.«
»Ja, da bin ich schon in der Lage zu Herr Holz, ich bin zwar schon kurz vor der Neunzig, aber noch lange nicht verkalkt!«
»Das sagt ja auch niemand.«
»Na dann schicke ich Ihnen Ihr Buch wieder zurück, die Adresse müsste ja noch auf dem Päckchen stehen, oder?«
»Ja, müsste sie.«
»Na gut, aber heute komme ich nicht mehr dazu, vielleicht morgen.«
»Ja, vielleicht morgen.«
»Auf Wiederhören.«
»Auf Wiederhören.«

Drei Wochen später

»Birkholz, hallo, ich wollte nur nochmal kurz nach dem Buch fragen.«
»Ja?«
»Ja, also, es ist bisher noch nicht bei mir angekommen.«
»Ach Herr Holz … ne das kann ja auch gar nicht bei Ihnen angekommen sein, ich habe es ja noch hier!«
»Aha.«
»Ja!« (lacht)
»Wollten Sie es mir nicht zurückschicken?«
»Ja, aber ich habe mir jetzt überlegt Ihr Buch doch zu lesen.«
»So.«
»Ja, Sie wissen, ja, eigentlich habe ich eine astrologische Buchhandlung, aber da ich auch immer gerne mit meiner Frau vereist bin – die ist ja kürzlich verstorben – und Ihr Buch ums Reisen geht …«
»Im weitesten Sinne …«
» … da habe ich mich jetzt entschlossen Ihren Reisebericht mal zu lesen.«
»Schön.«
»Ja und das Geld werde ich Ihnen dann auch, also wenn ich es gelesen habe, überweisen, also zu neunundneunzig Komma neun Prozent.«
»Wunderbar.«
»Ja, und Ihr Buch kostet ja zwanzig Euro, und ich bezahle Ihnen dann fünfzehn … der Buchhandel muss ja auch von was leben?«
»Häh?«
»Einverstanden?«
»Klar.«
»Ach und was ich Ihnen noch sagen wollte, eine ganz verrückte Geschichte: Ihre Rechnung kam zusammen mit der Orgelrechnung!«
»Orgelrechnung?«
»Ja, in unserer Kirchengemeinde haben wir eine sehr schöne alte Orgel, aber die Pfeifen mussten dringend mal erneuert werden, und da die Gemeinde wenig Geld hat, da rief der Bürgermeister – mit dem ich auch entfernt verwandt bin – zu einer Spendenaktion auf. Und dem hatte ich zugesagt, mich mit etwa fünfhundert Euro zu beteiligen.«
»Verstehe.«
»Ja, und Ihre Rechnung UND die Orgelrechnung kamen jetzt am selben Tag (lacht)… beziehungsweise, es handelte sich bei der Orgelrechnung schon um die zweite Mahnung, denn ich werde ja nur zweihundertfünfzig Euro für die Pfeifen bezahlen.«
»Natürlich.«
»Ich sehe ja auch gar nicht ein, die vollen Fünfhundert zu bezahlen.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Und geben Sie mir ein bisschen Zeit, ja?«
»Zeit?«
»Ja, so ein paar Wochen bräuchte ich schon, um Ihren Bericht zu lesen.«
»Nehmen Sie sich alle Zeit der Welt.«
»Na, ob ich noch so viel Zeit habe, weiß ich nicht (lacht), ich werde ja nächsten Monat schon neunzig!«
»Ein schönes Alter.«
»Jaha. Aber da kriegt’s man auch im Rücken. Mein Arzt – den kenn ich jetzt ja auch schon seit dreißig Jahren, ist ja ein Duzfreund von mir – der hat mir da jetzt mal so ’ne Salbe verschrieben. Da warte ich jetzt noch auf den Apothekerjungen, der sollte eigentlich schon da sein. Haben Sie die Uhrzeit?«
»Drei.«
»Ach, erst drei, na ja, da wird der schon noch kommen. Ich hab’s ja ’n bisschen mit dem Rücken. Da warte ich jetzt mal.«
»Ja.«
»Also dann auf Wiederhören.«
»Was? Ach so, ja auf Wiederhören.«

