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»’ne schöne Revolution hast du da!» 2008 verbrachte der deutsche Comiczeichner Reinhard Kleist vier Wochen auf Kuba. Entstanden sind daraus ein facettenreicher Reisebericht und eine beeindruckende biografische Annäherung an Fidel Castro in Bildern. Von Thomas Hummitzsch Spätestens im März 2008 ist Reinhard Kleists Auseinandersetzung mit Fidel Castro in eine zweifellos kritische Phase getreten. Auf Einladung seines Verlags Carlsen durfte er vier Wochen nach Kuba reisen, in Erwartung, im Anschluss ein Reisetagebuch in Bildern vorlegen zu können. „Havanna“ lautet der schlichte Titel von Kleists Carnet de Voyage, erschienen noch im selben Jahr seiner Kuba-Reise. Im letzten Teil dieses knapp 100 Seiten umfassenden Bandes lässt der Zeichner durchblicken, was diese Reise mit ihm gemacht hat. Denn dort präsentiert er sich dem Leser als permanent mit Castros Geist streitend. Wo immer er den Porträts des Maximo Líder begegnet, läuft ein innerer Monolog ab, der an ein faustisches Gespräch erinnert, an dessen Ende der Zeichner ein überlebensgroßes Plakat Castros wütend anschreit: „’ne schöne Revolution hast du da!“
© Thomas Hummitzsch
„Castro“ ist nach der
fulminanten Johnny Cash-Biografie „CASH – I see a darkness“ und dem gemeinsam
mit Titus Ackermann herausgegebenen „Elvis“-Band bereits Kleists dritter
biografischer Comic. Eine vierte biografische Erzählung entsteht aktuell und
soll ab März in Strips zunächst in der FAZ erscheinen und später als Gesamtband
verlegt werden. In seinem neuesten Band lässt Kleist einen gealterten deutschen Journalisten namens Karl Mertens von seinem Leben in Kuba erzählen. 1958 als junger Mann eingereist, suchte er die Nähe zu Fidel Castro und seinen Revolutionären und durchlebte mit ihnen gemeinsam die Revolution, ihre Vorspiele und ihre Folgen. Kleists fiktive Hauptfigur repräsentiert hier die vielen Europäer und Amerikaner, die während der Revolution in Kuba aus politischer Sympathie eingewandert, gestrandet und seitdem nicht wieder davon losgekommen sind. Der Comic ist Mertens erzählte Geschichte, ein Leben in Bewunderung für Fidel Castro, die ihn aber auch einiges an Verlusten und Entbehrungen gekostet hat. Mertens erzählt von seiner Ankunft auf Kuba, von seinen Eindrücken der gesellschaftlichen Verhältnisse unter dem Despoten Batista und seiner Kontaktaufnahme zum Dunstkreis Castros. Angekommen im Camp der Revolutionäre erfuhr er von dessen Begleitern einiges aus Castros Kindheit, seinen Jugendjahren und dem Studium. Mertens blieb bei den Revolutionären und wurde einer der Getreuen des Charismatikers Fidel Castro. Sein Rückblick auf die Revolution beginnt mit dem gescheiterten Putsch am 26. Juli 1958. Es folgen Castros Exil in Mexiko, die Revolution nach seiner heimlichen Rückkehr, seine mehrstündige Rede als kubanischer Staatschef vor den Vereinten Nationen, dem Überfall der Amerikaner auf die Schweinebucht, der anschließenden Paranoisierung und Unterdrückung der kubanischen Gesellschaft und endet in der Nach-Fidel-Ära, die von Armut und Entbehren geprägt ist. Mertens Rückblick ist eine biografische Erzählung – gewidmet dem eigenen Erleben im Schatten des Maximo Líders. Karl Mertens ist wenn man so will Reinhard Kleists Marionette. Um nicht selbst zu erzählen und sich dem Vorwurf einer Tendenz auszusetzen, lässt er erzählen. Dabei zieht Kleist im Hintergrund die Fäden seiner Erzählung, in die er neben der kubanischen Historie auch die zahlreichen Legenden rund um Fidel Castro und seine Freund- und Feindschaften einstrickt. Auch das einander zugeneigte, aber schwierige Verhältnis zwischen Che Guevara und Fidel Castro kommt in dem Comic nicht zu kurz. Che Guevara interessierte Kleist ursprünglich viel mehr, doch während seiner Recherchen stellte er fest, dass es mit „Che“ von Alberto & Enrique Breccia und Hector Oesterheld nicht nur schon eine glänzende Biografie des argentinischen Revolutionärs in Comicform gibt, sondern dass Fidel Castro für ihn der eindeutig interessantere Revolutionär ist. Weil er im Land geblieben sei und die Folgen seiner Revolution weiter mitgetragen habe, erklärt Kleist, dem man die Zerrissenheit zwischen Bewunderung und Fassungslosigkeit, die sich auch durch seinen Comic zieht, immer noch anmerkt. „Castro“ ist keine Biografie, aber eine biografische Annäherung an den Maximo Líder. Als solche ist der Comic auch das Dokument seiner Wandlung von einer Ikone zu einem Diktator. Kleist lässt an Castros diktatorischem Charakter keinen Zweifel aufkommen. Zwar werden Themen wie Folter und andere Menschenrechtsverletzungen nur am Rande behandelt, zentral und immer wiederkehrend sind aber das zunehmende Misstrauen Castros gegenüber den Kritikern aus dem eigenen Lager und ihre schonungslose Behandlung durch das Regime. