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Aus Comics Filme machen, ist nichts Neues. Jon J. Muth’s Comicadaption von Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ dreht den Spieß um und bricht mit einer Tradition. Fritz Langs 1931 veröffentlichter Stummfilm „M“ ist zweifelsohne einer der Klassiker der deutschen Filmgeschichte. Von manchen Kritikern wird er gar als die Mutter des gesellschaftspolitischen Kriminalfilms bezeichnen. Wie in einer Sozialstudie geht es in Langs Film weniger um die Frage nach dem Mörder, sondern um den sozialen Nährboden von Kriminalität. Die Bedeutung von Langs Film zum Verständnis der Weimarer Republik und dem Erstarken des Nationalsozialismus ist aus eben diesem Grunde immens hoch. Bis heute gibt es keine filmische Neufassung von Langs „M“-Geschichte. Lediglich eine fasst um ein Viertel gekürzte Version kam 1960 in die Kinos, und zur Berlinale 2001 wurde eine restaurierte und nur wenig gekürzte Fassung gezeigt. Für eine Neuverfilmung scheint der Respekt vor diesem Werk zu groß. Zu perfekt ist Langs Original in seinem dramaturgischen Aufbau.
Der Film stellt den
Wendepunkt in Langs Entwicklung als Regisseur dar – vom Stumm- zum Tonfilm, vom
Expressionismus hin zur Neuen Sachlichkeit. Lang präsentierte mit seinem Film
ein sehr genaues Abbild seiner Zeit. Dementsprechend gestaltete er es mit
zahlreichen Karikaturen, veranschaulichte die Unmoral der ausgehenden ersten
deutschen Republik mit vielen satirischen Elementen und entwarf ein
gesellschaftliches Panorama voller Missgunst und Neid. Muth hat davon viel
übernommen. Das spezifisch Deutsche hat er jedoch nahezu vollkommen getilgt, so
dass sein Comic auch ebenso gut in einer amerikanischen Großstadt oder
asiatischen Metropole spielen könnte. Bereits an dieser Stelle wird das Hauptmotiv von Langs Originalvorlage deutlich. Weder Polizei noch die Ringvereine der Unterwelt jagen Hans Beckert – so heißt der Mörder, wie sich am Ende zeigen wird – aus altruistischen Gründen. Die einen jagen den Kindermörder, weil sie politischen Druck bekommen, die anderen, weil sein Treiben die Polizei auf den Plan ruft und damit ihre Geschäfte stört. Aus dieser Konstellation erwächst Langs Anliegen einer subtilen Diskussion um die gesellschaftliche Moral seiner Zeit. Denn gerade in der Abwesenheit jeglicher Moral drängt sich dem Zuschauer bzw. nun auch dem Leser deren Unabdingbarkeit auf. Daneben tritt die Tatsache, dass es sich bei Beckert um einen Triebtäter handelt, der ebenso Täter wie auch Opfer seiner selbst ist. Seine Tat scheint ein äußerer Zwang. Hans Beckert ist er ein doppelt Gejagter, verfolgt von dem Dämon eines pädophilen Doppellebens und gehetzt von Polizei und Unterwelt. Diese Verfolgung von zwei Seiten veranschaulicht Muth auf beeindruckende Weise mit einer zusätzlich eingeschobenen Geisterszene. In fünf Panels kommt Beckert dort eines seiner kindlichen Opfer in einem obskuren Treppenhaus entgegen, die Tatwaffe noch in der Hand haltend. Die Kehle ist dem Mädchen durchgeschnitten, das engelweiße Kleid blutgetränkt. „Onkel, Onkel … Du hast das fallen lassen. Du hast dein Messer fallen lassen. Ist viel zu scharf für’n Kind … ein Kind wie mich. Schau, da ist es.“ Im abschließenden Panel schaut Beckert in sein Spiegelbild umringt von dubiosen Gestalten. Nahezu lapidar, dieser eingebildete Monolog des Mädchens, der Beckert stärker als jede reale Leiche die eigene Schuld vor Augen führt. Und mit Beckert wird auch dem Leser, dem stummen, hinnehmenden Zeugen diese Schuld bewusst. Wir Leser sehen allzu oft mit Beckerts Augen, werden zu unangenehm berührten Mitwissern und in Ansätzen sogar zu betroffenen Sympathisanten des Täters. Muths Rhythmisierung und Perspektivierung zieht den Leser in den Comic hinein – und entlässt ihn auch nicht mehr. Der Leser soll nun die moralische Lücke der originalen Erzählung füllen und zum Korrektiv einer gefühlskalten Welt werden. Darin erweitert Muth die filmische Vorlage um einen weiteren Aspekt. Sein Comic bietet aber noch eine zweite Neuerung. Langs Film basiert auf einer realen Vorlage. Muth hat den Film zunächst reinszeniert und fotografisch festgehalten. Entstanden sind 24 Fotografien pro Sekunde, die tatsächlich aufgenommen wurden und zumindest die gespielte Realität widerspiegeln. Die entstandenen Einzelbilder verwendet Muth aber nicht direkt, sondern lediglich als Vorlagen. Seine gezeichneten Kopien verfälschen die Fotografien in Nuancen, erzielen damit aber immer wieder eine überraschende, erzählerisch-dramaturgische Wirkung. Im Schimmer der verlaufenden Wasserfarben löst er die Verbindung zwischen Realität und Fiktion vollends auf, denn für den Leser ist es so nahezu unmöglich, zwischen kopierten Originalen, verfälschten Vorlagen und neuen Momentaufnahmen zu unterscheiden – alles läuft im Fluss der dünnen Farbe zu einer neuen Handlung zusammen. Die wenigen bunten Farbakzente, die er dabei verwendet, ersetzen in der Übertragung auf das Comic Langs vorsichtig gesetzte Sound-Effekte. Dies alles gibt Muths eindrucksvollem Werk das Besondere, um Langs Vorlage noch einmal in der werkimmanenten Dramaturgie zu übertrumpfen.
Das Ende von „M – Eine
Stadt sucht einen Mörder“ ist hinlänglich bekannt. Die Ringvereine machen
gemeinsame Sache mit den Bettlern. Gemeinsam mit dem Prekariat macht die
Unterwelt Hans Beckert ausfindig und treibt ihn in die Enge. Vergeblich flieht
dieser in ein Bürohaus. In einem Geheimtribunal sitzt die Unterwelt über einen
aus ihrer Sicht noch viel schlimmeren Verbrecher zu Gericht. Die Unmoralischen
üben eine scheinheilige Moral. Erst in letzter Sekunde schreitet die Polizei ein
und verhindert einen Lynchmord. Seinem Tod entgeht Beckert deshalb nicht, denn
auch ein ordentliches Gericht spricht ihn schuldig und verurteilt ihn zum Tod.
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Jon J. Muth
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