Fünf Monate später

»Birkholz, guten Tag, ich wollte mich nochmal nach meinem Buch, beziehungsweise nach der Überweisung erkundigen.«
»Bitte was? Helfen Sie mir nochmal schnell auf die Sprünge.«
»Sie beabsichtigten mir die zwanzig, äh fünfzehn Euro für die Schachbretttage zu überweisen.«
»Ach dieses seltsame Buch! Nein, die überweise ich Ihnen nicht!«
»Wieso nich?«
»Das war ja gar kein Reiseführer!«
»Das hatte ich auch nie behauptet.«
»Ja, ich hatte da mal bei Ihrem Verlag recherchiert, der hat ja sehr schöne Reiseführer über Südtirol, aber Ihr Buch hat da ja gar nichts mit zu tun!«
»Stimmt, das ist ein Roman.«
»Naja Roman, also, am Anfang diese frechen Gespräche, und dann später diese komischen Wechsel, und RÜGEN kommt bei Ihnen ja auch ganz schlecht weg … Also ich bin mit meiner Frau – die ist ja vor einem Jahr gestorben – immer sehr gerne auf Rügen oder Usedom gewesen, und ich kann das gar nicht teilen, was Sie da geschrieben haben, und ich muss Ihnen wirklich sagen Herr Holz, unter Ihrem Buch hatte ich mir da schon etwas ganz anderes vorgestellt.«
»Ja, wie gesagt, das ist ja auch kein Reiseführer.«
»Ja, das habe ich dann auch gemerkt und außerdem habe ich hier ja hauptsächlich Astrologie-Bücher in meinem Sortiment.«
»Ich weiß.«
»Bitte?«
»Ach, so.«
»Also, Ihr Buch kaufe ich jedenfalls definitiv nicht … aber ich kann es Ihrem Verlag gerne zurückschicken …«
»Äh nein, schicken Sie es bitte mir zurück.«
»Ja, das kann ich natürlich auch machen, kein Problem … Wissen Sie, ich bin jetzt über neunzig, da kann ich mit solchen Büchern wie dem Ihren ja so gar nichts anfangen.«
»Macht nichts, nicht schlimm.«
»Hab ich Ihre Adresse?«
»Ja, die stand auf dem Umschlag UND auf der Rechnung.«
»Na, dann werde ich die schon finden, Sie haben ja keine Vorstellung, was auf meinem Schreibtisch los ist.«
»Nein, hab ich nicht.«
»Also dann, ich schicke es Ihnen bei Gelegenheit zurück.
Einen schönen Tag noch.«
»Ja, Ihnen auch, auf Wiede …«
»Wiederhören.«

Acht Monate später

»Birkholz, guten Tag.«
»Wer ist dran?«
»Birkholz.«
»Was?«
»Birkholz! Ich war der Herr, der Ihnen das Buch geschickt hat. Sie wollten mir …«
»Was für ein Buch?«
»Egal, entschuldigen Sie die Störung.«
»Och das macht nichts, ich bin ja kürzlich einundneunzig geworden und meine Frau ist ja auch schon vor einer Weile gestorben und da hab ich jetzt viel Zeit, gaaaannnnz viel Zeit …«

Ahrenshoop:

»Birkholz, guten Tag Frau H…«
»Guten Tag.«
»… guten Tag Frau Hansen, mein neuer Roman ist fertig.«
»Wer spricht da?«
»Birkholz, hallo, ich sollte mich melden, wenn mein nächster Roman erschienen ist.«
»Sollten Sie?«
»Ja, erinnern Sie sich, Herr Groß hatte letztes Jahr bei Ihnen aus meinem Debüt vorgelesen … Deplatziert
»Herr Groß?«
»Ja, ich spreche da doch mit der Bibliothek, Frau Hansen, richtig?«
»Ja, Sie sprechen mit der Bibliothek, aber Frau Hansen ist im Mutterschutz.«
»Ach herrje.«
»Was heißt Ach herrje, das hat sich die Frau Hansen auch redlich verdient …«
»Ja, selbstverständlich, natürlich … wissen Sie denn zufällig,
wann Frau Hansen wiederkommt?«
»Also, das ist ja eine Frage … das wird schon noch dauern,
Sie werden da wohl leider mit mir Vorlieb nehmen
müssen. ICH bin nämlich jetzt hier für die Veranstaltungen zuständig.«
»Verstehe.«
»Mein Name ist im Übrigen Dada.«
»Ja, guten Tag Frau Dada, also …«
»Guten Tag.«
»… ja, also mein zweiter Roman ist kürzlich erschienen …«
»Was ist denn das für ein Roman?«
»Der handelt von einer Lesereise und heißt Schachbretttage und …«
»Lesereise, sagten Sie?«
»Ja …«
»Und Sie sind auf Lesereise?«
»Ja, das heißt nein, noch nicht, ich bin noch bei der Planung.«
»Aha, also Sie schreiben über das, was Sie erleben?«
»Was?! Nein, nicht unbedingt, also die Geschichte ist fiktiv …«
»Fiktiv?«
»Ja, also hören Sie, Herr Groß war letztes Jahr bei Ihnen in der …«
»Wer in Gottes Namen ist Herr Groß?«
»Mein Vorleser.«
»Ihr was?«
»Mein Vorleser! Der war letztes Jahr bei Frau Hansen in der Bibliothek und hat …«
»Letztes Jahr war ich ja noch gar nicht hier, ich kenne diesen Herrn Groß also nicht.«
»Ja, schon klar, aber …«
»Und dieser Herr Groß liest für Sie vor?«
»Ja.«
»Wieso lesen Sie denn nicht selbst?«
»Das hat sich so ergeben.«
»So ergeben?«
»Ja, egal, jedenfalls jetzt lese ich selbst, schon seit geraumer Zeit, und Frau Hansen meinte, ich oder Herr Groß sollten uns ruhig wieder melden, wenn ein neuer Roman am Start ist.«
»Am Start?«
»Also fertig ist.«
»Und dieser Herr Groß ist auch Schriftsteller?«
»Nein, bildender Künstler.«
»So, so.«
»Ja, und der ist jetzt letzten Monat erschienen.«
»Herr Groß?«
»Nein, mein Roman!«
»Schach-Plantage?«
»Wie? Nein, nein Schachbretttage
»Schach…?«
»Schachbretttage!«
»Sowas hat doch der Stefan Zweig schon geschrieben.«
»Ja, kann sein, aber das ist schon was anderes.«
»Aber es geht doch bestimmt ums Schachspielen, oder nicht?«
»Es geht mehr ums Ausloten und Taktieren.«
»Taktieren? Also, doch Schachspielen?«
»Nein, nicht direkt.«
»Hm, naja egal, aber der Punkt ist: Ich kenne Ihr Buch gar nicht und auch Sie kenne ich nicht, und auch nicht diesen ominösen Herrn Groß.«
»Herr Groß würde diesmal ja auch gar nicht kommen.«
»Ja, mag sein, aber wie gesagt, ich kenne Ihr Schachbuch nicht, und einfach so mache ich mit Ihnen auch sicher keine Lesung, ich müsste da schon eine ganze Menge mehr erfahren.«
»Gerne, was möchten Sie wissen, ich hätte da Pressetexte, eine Hörprobe, Sie könnten auch noch mal mit Frau Hansen reden, die war ja letztes Jahr bei der Lesung anwesend, und könnte Ihnen sagen, wie die ganze Sache angekommen war.«
»Ich werde Frau Hansen während Ihrer Elternzeit sicher nicht belästigen, die ist bis Mitte nächsten Jahres freigestellt, und das hat sie sich auch wirklich verdient …«
»Ja, ja, war ja auch nur ein Vorschlag, wie gesagt, ich hätte Pressetexte, eine Hörprobe von der Leipziger Buchmesse und …«
»Eine Hörprobe, ja, so etwas wäre natürlich gut, also, mir muss das schon zusagen, auch wie Sie lesen. Manche Autoren lesen nämlich grauenhaft.«
»Aha.«
»Aber viel wichtiger ist, mir muss Ihr Schachbuch zusagen.«
»Logisch.«
»Ist das denn im Handel schon zu bekommen?«
»Ja, sicher.«
»Na, das ist ja gut … so, ich schreibe das jetzt mal auf, also ihr Name war Berghoff?«
»B i r k h o l z.«
»Aha, und das Buch hieß Schachbrettplage?«
»Nein! S c h a c h b r e t t t a g e !«
»Schachbretttage, okay. In welchem Verlag ist das denn überhaupt erschienen?«
»Im Folio Verlag.«
»Wie?«
»Im Folio Verlag Wien!«
»Den kenne ich gar nicht. Kommt der Verlag aus Wien?«
»Ja.«
»Aha. Ach wissen Sie was, einfacher wäre es für mich, wenn Sie mir den Roman mal zuschicken würden. Ich möchte mir da wirklich selbst ein Bild machen.«
»Natürlich.«
»Unsere Adresse haben Sie?«
»Ja, die steht ja im Internet.«
»Gut, also, ich warte dann mal auf Post von Ihnen, und melde mich dann, soweit ich mehr weiß.«
»Okay.«
»Also, auf Wiederhören. Sie hören von mir.«
»Ja, auf Wiederhören.«

