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Die Bibel enttarnt
Robert Crumb gilt als
Gründer der Underground-Comix. Seit den 70er Jahren provoziert er mit seinen
Zeichnungen, die Vorlagen für zahlreiche Skandale bildeten. Nun hat er die Bibel
als Comic gezeichnet. Am 25. Februar 1968 wusste niemand an der Ecke Haight / Ashbury Street in San Francisco, dass er gerade Zeuge der Geburtsstunde eines großen Künstlers wurde. Ein schlecht ernährter, junger Mann in einem altmodischen Anzug stand dort mit seiner schwangeren Frau und verkaufte aus einem Kinderwagen heraus Comichefte. Dabei handelte es sich nicht etwa um die private Sammlung des jungen Mannes, die er kurz vor der Familiengründung noch in Geld umwandeln wollte, sondern um die erste Ausgabe des legendären ZAP-Magazins. Robert Crumb, der Gründer der Underground-Comicszene, versuchte an diesem Sonntag höchstpersönlich sein Comicheft der besonderen Art an den Mann oder die Frau zu bringen. Kaum ein Comiczeichner hat die internationale Szene derartig geprägt, wie Crumb. Es gibt kaum einen gegenwärtigen Zeichner von Rang, der in seinen Anfangsjahren nicht auch seine Crumb-Phase hatte. Dabei ist der Amerikaner nicht unumstritten. Immer wieder musste er sich mit Vorwürfen, er sei sexistisch, rassistisch oder antisemitisch, auseinandersetzen. Seine Zeichnungen gaben Anlass dazu. Auf die Vorwürfe wusste Crumb stets zu reagieren: „Aber all dieser Quatsch ist doch tief in unserer Kultur und unserem Kollektivgedächtnis verwurzelt, und nun muss man damit umgehen. Er ist in mir. Er ist in jedem von uns.“, schrieb er in den 70ern zu seiner Verteidigung. Diese Aussage macht deutlich, worum es ihm stets ging: Um die ironische Abbildung dessen, was er sah. Wer wie Crumb die Schule des Meisters der Ironie Harvey Kurtzman durchlaufen hat, kann wohl nicht anders. Crumbs Charaktere wirkten stets überzeichnet, geradezu clownesk. Seine Figuren sind die Hippies in der Comicszene (In seiner Figur Mr. Natural spitzt sich diese Beschreibung in direkter Art und Weise zu). Diese Wirkung wird noch gesteigert, indem Crumb Text und Bild stets konträr gegenüberstellt. Die harmlosesten Bilder sind mit den derbsten Dialogen versehen, so dass man sich als Leser die Augen reibt und nicht weiß, was einen mehr schockiert: die naiven Zeichnungen oder der schamlose Text dazu. Die größten Anfeindungen brachte ihm die feministische Bewegung entgegen, die Sturm lief gegen seine Zeichnungen fleischiger Matronen, die stets auf Objekte mehr oder minder perverser Begierden reduziert wurden. 1971 widmete Crumb den „feministischen Frauen“ daher einen Cartoon. In diesem kommen die Gründe für seine Widersprüchlichkeit und Umstrittenheit deutlich zum Ausdruck. Während in den ersten Bildern ein Schwiegersohngleicher Robert Crumb den Feministinnen dieser Welt entgegen säuselt, dass er doch gern ihr Freund wäre, endet die Bilderfolge in einem Wutausbruch, in dem er ihnen sinngemäß entgegenbrüllt, dass er zeichne, was er wolle, und wenn den Damen das nicht gefalle, sie ihn gefälligst in Ruhe lassen sollten („Well, listen, you dumb-assed broads, I'm gonna draw what I fucking-well please to draw and if you don't like it FUCK YOU!“). Provokant, aber wirkungsvoll. Ein echter Crumb. Als er diesen Strip zeichnete, war er 28 Jahre alt. Inzwischen ist Crumb weit über sechzig und braucht die Provokation um ihrer selbst Willen nicht mehr. Ein Alterswerk ist sein monumentaler Comic zum Ersten Buch Mose, der kürzlich im Carlsen-Verlag erschienen ist, jedoch keinesfalls. Auf mehr als 200 Seiten hat er die Genesis, die ersten 50 Kapitel des Alten Testaments, als Comic gestaltet; ein eindrucksvolles Werk. Denn Crumb lässt Text und Bild an seinem historischen Ort, erliegt nicht der Versuchung zu verfälschen oder verschönern. So legt er nicht nur die inhärente Gewalt und Grausamkeit der biblischen Geschichte frei (wie angesichts dieser Erzählung die Mär eines stets gütigen und gerechten Gottes entstanden ist, muss man sich ernsthaft fragen), sondern auch die Redundanz von Textes und Handlung. Seine Zeichnungen sind wie gewohnt naiv und mit üppigen Proportionen ausgestattet – und passen damit in die historische Szenerie wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge. In seinem kurzen Vorwort zum als „Graphic Novel“ herausgegebenen Band schreibt Crumb: „Falls meine gänzlich wortgetreue grafische Umsetzung des Ersten Buchs Mose den einen oder anderen Leser schockieren oder in seinen Gefühlen verletzen sollte, was angesichts der Verehrung, die dem Werk allenthalben entgegengebracht wird, wohl unvermeidlich ist, kann ich zu meiner Verteidigung nur sagen, dass ich meine Aufgabe lediglich darin gesehen habe, den Text zu illustrieren, ohne ihn in irgendeiner Weise ins Lächerliche zu ziehen oder für visuelle Kalauer zu missbrauchen – aber man kann es ja ohnehin nicht jedem recht machen“. Blättert man durch den Band, weiß man, wovon er hier spricht. Denn die Genesis ist eine Geschichte des Machthungers, unterlegt mit Anekdoten, in denen es um Leben und Überleben, Treue und Verrat, Vertrauen und Missgunst geht. Welcher Gläubige will das schon gern lesen, geschweige denn in Crumbs naiver, aber unzweifelhaft deutlicher Art illustriert sehen. Und wenn Crumb die Gewalttätigkeit der biblischen Sexualität zeichnet, wenn Frauen verschachert und zur Mehrung der biblischen Völker gefügig gemacht werden, dann ist dies nicht seiner Leidenschaft für das Sexuelle, sondern tatsächlich der sprachlichen Vorlage der King-James-Bibel zuzuschreiben (an die er sich streng hielt) – selbst wenn es um Darstellungen homosexueller und inzestuöser Vertrauensbeweise geht.
Die Bibel ist ein
„fulminantes Werk“, wen auch „von Menschen erdichtet“, schreibt Crumb. Was er
mit seiner unverfälscht Comicversion des Originals zeigt, ist, dass die
biblische Geschichte alles andere als friedlich und harmonisch ist. Er enthüllt
den Text der Genesis als kriegerisch, gewalttätig und tyrannisch, und leistet
damit einen wertvollen aufklärerischen Beitrag zur Bibelrezeption.
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Robert Crumb
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