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Castros Verfolgungswahn, dessen Paranoia mit zunehmender Macht wächst. Ein Prozess, der anderen Diktatoren nicht fremd ist. Castro steht so mit ähnlich paranoiden Despoten wie Stalin, Mao und Pol Pot in einer Reihe. Mertens wohnt dieser Wandlung fast ohne Unterbrechung bei. Doch zugleich hat die Revolution auch einer der vielen rechten lateinamerikanischen Diktaturen ein Ende gemacht und ein kostenloses Gesundheits- und Bildungssystem hervorgebracht – auch wenn man über dessen Qualitäten streiten kann. Schatten und Licht sind bei Fidel Castro nah beieinander. Die zahlreichen Gegensätze, die bei der Beschäftigung mit Fidel Castro zutage treten, hat Kleist in denkbar ideale Zeichnungen übertragen. Seine mit Pinsel und Tusche liebevoll und mit Sorgfalt ausgeführten Schwarz-Weiß-Zeichnungen bilden diese Kontraste idealtypisch ab. Darüber hinaus verleiht er mit starken Schattierungen oder in weiß auslaufenden Stadt- und Landschaftspanoramen seinen Panels eine seltene räumliche Tiefe. Mit unterschiedlichen Panelgrößen setzt er klassisch die zeitlichen und dynamischen Aspekte zeichnerisch um. Auffallend sind Kleists massive Sprechblasen, deren Strich nicht in gewohnter Form Tonalität und Stimmung transportiert. Er setzt sie zuweilen auch unkonventionell ein. Steht des Volkes Stimme in anderen Werken im freien Raum, presst sie Kleist in eine an einen Baseballschläger erinnernde Form. Wenn dies die Schlagkraft der Masse symbolisieren soll, wenn diese sich erhebt, dann ist sind diese Sprechblasen ein genialer Schachzug, der dennoch gewöhnungsbedürftig ist. Karl Mertens Geschichte steht lange Zeit im Hintergrund der Erzählung, doch insbesondere am Ende gewinnt sie an Bedeutung. Denn Kleist versucht mit seiner Hauptfigur auch zu ergründen, warum ausgerechnet die gestrandeten Westler Fidel Castros Despotismus nicht erkennen wollen, während die meisten Kubaner Castro und seiner Revolution den Rücken zukehren. „Ich habe meine Heimat aufgegeben, weil ich an all das hier glaube“, sagt Mertens am Ende des Comics. Die Revolution symbolisiert für ihn alles, was er nicht mehr hat. Sie aufzugeben bedeutete, die eigene Geschichte in den Wind zu schlagen. In Kuba ist er zumindest Teil einer Bewegung, die einst Tausende faszinierte. Kleists Castro-Erzählung ist die, mit der sich die politische Linke wohl noch am ehesten arrangieren kann, da sie Castros Despotismus zwar nicht verschweigt, aber eben auch nicht in den Vordergrund stellt. Tritt Castros paranoides Verhalten zutage, versucht es Kleist nicht selten zu ergründen. Dies gibt seinem Comic eine historische Relevanz. Den Dingen auf den Grund gehen, auch das wollte Kleist 2008 in Kuba machen. Dafür ging er auf die Straße, beobachtete den Alltag der Menschen, unterhielt sich mit Passanten und Kindern, machte mit Straßenmusikern die Nacht zum Tag und traf sich mit Dissidenten. Seine Impressionen, Erlebnisse und Gespräche hielt er mit dem Bleistift in einem Scretchbook fest, welches er, zurück in Berlin, überarbeitete und ergänzte. Ergebnis ist das abwechslungsreiche, stimmungsvolle und einfühlsame Carnet de Voyage „Havanna“, eine atmosphärische Darstellung des Alltags in Kubas Hauptstadt. Darin hat er nicht nur die zahlreichen Stadtimpressionen versammelt, sondern auch ganz unterschiedliche Zeichentechniken angewendet. Neben Bleistiftskizzen finden sich Tinten- und Tuschebilder in schwarz-weiß und Farbe. „Havanna“ ist so auch ein Beleg der künstlerischen Klasse von Reinhard Kleist.
Wer nach der Lektüre des einen oder gar beider
Bände meint, hier verehre ein linker Romantiker nur allzu naiv einen
sozialistischen Diktator und sein Land, täuscht sich. Denn Reinhard Kleist spart
nicht mit der Präsentation von Kritikwürdigem, hält mit den katastrophalen
Zuständen im Kuba unter und nach Castro nicht hinterm Berg. Er zeigt die
willkürliche Verfolgung politischer Gegner ebenso wie die leeren Regale in den
Supermärkten. Er zeigt unumwunden, dass die Revolution in Kuba ihre Kinder
frisst und ihnen ihre Zukunft stiehlt. Was er sich aber nicht erlaubt, ist über
die politischen Verhältnisse und den Werdegang des „Alten“ ein Urteil zu fällen.
Dies soll jeder Leser selbst machen. Er nimmt es ihnen nicht ab, sich selbst mit
der Person Fidel Castro, dem Projekt der kubanischen Revolution und ihren
verheerenden Folgen auseinanderzusetzen. Wer einfache Antworten will, wird sie
hier nicht finden, weder in „Havanna“ noch in „Kuba“. Und gerade das macht diese
Bände in ihrem Zusammenspiel so wertvoll. Sie konfrontieren uns mit uns selbst
und fordern uns heraus, eine eigene Haltung in einer Angelegenheit zu finden, in
der die meisten ihre Meinung schon gefunden zu haben glaubten. Aber eben nur
glaubten, denn die Auswirkungen des anderen Systems, des Kapitalismus, haben uns
Demut vor allzu schnellen Urteilen gelehrt! |
Reinhard
Kleist
Reinhard
Kleist |
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