Vier Monate später

»Birkholz, guten Tag.«
»Guten Tag, Herr Birkholz.«
»Spreche ich mit Frau Hansen?«
»Nein, Herr Birkholz, hier ist wieder Frau Dada! Sie
verwechseln uns ja immer …«
»Ach ja, Entschuldigung, Frau Hansens Name steht hier noch auf meinem Zettel …«
»Frau Hansen ist weiterhin in ihrem verdienten Mutterschutz, Sie erinnern sich?«
»Ja, ja, natürlich, wie gesagt, ich hatte vergessen auf meinem Zettel Ihren Namen hinzuzufügen – mein Fehler.«
»So, so. Na, das können Sie dann ja jetzt nachholen.
DADA ist der Name.«
»Ja, ich weiß. Also, ich wollte jetzt nochmal nach der Lesung fragen … ich hoffe, das Buch war bei Ihnen angekommen?«
»Ja, Herr Birkholz, Ihre Schachbretttage sind bei uns angekommen.«
»Schön, wann hätten Sie denn einen Termin frei?«
»Also, soweit ich mich erinnere, hatten wir über einen Termin noch gar nicht gesprochen.«
Ȁh nein, Sie wollten das Buch zugeschickt bekommen
und sich dann melden.«
»Ja, Herr Birkholz, und Ihr Buch ist hier auch angekommen.«
»Schön.«
»Ja, nur muss ich Ihnen sagen, die Frau Kubascheck war da jetzt gar nicht so angetan von Ihrem Roman
»Wer war was?«
»Frau Kubascheck! Wir machen das hier ja zu dritt, also
derzeit, wie Sie wissen, nur zu zweit, weil sich Frau Hansen
ja im Mutterschutz befindet.«
»Ja, ja. Und diese Frau Kubascheck ist also die Entscheidungsträgerin,
oder wie muss ich das verstehen?«
»Also, Herr Birkholz, so ist es nun auch wieder nicht. Wir entscheiden das hier schon gemeinsam, also zu dritt, wie gesagt momentan zu zweit, aber ich werde sicher nicht über Frau Kubaschecks Kopf hinweg etwas vereinbaren, wenn sich Frau Kubascheck mit Ihrem Roman unwohl fühlt.«
»Unwohl fühlt?«
»Nun ja, sie äußerte da gewisse Bedenken, auch hinsichtlich des Publikums, wir kennen ja unsere Leute hier.«
»Also, Frau Hansen äußerte damals keine Bedenken,
und soweit ich es von ihr und Herrn Groß weiß, war das Publikum sogar ziemlich angetan gewesen.«
»Ja, das mag vielleicht sein, aber ich war damals ja nicht dabei, und kann da auch gar nichts zu sagen, was ich Ihnen allerdings sagen kann, ist, dass sich Frau Kubascheck da sehr schwer tat mit Ihrem Buch.«
»Wann kommt denn Frau Hansen aus dem Mutterschutz zurück?«
»Also, das ist ja eine dreiste Frage, das muss ich Ihnen jetzt mal sagen. Glauben Sie, dass Frau Hansen hier alleine über die Veranstaltungen bestimmen kann?«
»Keine Ahnung, aber anscheinend kann es die Frau Kubascheck.«
»Herr Birkholz, ich sage es Ihnen jetzt zum dritten Mal,
wir entscheiden hier alle gemeinsam, nur wenn sich Frau Kubascheck mit Ihrem Buch schwer anfreunden kann, dann müssen Sie das auch akzeptieren.«
»Ich kann vieles akzeptieren, nur …«
»Nur?! Also, Herr Birkholz, ich weiß jetzt wirklich nicht, wo Ihr Problem liegt?«
»Sie betonen die ganze Zeit, Sie entscheiden zu dritt, und doch entscheidet nur einer.«
»Zu dritt, Herr Birkholz, wir entscheiden zu DRITT! Das müssen Sie doch verstehen!«
»Ich äh …«
»Das läuft hier bei uns alles vollkommen demokratisch, können Sie das begreifen, begreifen Sie das!?«
»Wann sagten Sie, kommt Frau Hansen aus der Muttizeit zurück?«
»Also wirklich, Herr Birkholz, ich muss schon sagen, das ist ja …«
»Ja, ja, egal, lassen wir das. Servus.«
Ich lege auf und habe das dringende Bedürfnis, mit jemandem Vertrauten und Normalen zu reden. Ich rufe Justyna an. Ich schalte die Freisprechanlage ein. Gerade als Justyna rangeht – sie erkennt meine Nummer – weiß also, dass ich es bin – klingelt mein zweites Telefon. Ich nehme den Hörer ab.
»Also, Herr Birkholz, das war ja nun wirklich unangebracht, Sie sollten …«, zetert die Dada.
»Schatzi!?«, ruft Justyna mit ihrer tiefen Stimme. Ich halte den Telefonhörer an den Lautsprecher.
»Schatzi?! Bist du da, hier ist Jussi! … Hallo Schatzi, ich bin’s … Juhu!«

