Ein
Text geht um in Europa,
ein Aufruf zum Aufruhr.
Er nennt sich
»Der
kommende Aufstand« und wurde in Frankreich von einem »Unsichtbaren Komitee« verfaßt.
Die Autoren haben diese Bezeichung nicht aus erkennungsdienstlichen Rücksichtsnahmen
gewählt, sondern, wie der Verleger der
»fabrique éditions«,
Eric Hazan,
erklärt, aus »philosophischen« Gründen, da die
Verfasser meinten, sich nicht die Autorität des
Autors über den Text anmaßen zu können. Hybris
oder Einsicht in die eigene Beschränktheit?
Seit
seinem Erscheinen im März 2007 hat sich der Text
allein in Frankreich über 25.000 mal verkauft,
in Deutschland, wo die Schrift in der Edition Nautilus erschienen ist, sind bereits gut
30.000
Exemplare verkauft, und das obwohl der komplette
Text (s.o.) im Netz zu finden ist.
Sicher ist, es gibt in breiten Schichten der
Bevölkerung Europas ein großes Bedürfnis nach
gesellschaftlichen Veränderungen. Daß die
herrschende politische Kaste abgewirtschaftet
hat, ist eine in Europa weit verbreitete
Meinung. Zu komplex sind die zu bewältigenden
Probleme, als daß sie noch von Politikern gelöst
werden könnten, die sich selten fachlich, sondern
meist durch nichts als ihre
Parteikarriere qualifiziert haben.
Parteipolitisch begründete Strategien zur
Machterhaltung bestimmen das politische
Tagesgeschäft, Maulwürfe der Lobbyisten
diktieren die Gesetzestexte und aufkommender
Widerstand in der Bevölkerung wird von
aufgestachelten
»Jungbullen«, die aus Darth Vaders
Leibstandarte entsprungen scheinen,
niedergekärchert.
»Soziale
Gerechtigkeit«
ist zu einer inhaltsleeren
Floskel verkommen, da die Gewinne von Banken &
Konzernen privatisiert und ihre Verluste ohne
Skrupel
sozialisiert werden. Und je nach
Lagerzugehörigkeit behaupten die medialen
Sinnstifter ihre Version einer Realität, die mit
dem wirklichen Leben der Menschen längst nichts
mehr zu tun hat.
Was haben die
»Unsichtbaren«
uns
strategisch & ästhetisch zu bieten? Wie sind
sie philosophisch & politisch verwurzelt? Wen
repräsentieren sie? Was versprechen sie?
7 Autoren haben die Schrift für Glanz & Elend
gelesen:
Peter
V. Brinkemper Wider
den Napoleon-Komplex
»Es
geht um zivile Verausgabung über die Strategien polizeilich-militärischer
Kontrollmacht hinweg, um außerparlamentarische Antizipation von Legitimation vor
exekutiver Dummheit - rechtzeitig, bevor deren
Verteter im Sinn von 'Doktor Seltsam' an ihrer eigenen Paranoia irrewerden.«
Artikel lesen
Thomas Hummitzsch
Das Kommunistische Manifest 2.0
oder: Self-fulfilling prophecy
Wenig Falsches, nichts
Neues. Die Flugschrift kommt im Gewand der Revolution
daher und ist doch nur ein Dokument dessen, was man Linkskonservativismus
schimpfen muss.
Artikel lesen
Gregor Keuschnig Komm-Pot -
»Der kommende Aufstand«
im Spiegel des
modernen Anarchismus »Der
kommende Aufstand« bietet in zwangsoriginell-angestrengten Sätzen einen
eklektizistischen Cocktail aus obskurem »Anarcho-Primitivismus«,
grobschlächtigem Kommunismus und Pol Pot an.«
Artikel lesen Rudolf Maresch
»Alle
sind sich einig: Es wird knallen« »Ein höchst aufgebrachtes, aber anonym
agierendes Komitee lechzt nach dem »Ausnahmezustand«, bringt aber doch nur die
Kulturredaktionen des Landes kurzzeitig zum Beben.«
Artikel
lesen
Goedart Palm
Zundelfrieder & der Rest der coolen Gang
in Zeiten der Globalisierung Der
»kommende
Aufstand« wohnt zur Untermiete bereits im Paradies. »Nicht
die Revolte an sich ist edel, sondern das, was sie fordert, selbst wenn, was sie
erreicht, noch gemein ist.« Das unsichtbare Komitee schwärmt von der
»Unterbrechung
der Warenflüsse«, der »Aufhebung
der Normalität«, die wieder Leben in ein stromloses Mietshaus brächte, als
würden wir per Unterversorgung rousseauistisch in das Paradies der
Brüderlichkeit geführt.
