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Verschollen in München

In Bayerns Hauptstadt kann man sich zwischen Schickeria und Religion schon mal verloren fühlen. Uli Oesterles treibt das auf die Spitze und legt mit »Hector Umbra« einen unglaublich guten Comic vor.

Von Thomas Hummitzsch

 

Was haben die Zeugen Jehovas mit der medialen Schickeria, weltfernen Vinylfreaks und heruntergekommenen Clubgängern zu tun? Nicht allzu viel, möchte man sagen. Das hat Uli Oesterle nicht daran gehindert, aus dieser Konstellation einen packenden Comic-Krimi zu entwerfen. Sein Meisterwerk „Hector Umbra“ liegt nun erstmals in kompletter Fassung vor.

Sein Titelheld „Hector Umbra“ ist eine gescheiterte Existenz. Mit seinen verwahrlosten Freunden macht er die Nacht zum Tag und hängt in völlig verqualmten Clubs ab, in denen nicht nur Tabakrauch in der Luft liegt. Tagsüber schläft er seinen Rausch aus und zweifelt an seinem Leben. Umbra befindet sich in einer Sinn- und Lebenskrise, die durch den kürzlich erlittenen Verlust eines Freundes noch erschwert wird. Als sein Freund Osaka Best, der „genialste DJ der Stadt“, auf mysteriöse Weise verschwindet, ist Umbra alarmiert. Einen weiteren Verlust in seinem Freundeskreis kann er nicht verkraften. Er macht sich auf die Suche und gerät in eine Unterwelt, in der es vor obskuren Gestalten nur so wimmelt. Eine irre Stadtstreicherin, die mit schwarzer Farbe eingebildete Tore in andere Welten versperrt. Aufdringliche Wachturmverkäufer, die im Auftrag einer höheren Macht handeln. Dazu kommen die skurrilen Figuren aus der Halbwelt der medialen Musikbranche, Türsteher, Groopies, Drogenhändler, ein neidischer DJ et cetera. Umbras engagierte Suche nach Osaka Best nimmt zwischenzeitlich höchst mysteriöse Züge an. Die entscheidende Auseinandersetzung dabei findet mit einer scheinbar imaginierten Macht, einer sehr konkreten Wahnvorstellung, statt. In einem Techno-Kampf in der Münchener Frauenkirche gipfelt diese Auseinandersetzung zwischen irdischer und pararealer Welt.

Kein Wunder, denn in „Hector Umbra“ geht es um das Wandeln zwischen Leben und Tod, um Spiritualität, Übersinnlichkeit und Wahnsinn. Der am Leben gescheiterte Umbra selbst ist ein Wanderer zwischen den Welten, der die Lösung für die Probleme in der Realität in der übersinnlichen Welt abholt. Vielleicht vertritt er damit weite Teile der Bevölkerung, die aufgrund ihrer Sorgen und Nöte in ihrem Leben in eine irrationale Spiritualität entfliehen. Oesterles Werk ist aber auch eine Grundsatzkritik an der naiven Technikverliebtheit des Homo Modernus, der sich keinerlei Gedanken über die Abhängigkeit und Auslieferung an eine Entität macht, die er im Zweifelsfall selbst nicht mehr zu steuern weiß.

Oesterle kann man ohne Zweifel als einen von Deutschlands international renommiertesten, in seiner Heimat jedoch viel zu wenig bekannten Comiczeichnern bezeichnen. Vor Jahren ist er der innerlich beengenden, kleindeutschen Pseudoromantik entflohen. Es hat ihn in die Welt der Comics hineingezogen und dort feiert er auch seine größten Erfolge. Der renommierte amerikanische Comiczeichner Mike Mignola, Erfinder der legendären Hellboy-Serie, holte den deutschen Kreativling mit dem Hang zum Düsteren zu seinem amerikanischen Verlag Dark Horse. Es ist also nicht verwunderlich, dass Oesterles kantiger, verschrobener Stil an die Zeichnungen von eben jenem Mike Mignola erinnert. In Frankreich schlugen Oesterles Arbeiten wahre Wellen und er wurde 2004 mit „Hector Umbra“ für den Preis des besten Newcomers in Angoulême nominiert. Und auch in Holland feiert er enorme Erfolge mit seinem Opus Magnum, welches dort in einer edlen dreibändigen Ausgabe vorliegt. Oesterle gehört zweifelsohne zu den deutschen Stars in der internationalen Comicszene.

Der Münchner ist ein genialer Zeichner, dessen Szenarios immer einen Hang zum düster-schmuddelig Grotesken haben. Seine Bilder sind von einer klaren Linie dominiert, die weniger sichtbare Realität abbildet und stattdessen atmosphärisch wirkt. Expressiv kann man diese Zeichnungen nennen, George Grosz und Otto Dix fallen auf Anhieb ein, wenn man Oesterles Zeichnungen betrachtet. Zugleich ist er ein kongenialer Texter und Textsetzer. Er hat das richtige Gefühl für die Aufteilung von Text und Bild, um deren Zusammenspiel auf einer höheren Ebene kulminieren zu lassen. Nur noch wenige beherrschen diesen Zauber, und noch viel weniger auf einem solch hohen Niveau. Oesterles Sprechblasengrammatik – und von einer solchen kann man hier tatsächlich sprechen – ist kongenial. Sie passt sich unaufdringlich in sein Szenario ein und gibt ihm zugleich den Takt vor. Darüber hinaus besitzen die Sprechblasen in „Hector Umbra“ eine zusätzliche grafematische Markierung und unterscheiden durch die unterschiedliche Grundfarbe zwischen irdischen und nicht-irdischen Sprecherquellen. Das ist durchaus von Vorteil sein, wenn Menschen als Medium missbraucht werden.

„Hector Umbra“ ist ein Feuerwerk an Einfallsreichtum, Kreativität und Experimentierfreude, sowohl was die Zeichnungen als auch die Textelemente betrifft. Mit dieser besonderen Exkursion durch die Unterwelt der bajuwarischen Metropole hat Oesterle seinen bislang umfangreichsten Comic vorgelegt. „Hector Umbra“ ist zweifelsohne sein Meisterwerk, mit dem er in das Walhalla der internationalen Mystery-Comicszene einziehen wird.
 

Uli Oesterle
Hector Umbra
Carlsen-Verlag. Hamburg 2009
216 Seiten
24,90 €
ISBN 3551748683


Leseprobe

Hector Umbra - Trailer


 


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