Um die Verwirrung für die Dada perfekt zu machen, verstelle ich meine Stimme und rufe aus dem Hintergrund: »Wer hat das Eichhörnchen gefressen!?«
Darauf lege ich auf und widme mich Justyna, die sich über den seltsamen Gesprächseinstieg überhaupt nicht wundert.

Fünfzehn Minuten später

Email:

Sehr geehrter Herr Birkholz,
dass Sie sich mit diesem völlig unangebrachten Benehmen komplett disqualifiziert haben, sollte Ihnen klar sein. Anscheinend fällt es Ihnen doch schwer, eine sachliche Absage zu akzeptieren. Nach Frau Hansens Rückkehr werde ich sie über diesen unprofessionellen Vorfall Ihrerseits in Kenntnis setzen und von daher wird es auch in Zukunft keine Lesung mit Ihnen geben.

Mit freundlichen Grüßen

Mona Dada

Bonustracks:

Kiel:

lieber herr kerbholz - na , ihr roman ist ja wohl eher ne mischung aus erzählungs-sammlung & tagebuchaufzeichnungen. und wo sie sich scheinbar auch in pensionen so schlecht benehmen , da können wir hier in kiel ja gar keine lesung mit ihnen machen . und wer , bitte , ist denn schon wieder " herr buchholz " . . . ? all diese ungereimtheiten . freundliche grüsse ,
harald XXXX

PS: na - da muss ich wohl aufpassen , dass ich in ihrem nächsten werk nicht vorkomme . vielleicht haben sie unser telefongespräch von neulich ja auch aufgenommen.
(wie die von den komischen buchhändlern , die beim telefonieren immer lachen und die nicht mal Ihren namen richtig schreiben können . . . ! )
Buchladen XXXX GmbH
XXXX 6
XXXX Kiel
Deutschland

Isernhagen:

Guten Morgen Herr Bergholz,

zu Ihrem neuen Text "Schachbretttage" ein Tipp von meiner Seite, den Sie mir bitte nicht verübeln! Ich finde starke Kürzungen täten ihm gut. Worum geht es Ihnen, wo ist Ihr Höhepunkt? Die Beschreibungen und vor allem die Dialoge könnten in einem Drehbuch passen, sind aber im Roman meiner Meinung nach zu ausführlich (hier z.B. Szene mit Alg-Sachbearbeiter).
Vielleicht probieren Sie Kurzgeschichten zu schreiben, da kann man üben, ohne viele Worte viel zu sagen und muss klar herausarbeiten, was das Wichtige an der Geschichte ist.
Der Einstieg und die Zahnarzt-Szene in ihrem Buch sind aber wirklich witzig, das hat man auch an den Lachern des Publikums merken können.

Das Ihre Zielrichtung auf ein jüngeres Publikum hin ist deutlich, aber in unserem Fall bei einer öffentlichen Lesung natürlich auch riskant, denn die älteren Zuhörer hätten das "Senioren-Bashing" auch übel nehmen können.

Ich hoffe, wir tauchen mit unserem Abend nicht in Ihrem nächsten Roman auf und bedanke mich sehr für Ihre Teilnahme!

Mit besten Grüßen

Dr. Marlene X



Artikel online seit 12.01.20
 

 

 

 


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