Artikel
lesen Wolfram
Schütte Nur eine schöne Kunstfigur? »Revolten,
die Revolten bleiben, sind Konterrevolutionen, weil sie den Kenntnisstand der
bestehenden Macht vergrößern und sichern helfen. Allenfalls sind sie, was der
junge Marx der Religion zuschrieb: der Seufzer der bedrängten Kreatur, das
Gemüt der herzlosen Welt, der Geist geistloser Zustände - Leuchtzeichen des
glücklosen Protestes, Erinnerungsrufe der Vergessenen.«
Artikel lesen
Damals
Albert Camus:
l'art et la révolte ne mourront qu'avec le dernier homme
Dutschke-Augstein-Dahrendorf Dokument eines
Diskursversuchs
aus dem letzten Jahrtausend
Die Grenze des Nützlichen »Jeder
Mensch wird eines Tages einstehen müssen, dass nützliche
Verhaltensweisen an sich überhaupt keinen Wert haben, dass einzig
und allein das gloriose Verhalten dem Leben Licht verleiht, um die
eigenen Umtriebe zu enfalten.«
Georges Bataille Die Aufhebung der Ökonomie
Batterien 22
Aus dem Französischen von Traugott König, Heinz Abosch und Gerd
Bergfleth
Matthes & Seitz Berlin
338 Seiten, geb. mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-88221-225-9, € 29,00
Die Hölle sind
immer die Anderen Guido
Rohm Über Georges Batailles
»Es ist an der Zeit, Bataille neu und
vollständig zu entdecken. Man verlässt seine Textkuren ein Stück
weit nackter...«
Georges Bataille Henker und Opfer
Vorwort von André Masson
Matthes & Seitz Berlin
96 Seiten, Klappenbroschur
ISBN 978-3-88221-726-1, € 10,00
Trotzdem - Pourtant Während
Jean-Paul Sartre eine gesellschaftliche Revolte, die im historischen
Ziel des Kommunismus gipfeln sollte, präferierte, war für
Camus die Revolte ein
permanenter Prozeß, der nie zu einem letzlichen Ziel würde führen
können. Im ewigen wieder & wieder Aufstehen bleibt dem absurden
Menschen nur sein höhnisches »Trotzdem« als Schlachtruf.
HD
Albert Camus - Der Mensch in der Revolte
rororo -
Taschenbuch, 352 Seiten,
9,95 €
978-3-499-22193-4
Ein Buch wie eine Waffe Kein
anderer deutscher Autor hat seinen Zorn über die kaputten
Verhältnisse in den Großstädten der frühen 70er Jahre so radikal
artikuliert und damit ästhetisch wie inhaltlich einen zentralen Nerv
seiner Zeit getroffen, wie
R. D. Brinkmann. Man
müßte »Rom, Blicke« und seine »Erkundungen« ins Französische
übersetzten und den kids in den banlieues dort schenken, damit sie
sehen, daß ihr Zorn eine Geschichte hat, die über ihren Horizont
hinausreicht. HD
Rolf Dieter Brinkmann Erkundungen für die Präzisierung des
Gefühls für einen Aufstand: Träume. Aufstände. Gewalt. Morde
REISE - ZEIT - MAGAZIN. Die Story ist schnell erzählt,
rororo Tb, 416 S., 19,00 €
978-3-499-25169-6
Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und
Zeitkritik